Seit 1446 versammelt sich das niederländische Parlament im
Binnenhof in Den Haag, einem historischen Gebäudekomplex, der mittlerweile dringend renovierungsbedürftig geworden ist. In diesem Sommer begannen dann auch die Bauarbeiten, für die etwa sechs Jahre angesetzt sind. Die Zweite Kammer des niederländischen Parlaments, sozusagen das „Unterhaus“, weicht derweil auf das Außenministerium aus, das zu diesem Zweck nach Plänen von
ZECC Architecten (Utrecht) temporär umgebaut und pünktlich im September 2021 eröffnet wurde.
Das Außenministerium ist ein beeindruckender Bau unmittelbar neben dem Hauptbahnhof: Ein Haus, das 1979-1985 nach Entwürfen von
Dick Apon und hauptsächlich aus Backstein, Beton und Glas errichtet wurde. Seine 94.000 Quadratmeter Nutzfläche breiten sich von einem 15-geschossigen Kern in vier Richtungen über das 1,4 Hektar große Grundstück aus. Von oben sieht es ein wenig wie ein vierarmiger Oktopus aus, aber wegen der terrassierten Abstufungen (und weil der Nachname seines Architekten auf Niederländisch so ähnlich klingt wie „Affe“) bekam es den Spitznamen „Affenfelsen“ (Aponrots).
Der Umbau von ZECC konzentrierte sich auf zwei Aspekte: Offenheit und Nachhaltigkeit. Für die Offenheit wurde ein neuer, dreigeschossiger und sehr transparenter Pavillon auf der Seite zum Bahnhof vor das Gebäude gestellt und damit ein zweiter Haupteingang geschaffen. Das Parlament empfängt im Jahr mehrere 100.000 Besucher*innen und diese große Lobby bietet Orientierung und erfüllt gleichzeitig die Anforderungen an die Sicherheitskontrollen. Denn man sollte sich nicht täuschen: Auch der Baum, das breite Vordach und das Wasserbecken vor der Glasfassade sind Teil des Schutzkonzepts. Übrigens dürfen wir aus Gründen der Sicherheit auch weder Grundrisse noch Schnitte zeigen.
Den Pavillon entwickelten ZECC zwar aus dem Raster des Altbaus, konterten auf dessen Kantigkeit aber mit geschwungener Offenheit — und betonten seine fließende Form mit breiten, glänzenden Streifen aus Messing entlang der neuen Fassade. Auch die weißen Pilzstützen, die das Dach des neuen Vorbaus tragen, scheinen den schweren Betonstützen des Altbaus zeigen zu wollen, wie leicht sich doch die Aufgabe des Dach-Tragens erledigen lässt. Dabei besteht die auffallend weiße, leichte Deckenverkleidung im Inneren aus einem gewebeartigen Kunststoffnetz aus dem 3D-Drucker – ein Kunststoff, der zu 100 Prozent recyclebar ist.
Im Inneren ging es ZECC um gute Wiedererkennbarkeit: Die Sequenz der Räumen vom Eingang bis zum Plenarsaal ist exakt der Raumfolge im Binnenhof nachempfunden. Wie dort liegt der Saal im zweiten Stock und ist über Rolltreppen zu erreichen. Hier wurde ein existierender Saal umgebaut und vergrößert, um die charakteristischen Birnbaummöbel (Entwurf:
Pi de Bruijn) aus dem historischen Saal im Binnenhof direkt weiterverwenden zu können. ZECC sprechen von einer „chirurgischen Operation“. Eine neue Umrandung des vorhandenen Oberlichts verbindet sich mit den geometrischen Formen der Balustrade und der Möblierung des Saals, die zudem stilistisch mit dem Altbau von Apon korrespondieren. Die neue Gestaltung der Wand-, Boden- und Deckenoberflächen hält sich hingegen mit verschiedenen Grautönen dezent zurück, und einige Betonstützen wurden unverputzt belassen.
Nach der Renovierung des Binnenhofs – in etwa sechs Jahren – wird das Parlament der Zweiten Kammer wieder dorthin zurückkehren. Die Umbauten von ZECC am und im „Affenfelsen“ sollen aber erhalten bleiben, und das gesamte Gebäude einem neuen Nutzer zur Verfügung stehen – vermutlich wieder einem Ministerium.
(fh)
Fotos: Stijn Poelstra
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