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27.01.2006
Korn. Kitsch. Schlock.
Architekturkritiker Allan Temko ist tot - mit Kommentar
Allan Temko, der erste Architekturkritiker der Welt, der jemals einen Pulitzer-Preis gewonnen hat, ist am 25. Januar 2006 in San Francisco gestorben. Er war 81 Jahre alt.
Der selbsternannte „activist critic“ des San Francisco Chronicle war ein neuer Typus von Architekturkritiker: Er war nicht nur für seine sicheren Werturteile über Gebäude berühmt, sondern besonders dafür, dass er ungute „Developments“ zu verhindern wusste. Als erster Kritiker setzte er sich nicht nur mit prominenten Hochhäusern und öffentlichen Gebäuden auseinander, sondern auch mit Brücken, U-Bahnhöfen und gewöhnlichen Einkaufszentren. Temko war es als Redakteur so gelungen, eine breite Öffentlichkeit für Architektur zu interessieren, und seine Stimme wurde gehört: Architekten, Planer und Politiker haben ihre Pläne nicht selten aufgrund seiner Kritik geändert.
Einmal war Temkos Kritik so harsch, dass der Architekt -erfolglos- gegen ihn vor Gericht zog. Kein Wunder: Temko hatte den Bau gleich in der ersten Zeile als „Corn. Kitsch. Schlock. Honky-tonk. Dreck. Schmaltz. Merde.“ bezeichnet.
Der bekanneste Schriftsteller von San Francisco, der legendäre Beatnik-Autor Jack Kerouac, hat Temko in seinem berühmtesten Roman „On the Road" in der Figur des Roland Major verewigt.
Jüngeren Architekturkritikern in Amerika dient Temko als Rollenmodell. Zeitgenossen haben ihn als „Street fighter in a bow tie“ beschrieben, dabei stets elegant und gebildet.
Nach dem Studium in New York und Berkeley ging Temko 1951 nach Paris, wo er an der Sorbonne unterrichtete und sein erstes Buch, „Notre Dame of Paris“, schrieb.
Von 1961 bis 1993 war er der Architekturkritiker des Chronicle in San Francisco, der Stadt, die er liebte:
„Unsere Stadt wird vor unseren Augen ruiniert, vergewaltigt, vergiftet und zerdrückt und mit inhumanen und idiotischen Gebäuden überzogen", schrieb er noch 1993, „San Francisco ist der richtige Ort, sich dagegen zu wehren. Denn wir haben mehr zu verlieren als Detroit oder die Bronx.“
Kommentar der Redaktion:
Im Rahmen des Arthur-F.-Burns-Fellowships durfte ich selbst im letzten Jahr als Architekturkritiker beim San Francisco Chronicle arbeiten. An meinem letzten Tag vor der Abreise habe ich Allan Temko kennengelernt. Ich hatte einen Artikel über die - immer noch drohende - Verschandelung des berühmten TWA-Terminals am JFK-Flughafen in New York geschrieben und Temko, als einer der wichtigsten Biogaphen von Saarinen, hatte den Text aufmerksam und mit Freude gelesen und mich daraufhin in ein Grillrestaurant in Downtown San Francsisco eingeladen.
Bei unserem Lunch war nichts zu spüren von dem „cholerischen Rotkopf im Seidendress, der alles hasst“, als den Kerouac Temko einst beschrieben hatte. Denn Temko konnte auch bescheiden sein: Als ihm 1990 der Pulitzer-Preis für sein Lebenswerk verliehen wurde, sagte er, dass eigentlich seine Leser diesen Preis verdienten, die Nordkalifornien zur umweltbewusstesten Region der USA gemacht haben.
Temkos Mischung aus Charme und Härte und seine Passion, die ihn noch im Alter von über 80 Jahren für Zeitschriften wie Metropolis schreiben ließ, machen ihn zum Vorbild für Architekturjournalisten in aller Welt. Der finanziell angeschlagene Chronicle selbst leistet sich übrigens keinen Architekturkritiker mehr.
Ulf Meyer
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