Unter dem Titel „Wohnung für das Existenzminimum“ veranstalteten die CIAM (Congrès International d’Architecture Moderne) ihre zweite Tagung im Jahr 1929 in Frankfurt a. M. Knapp acht Jahrzehnte später ist das Thema aktueller denn je. Vor allem städtische Lebensweisen der Armut führen zu existenziellen Wohnungsnöten. Schon jetzt leben rund 50 Prozent der Weltbevölkerung in Städten, und davon lebt wiederum etwa die Hälfte in Elendsvierteln, Slums oder in der Obdachlosigkeit. In Westeuropa leben gegenwärtig mindestens zehn Prozent der Bevölkerung unter gravierenden Wohnungsnöten.
Der International Bauhaus Award 2008 hat dieses große Thema deshalb wieder aufgenommen. Unter dem Motto „Wohnungsnöte“ waren in diesem Jahr Wohnungen für das Existenzminimum von heute gefragt. Am 21. Juni hat die Stiftung Bauhaus Dessau den 5. Bauhaus Award verliehen.
Die Jury, an der unter anderem Omar Akbar und Verena von Beckerath angehörten, hatte aus über 100 eingereichten Beiträgen aus 25 Ländern zehn architektonische, künstlerische und dokumentarische Arbeiten nominiert. Sie vergab nicht nur den ersten, zweiten und dritten Preis, sondern auch zwei Anerkennungen, um die Themenbereiche der eingereichten Arbeiten entsprechend zu würdigen.
1. Preis (6.000 Euro): Steps'n Slabs
Wohnungsbau in Temuco, Chile (2004 - 2008)
pasel.künzel architects Rotterdam/Niederlande
„Steps'n Slabs versucht, eine Antwort auf ein weltweites Problem zu geben, von dem etwa eine Milliarde Menschen betroffen ist. Als besonders innovativ wurde der partizipative Ansatz des Projektes beurteilt. Die Produktion der Einheiten ist subventioniert, und die möglichen Nutzer werden mit einbezogen. Es ist ein räumlich wie zeitlich flexibles Modell“.
2. Preis (4.000 Euro): Sayama Flat
Sanierungsprojekt Tokio/Japan (2008)
Jo Nagasaka, Schemata Architecture Office Tokio/Japan
„Die Jury sah in Sayama Flat eine Neudefinition der Rolle des Architekten, denn es werden allein durch Dekonstruktionen neue Wohnräume geschaffen. Das Projekt wertet Wohnungen, die in den 1970er Jahren als Wohnungen für das Existenzminimum gebaut wurden, auf und reagiert damit auf eine neue Wohnungsnot, insbesondere in Metropolen. Sayama Flat reagiert zugleich auf die Erhöhung der Mietpreise und bietet bezahlbaren und qualitativ angepassten Wohnraum.“
3. Preis (2.000 Euro): Portrais from Above
Hongkongs informelle Dachhäuser (2007/08)
Rufina Wu, Kanada, Stefan Canham, Germany
„Portraits from Above dokumentiert das selbstorganisierte Wohnen und Überleben auf Dächern der Hochhäuser von Hongkong. Über Fotos, Grundrisse und Zeichnungen gelingt der Dokumentation eine präzise Sichtbarmachung dieser Selbsthilfe und Organisation in Existenznöten.“
Anerkennung (500 Euro): Husly – ein Platz zum Leben
Recyclinghaus Trondheim/Norwegen (2007)
Vigdis Haugtrø, Johannes Franciscus de Gier, Trondheim/Norwegen
„Die Jury lobte, dass Husly die europäische Tradition der Selbsthilfe aufgreift und weiter-entwickelt. Es wird eine Alternative zum bestehenden Wohnungsmarkt aufgezeigt. Über die Verwendung von verfügbaren Produkten der Konsumgesellschaft ist Husly ein nachhaltiges Zerocost-Haus.“
Anerkennung (500 Euro): Nomaden der Stadt
Stadtführer für Obdachlose, Berlin/Deutschland (2006)
Katja & Steffi Hoffmann, Berlin/Deutschland
„Die Jury sah es als anerkennenswert an, dass der Stadtführer ein – im Zuge des Auseinanderklaffens von Arm und Reich – wachsendes Problem aufgreift und versucht, Wohnen und Lebensbedingungen von Obdachlosen durch gezielte Informationen über Anlaufstellen für alle Lebenslagen systematisch zu verbessern.“
Zum Thema:
www.bauhaus-award.de