Die rheinländische Stadt Monheim ist eine der reichsten Deutschlands. Seitdem Bürgermeister Daniel Zimmermann begann, den Gewerbesteuersatz zu senken, sind Kitas und ÖPNV kostenlos. Jetzt wird in Kultur investiert. In Kunst im öffentlichen Raum und in ein Bauprojekt von Bez+Kock, das dem kleinen Ort große Strahlkraft verleihen soll – im wahrsten Sinne des Wortes.
Von Annika Wind
Hier also würde Herbert Grönemeyer auftreten. Daniel Zimmermann steht in der alten Ölraffinerie von Monheim und blickt die neun Meter hohe Decke hinauf – auf Oberlichter und Beton. Noch riecht es nach Schmierstoffen. Doch das wird sich bald ändern. Denn schon bald dürfte aus den sanierungsbedürftigen Hallen eine der interessantesten Kulturbaustellen Nordrhein-Westfalens werden. Das neue Dach der Kulturraffinerie K714 soll einmal 20 Meter hoch reichen. Doch die Ambitionen sind eigentlich grenzenlos. Denn die Stadt ist reich. Und ihr Bürgermeister gewillt, viel Geld für Kultur auszugeben.
Etwas größer als ein Fußballfeld
74 Millionen Euro hat Zimmermann gerade erst für den Umbau der ehemaligen Rhenania-Abfüllhallen aus dem Jahr 1913 verplant. Dafür werden sie bis 2024 in einen „unverwechselbaren Veranstaltungsort“, wie es in der Projektbeschreibung von Bez+Kock Architekten (Stuttgart) heißt, verwandelt. 140 mal 70 Meter groß – etwas mehr als ein Fußballfeld. Zwar etwas unschön von einer vielbefahrenen Straße vom Rhein abgetrennt, aber für den Blick auf’s Wasser mit einem Panoramarestaurant und einer Dachterrasse ausgestattet. „Beste Voraussetzungen für einen Kulturort von überregionaler Bedeutung“, heißt es von Bez+Kock. Bisher war die Kleinstadt auf der kulturellen Landkarte allerdings eher ein weißer Fleck. Ein Museum gibt es nicht, kein Theater, nicht mal einen eigenen Bahnhof.
Das hat aber auch Vorteile: Während Städte wie Marl oder Leverkusen am Sanierungsstau ihrer Kulturbauten ersticken, hat Monheim nichts instand zu halten. Aber viel Geld für seine neue Kulturraffinerie. Mit ihrem großen Saal im Zentrum, der mit 1.100 Sitzplätzen (oder bis zu 3.800 Stehplätzen) fast so groß sein wird wie der der Kölner Philharmonie – 20 Autominuten von der Domstadt entfernt. Um möglichst viel des alten, sechsschiffigen Ziegelbaus der Fassabfüllung zu erhalten, haben Bez+Kock einen Kubus in der Mitte geplant. Dafür müssen Teile der denkmalgeschützten Stahlbetonkonstruktion verschwinden – der Landschaftsverand Rheinland LVR habe dem, so die Stadt, bereits zugestimmt.
Für ein Orchester Brucknerschen Ausmaßes
Mit einer Breite von 22 und einer Tiefe von 13 Metern ist die Monheimer Bühne jedenfalls groß genug für Orchester Brucknerschen Ausmaßes. Für überdimensioniert hält Zimmermann das nicht: Große Städte hätten mehrere Häuser für verschiedene Bedürfnisse, sagt der 37-Jährige. Dieses hier müsse alles können und sei nicht nur für Kultur, sondern auch für Karneval, Messen und Kongresse gedacht. Klar ist aber, was Kultur (auch) bedeutet: ein wirtschaftlicher Standortfaktor zu sein. Seit Zimmermann mit gerade einmal 27 Jahren und der Schülerpartei Peto 2010 jüngster Bürgermeister in Nordrhein-Westfalen wurde und damit begann, die Gewerbesteuer zu senken, erwirtschaftet Monheim einen Überschuss in zweistelliger Millionenhöhe im Jahr – auf Kosten umliegenden Städte, aus denen immer mehr Firmen abwandern.
Neuzugang: die Zero-Pyramide von Heinz Mack
Mit dem Slogan „Lebensqualität. An jeder Ecke“ wirbt denn auch die Wirtschaftsförderung auf ihrer Internetseite für das kulturelle Angebot. Drei Millionen Euro werden jährlich in die „Kulturwerke“ investiert, eine 100-prozentige Tochter der Stadt, die auch die Kulturraffinerie K714 betreiben wird. Gerade erst hat die Stadt einen ehemaligen Firmensitz aus den späten 1980er Jahren nach Plänen des Architekten Horst Schmitges und des Zero-Künstlers Heinz Mack gekauft, um ihn zu sanieren.
Und weil es keine eigene Sammlung, geschweige denn ein Museum gibt, stehen jährlich rund 400.000 Euro für Kunst im öffentlichen Raum bereit. Etwa für einen Geysir, den der Künstler Thomas Stricker auf einem Kreisverkehr sprudeln lassen will. Ein klarer Fall verschwendeter öffentlicher Mittel, moserte der Bund deutscher Steuerzahler. Am eigentlich originellen Skulpturenbegriff liegt das wohl nicht – eher am Zufallsprinzip, nach dem das Wasser in den Himmel schießt. Denn weil das die Autofahrer erschrecken könnte, baut Monheim nun eine eigene Ampelanlage für Strickers Kreisel-Kunst!
Timm Ullrichs lässt Häuser tanzen
Als nächstes sollen zwei Backsteinhäuser von Timm Ullrichs auf einem Kreisverkehr tanzen. Jüngster Neuzugang ist eine Skulptur von Markus Lüpertz: eine etwas altbacken wirkende Interpretation der Monheimer Gänseliesel. Kostenpunkt: 700.000 Euro. Ihr Standort? Am Rheinkilometer 714, also direkt gegenüber der Kulturraffinerie, deren Ausstrahlungskraft Bez+Kock mit ihrem Entwurf sehr bewusst unterstreichen: Der verglaste Kubus des großen Saals und der Eingang sollen effektvoll beleuchtet werden. Ein erstes Hotel daneben und einen Schiffsanleger gibt es schon.
Aber wer wird dann hier auftreten? Martin Witkowski, Intendant der Monheimer Kulturwerke, hält Konzerte von Herbert Grönemeyer oder Lang Lang für durchaus möglich – ungeachtet von Verträgen mit Konzerthäusern in Düsseldorf oder Köln, die weitere Auftritte im Umland eigentlich verbieten. „Entscheidend sind am Ende die Agenten, die diese Künstler vertreten sowie meine persönlichen Kontakte in die Künstlerschaft“, betont er. Oder anders formuliert: die Gagen, die man ihnen anbieten dürfte.
Dass in Monheim die Musik spielt, dafür soll ab 2021 nicht nur die „Triennale“ sorgen, ein neues Festival für zeitgenössische Musik. Auch auf einem der vielen Kreisverkehre geht es rund: Die Berliner Künstlergruppe Inges Idee hat der neuen Musikstadt am Rhein einen witzigen Kreisverkehr in Form eines überdimensionalen Plattenspielers verpasst. Auf ihm kann man nun selbst im Kleinwagen mit größten Vergnügen seine Runden drehen. Es muss wohl am Blick aus dem Fenster liegen, dass einem dabei allerdings durchaus schwindelig werden kann.
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STPH | 14.07.2020 10:46 UhrSteuerballermann a la Niederlande
Steuerwettbewerb und Kritik:
Der Gewerbesteuer-Hebesatz wurde im April 2012 auf 300 Punkte gesenkt und ist seit dem der niedrigste in Nordrhein-Westfalen. In der Folge siedelten sich vermehrt Unternehmen in Monheim an. Bis 2017 soll aus den Haushaltsüberschüssen eine Rücklage von 100 Mio. Euro aufgebaut werden, ...Monheims Erfolg auf Kosten anderer NRW-Städte gehe. (Wiki) 40.000 Einwohner.
Kultur als nächstes Geschäftsfeld?