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25.09.2000
„Bauerhaltung ohne Denkmalschutz“ misslungen
Baumgartens Bewag-Häuser in Berlin werden abgerissen
Im Berliner Bezirk Tiergarten ist der Weg frei für den Abbruch eines bedeutenden Gebäude-Ensembles der sechziger Jahre: Die von Paul Baumgarten 1962-67 errichtete Erweiterung der Bewag-Hauptverwaltung, die unmittelbar an das kürzlich sanierte Shell-Haus vom Emil Fahrenkamp anschließt, weicht einer Neubebauung, für die noch ein Architekturwettbewerb ausgelobt werden soll.
Der Berliner Elektritzitätsversorger Bewag hatte sein Gebäude-Ensemble in den neunziger Jahren verkauft und im Bezirk Treptow einen Neubau errichtet. In das denkmalgeschützte Shell-Haus zog der Berliner Gasversorger Gasag ein; für das Gelände des dahinter liegenden Baumgarten-Erweiterungsbaus wurde eine Abrissgenehmigung erwirkt, die der Bezirk Tiergarten auch erteilte. Mit der Abrissgenehmigung wurde das Grundstück dann an den Entwickler „Viterra Gewerbeimmobilien GmbH“ veräußert. Dieser hätte das Grundstück nach eigenen Angaben ohne Abrissgenehmigung nicht gekauft.
Trotz der vorhandenen Abrissgenehmigung ließ der Entwickler, wieder eigenen Angaben zu Folge, durch den Architekten Manfred Ortner prüfen, ob eine Bebauung unter (teilweisem) Erhalt der Baumgarten-Bauten rentabel sei, was durch Ortner schließlich verneint wurde. Ortner führt nicht nur bautechnische und -rechtliche Gründe an (so z.B. fehlende Fluchtwege), sondern auch ästhetische und städtebauliche. Die „Viterra“ spricht unverhohlen an, dass die Kargheit der Sechziger-Jahre-Bauten „unpopulär“ sei und man für ein solches Bauwerk keine adäquat zahlenden Nutzer finden könne - im Gegensatz zu Gewerbeobjekten, die in „historischen“ Industriebauten angesiedelt werden.
Am 22. September 2000 debattierte in der nahe gelegenen Matthäikirche eine hochkarätige Diskussionsrunde im Rahmen der „Architekturgespräche“ des Senatsbaudirektors über den Fall. Das Motto des Gesprächs: „Bauerhaltung ohne Denkmalschutz?“ bezog sich auf die Tatsache, dass die Baumgarten-Bauten nicht unter Denkmalschutz stehen und wohl auch nicht unbedingt den Kriterien der Denkmalliste entsprächen, wie Landeskonservator Jörg Haspel zwischen den Zeilen durchblicken ließ. Dennoch kam die Frage nach der „Bauerhaltung“ in diesem Falle post festum, denn die Entscheidung für den Abriss ist unumstößlich und unaufhaltsam. Die Gebäude sind bereits leer geräumt und warten auf die Abrissbirne.
Senatsbaudirektor Stimmann legte Wert auf die Feststellung, dass das durch sein Haus verfolgte „Planwerk Innenstadt“ nicht verantwortlich für die Abrissentscheidung sei; im Planwerk seien die Baumgarten-Bauten als existent dargestellt. Von „Hass auf die Moderne“ seitens der Planwerksverfasser zu reden, sei also verfehlt.
Einen schweren Stand hatte die Kunsthistorikerin Annette Menting, Verfasserin eines Standardwerks über Baumgarten und frisch an den bisher von Ingeborg Flagge gehaltenen Lehrstuhl für Baugeschichte/Kultur an der FH Leipzig berufene Professorin. Sie versuchte, die architektonischen und städtebaulichen Qualitäten dieses Baumgarten-Baus aufzuzeigen, erntete damit aber fast nur bei ganz jungen Besuchern der Veranstaltung lautstark artikulierte Zustimmung. Die „mittlere“ Generation der versammelten Fachleute zeigte sich den Bauten gegenüber mehrheitlich eher desinteressiert.
Foto: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (Berlin) / Philipp Meuser
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