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https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen_Architekt_Walter_A._Netsch_in_Chicago_gestorben_227337.html

23.06.2008

Antizipator aus Illinois

Architekt Walter A. Netsch in Chicago gestorben


Walter A. Netsch, Jr. ist am 14. Juni 2008 im Alter von 88 Jahren in Chicago verstorben. Der Architekt war für seine geometrisch-komplexen Bauten bekannt, inklusive des Campus der University of Illinois at Chicago (UIC) und der U.S. Air Force Academy Kapelle in Colorado.
Netsch war als Architekt beinahe sein ganzes Leben lang für das Chicagoer Büro von Skidmore, Owings & Merrill (SOM) tätig, wo er auch den oft kritisierten Masterplan sowie Gebäude für den UIC-Campus entwickelte. Seine Planungen erwiesen sich als schwer nutzbar, manche wurden gar abgerissen.
Dennoch sehen viele Wissenschaftler in Netschs Arbeiten einen ersten bemerkenswerten Bruch mit dem kastenartigen  Modernismus im Amerika der 50er- und 60er Jahre, wenn nicht gar die Vorwegnahme einer unorthodoxen, computergenerierten Formensprache, wie man sie von nicht mehr ganz jungen Architekten wie Peter Eisenman oder Frank Gehry kennt.
„Er wühlte in den 60er-Jahren den Boden des Althergebrachten auf und pflasterte den Weg für die jüngere, ihm nachfolgende Generation“, sagt John Zukowsky, der ehemalige leitende Architekturkurator am Art Institute of Chicago.
Der Architekturhistoriker Robert Bruegmann ergänzt, dass Netsch seinen Fokus stets auf neuen Technologien und Möglichkeiten legte: „Er zeichnete dann meist wie verrückt und hörte dabei unerträgliche Avantgarde-Musik“.
Netsch studierte bis 1943 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und kam nach dem Krieg 1947 zu SOM, als das Büro gerade Oak Ridge für die amerikanische Atomenergiebehörde plante. 1954 wurde er Partner bei SOM und konzipierte das 19-geschossige Inland Steel Building für Chicago, das 1958 fertig gestellt wurde und mit seinen stützenfreien Büroetagen und dem Erschließungsturm als eine Landmarke Chicagos gilt.
Frank Gehry sagte 2005, dass die Edelstahlfassade dieses Gebäudes ihn zu mehr skulpturalen, metallbekleideten Gebäuden wie dem Guggenheim Museum in Bilbao inspiriert habe.
1954 erhielt SOM den Auftrag, die Kapelle für die Air Force Academy zu bauen. Netsch entwarf eine aufsteigend-zackenartige Kapelle, die wie eine Mini-Kathedrale aussah. Die Kapelle erhielt 1995 den 25-Jahres-Preis des  American institute of Architects (AIA) für „anhaltende Signifikanz“.
In den 1960er Jahren, als er den UIC-Campus plante, entwickelte er seine „Field Theory“, dessen Ausgangspunkt die Verlagerung von quadratischen Formen in eine geometrisch komplexe Reihe von schiefen Gittern ist.
Das führte zu ungewöhnlich aussehenden Bauten wie dem „Architecture and Art Building“ der UIC, bei dem verdrehte Quadrate für verblüffende Silhouetten und labyrinthartige Grundrisse sorgen. Mitte der 1990er Jahre wurde das Kernstück des UIC-Campus abgerissen und durch einen konservativen viereckigen Hof ersetzt.
Netsch, der viele nationale AIA-Awards erhielt, zog sich 1979 aus seiner aktiven SOM-Partnerschaft zurück, blieb jedoch bürgerschaftlich-kulturell engagiert. Bis zuletzt blieb er kämpferisch und unangepasst.


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