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09.01.2007

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Schloss oder Multifunktionskörper?

Braunschweig will Haltestelle umbenennen


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Die ansonsten nicht gerade rekonstruktionskritische „Braunschweiger Zeitung“ macht sich in einem Artikel vom 6. Januar 2007 mit mildem Spott lustig über das Ansinnen der Stadt Braunschweig, eine Straßenbahnhaltestelle umzubenennen.

Die Stadt hatte die Rathausfraktionen in einer Verwaltungsmitteilung darüber informiert, dass sie die Braunschweiger Verkehrs-AG darum bitten wolle, die Haltestelle „Bohlweg / Damm“ noch vor der bevorstehenden Eröffnung der „Schloss-Arkaden“ in „Schloss“ umzubenennen.
Begründung: Es sei zu erwarten, dass das Schloss „nicht nur für die Braunschweiger, sondern auch für Besucher aus der Region zu einem attraktiven Ziel wird“, so Stadtbaurat Wolfgang Zwafelink. Das neue Braunschweiger Schloss werde in Kürze zu einem kulturellen Ziel für viele Menschen.

Daraufhin zitiert die Braunschweiger Zeitung genüsslich diverse Schloss-Gegner: Allenfalls, so SPD-Fraktionsgeschäftsführer Michael Walther, könne man sich mit der Bezeichnung „Schlossplatz“ anfreunden. Die Bezeichnung „Schloss“ sei irreführend, es handele sich nur um eine rekonstruierte Fassade. Das Schloss sei nicht mehr vorhanden. „Braunschweig sollte Besucher nicht mit Vortäuschung falscher Tatsachen anlocken.“

Das meint auch Udo Sommerfeld (PDS/Die Linke). Es handele sich nicht um ein Schloss, sondern um einen „Multifunktionskörper“. „Ich sehe keine Notwendigkeit, die Haltestelle umzubenennen. Und wenn doch, dann wären Namen wie Einkaufsschloss, ECE-Schloss oder besser: ECE-Schlossnachbau die bessere Wahl.“

Auch Bündnis 90/Grüne sind gegen die Umbenennung. Bekanntlich handele es sich bei dem ECE-Center mit „angehängter“ Schlossimitation nicht um eine Rekonstruktion des Ottmer-Schlosses, sondern um einen „reinen Funktionsbau, dem ein historisierender Anstrich verpasst wurde“, sagte Fraktionsvorsitzender Holger Herlitschke. Das Schloss sei im Zweiten Weltkrieg untergegangen und werde als solches nie wieder erstehen. Mit der Bezeichnung des ECE-Umfeldes als „Schlossplatz“ und der Umbenennung der Haltestelle solle diese Tatsache verschleiert und vernebelt werden.

Da bleibt zum Schluss nur noch diese Anmerkung der BauNetz-Redaktion: Das Braunschweiger Schloss ist nicht „im Zweiten Weltkrieg untergegangen“, sondern seine kriegsbeschädigte, aber aufbaufähige Ruine wurde 1961 auf Ratsbeschluss mit einer Stimme (SPD-)Mehrheit abgerissen.


Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

6

marc hartz | 11.01.2007 01:30 Uhr

was hätte die nachkriegsgeneration alles retten können!?

danke für die Anmerkung der BauNetz-Redaktion: Das Braunschweiger Schloss ist nicht „im Zweiten Weltkrieg untergegangen“, sondern seine kriegsbeschädigte, aber aufbaufähige Ruine wurde 1961 auf Ratsbeschluss mit einer Stimme (SPD-)Mehrheit abgerissen. wie sich das doch, ob westen oder osten, kapitalismus oder kommunismus , braunschweig oder berlin und wo noch überall, bis heute gleicht. wann gibt es endlich das fach baukultur in unseren schulen? denn auch heute sind wirtschaftliche interessen immer mächtiger als der denkmalschutz!
die diskussion um die namensgebung eines platzes entlockt mir nur ein müdes lächeln! der fehler unserer zeit liegt klar darin etwas ungefähr nachzubauen, aber eben nicht das schloss mit all seiner pracht und herrlichkeit sondern eine billige replik mit einem konsumistischen, in jeder stadt wiederfindbarem inhalt. da fällt mir doch auch gleich ein name ein: kaufdichsattschlossplatz!

5

Sören Hörig | 10.01.2007 14:28 Uhr

Das Schloß und sein Platz

Was bitte, BlueNote, hat Braunschweig mit der DDR zu tun? Abgesehen davon, dass hier wie dort rettbare Bausubstanz abgerissen wurde. Und noch eins: "Ultra-" Linke dürfen eben nicht die Klappe aufreißen, weil sie nämlich hüben wie drüben verboten sind. Soviel zur Unsache, jetzt zur Sache: Es geht um die Bezeichnung "Schloß", und die ist wegen der Kulisse täuschend und falsch. Es ist ja nicht so wie in Dresden, wo die Fassaden die Wahrnehmung all die Jahre aufrechterhielten. Das hier ist ein Zitat.
Gegen "SchloßPLATZ" ist nichts einzuwenden, es sei denn, "Bohlweg/Damm" ist tatsächlich so historisch gewachsen und hat sich eingebürgert.
Und dass dieselbe Partei jetzt Kritik übt, mit deren Stimme seinerzeit der Abbruch möglich war, zeigt, dass Parteien auch nur treibende Hölzer sind, die mit dem Strom schwimmen. Aber es wird schon wieder unsachlich...

4

Thomas Baader | 10.01.2007 11:12 Uhr

Ein Eiertanz

Hat schon jemand den Vorschlag gemacht, die besagte Haltestelle "Multifunktionskörper" zu nennen? Werde ich eigentlich irregeführt, wenn ich in Frankfurt am Main an der S-Bahn-Station "Konstabler Wache" aussteige, dort aber ein derartiges Wachgebäude vergeblich suche? Sollte man die Stadt Hanau dazu zwingen, ihren "Schlossgarten" und ihren "Schlossplatz" in der Innenstadt umzubenennen, da das namensgebende Schloss schon lange nicht mehr existiert? - Diese Liste ließe sich mit weiteren absurden Fragen noch lange fortführen; ich verzichte an dieser Stelle darauf, denn eins ist (hoffentlich) deutlich geworden: Traditionsreiche Namen von Haltestellen, Straßen, Plätzen, etc. sind natürlich auch dann noch völlig legitim, wenn die Sache, wonach sie benannt sind, nicht mehr existiert. Wozu dann aber dieser Eiertanz in Braunschweig? Man darf vermuten, dass den Gegnern des Projektes langsam die Argumente ausgehen, so dass man nun auf derartige bizarre "Nebenkriegsschauplätze" ausweicht. Dass die Umbenennung der Haltestelle in "Schloss" auch in rein funktionaler Hinsicht sinnvoll wäre (Besuchern der Stadt würde die Orientierung erleichtert), wird hingegen kaum erörtert.

3

Vienna | 10.01.2007 09:26 Uhr

Damm

Es wundert mich, dass die versammelten Braunschweiger Historisierer bei dieser bizarren Debatte den historisch gewachsenenen Namen Bohlweg/Damm nicht mit ebensolcher Inbrunst gegen Umbenennung verteidigen. Schließlich gibt es bis heute im Gegensatz zum Schloss sowohl den Bohlweg als auch den Damm als historisch wichtige Achsen, die sich an der Stelle der Haltestelle treffen.

2

Dr. Ronald Kunze | 09.01.2007 22:34 Uhr

Schloßplatz oder wie?

Braunschweig ist immer wieder für Überraschungen gut. In meinem Stadtplan von 1958 heißt der Ort Schloßplatz; folglich spricht nichts zwingend dagegen. In Ablehnung an den Schwachbeutel würde ich ja lieber Marx-Engels-Platz vorschlagen. Das wäre der künftigen Nutzung angemessener. Oder gleich schlicht Otto-Platz? Es bleiben Fragen!

1

BlueNote | 09.01.2007 21:24 Uhr

Schwachbeutel

Erstens stand dort früher das Schloß, jetzt entsteht wenigstens wieder die Fassade, also wo ist das Problem?
Daß die Ultralinken ein Traditionsproblem haben, ist ja bekannt, daß sie die Klappe aufreißen dürfen, verdanken sie der Demokratie, die sie in der DDR 45 Jahre lang mit Füßen getreten haben.
Übrigens gibt es in Berlin auch einen Schloßplatz und da wird es auch erst wieder rekonstruiert.
Und in Frankfurt gibt es einen Platz " Konstabler Wache", das Gebäude ist schon ewig futsch.
Und in Hannover gibt es einen Schiffgraben, da fahren schon lange Autos durch und in...
Noch Fragen?

 
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