Am 13. Oktober starb der Architekt und Architekturtheoretiker Charles Jencks im Alter von 80 Jahren in London. Der gebürtige Amerikaner war nach dem Literatur- und Architekturstudium in Harvard 1965 nach Englang gezogen, wo er fortan lebte und mit seinen Büchern zur Postmoderne weltberühmt wurde. Zudem ist er für sein Wirken als Landschaftsarchitekt unter anderem im Garden of Cosmic Speculation an seinem Haus in Schottland und für sein Engagement als Mitbegründer der Maggie's Krebshilfezentren bekannt.
BauNetz hatte Jencks Ende 2017 in Berlin getroffen. Im Interview – das in Baunetzwoche#509 erschien und das wir hier nochmals veröffentlichen – erzählte Jencks unter anderem von seinem Streit mit Norman Foster, erläuterte den Unterschied zwischen Pomo und Postmoderne und bestand darauf, dass die Postmodernen keine Antimodernen sind.
Interview: Stephan Becker und Friederike Meyer
Herr Jencks, sehen Sie derzeit ein Revival der Ideen der Postmoderne?
Charles Jencks: Ich sehe beides, ein Überleben und ein Wiederaufleben. Vielleicht ist es wie das gleichzeitige Überleben und Wiederaufleben der gotischen Architektur zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert. Wenn Sie das Beispiel von Giorgio Vasari nehmen und seinen Lebenszyklus der Künste mit Geburt, Reifung und Tod, dann führt es uns diese alte Idee des Westens vor Augen, die Kultur als lebenden Organismus zu begreifen, der sterben kann. Aber selbst eine so kraftvolle Metapher wie diese, die eine bedeutende Rolle für den Zerfall des Westens einnimmt, ist nur eine Metapher, während die Realität doch sehr viel komplexer ist. Die Postmoderne war nie wirklich tot, auch wenn sie in den Neunzigern sehr aus der Mode geraten war. Vor allem heute blüht sie wieder auf, wo doch jeder ein Postmoderner ist – ohne es zu wissen oder sich so zu bezeichnen. Sie hat überlebt. Ebenso wurde sie – unbewusst – von den Jüngeren wiedergeboren, die sie eigentlich nie kannten.
Woran machen Sie das fest?
Nun ja, an allem wo ich hingehe, an Architektur besonders. Drei Bücher dieses Jahr über Postmoderne in Großbritannien. Gerade sind neun Bücher über den Brutalismus auf Englisch herausgekommen.
Ist Brutalismus für Sie gleich Postmoderne?
Nein, der Brutalismus ist Spätmoderne. Aber er hat postmodernde Tendenzen. Der Brutalismus ist eine manierierte Form der Übertreibung in Stahlbeton. Le Corbusier selbst wurde postmodern in Ronchamp, in Chandigarh, und sogar als er sich für den Philips Pavillon in Brüssel das neue Paradigma der computergestützten Errechnung von Architektur aneignete. Le Corbusier wie auch Michelangelo machten die frühe, mittlere und späte Phase mit. Michelangelo durchschritt alle Kategorien. Er war Frührenaissance, war Hochrenaissance und er war Spätrenaissance, Manierismus und Barock. Dann hat er den Petersdom geschaffen. Titanen überwinden die Kategorien. Sie überqueren unterschiedliche Begriffe und öffnen den Geist. Niemand übernimmt die Aufsicht für Geschichte.
Wer sind denn die Titanen unserer Zeit?
Herzog & de Meuron vertreten in jeglicher Hinsicht eine typisch postmoderne Praxis – symbolisch, ornamental, zeitprägend wie Rem Koolhaas und selbst David Chipperfield. Sie alle schaffen Gebäude ihrer Zeit, postmodern, widersprüchlich, symbolisch. Jacques Herzog und Pierre de Meuron sind sehr kluge und engagierte Architekten. Und sie verstehen, dass nur ein Stil oder nur eine Herangehensweise nicht für alles gut ist. Sie haben sich langsam von einer minimalistischen zu einer ornamentalen, dann zu einer symbolischen Architektur gearbeitet, bis sie schließlich zu einem wirklich komplexen, widersprüchlichen Stil fanden. Und deswegen, denke ich, sind sie die besten Postmodernen, die es derzeit gibt.
Man sollte noch hinzufügen, dass die wichtigsten Gebäude der Postmoderne eigentlich von Vertretern der Moderne in einem Moment des Rückzugs entworfen wurden, während eines Urlaubs oder im Austausch mit einer anderen Kultur. Viele der großen Architekten wie Norman Foster oder Richard Rogers geben an, Moderne zu sein und die Postmoderne zu hassen. Aber das ist egal. Aus der Perspektive eines Kunsthistorikers oder Kritikers machen sie bisweilen postmoderne Architektur. Das ist ein weiterer Grund, warum ich sage, dass die Postmoderne nie aufgehört hat zu existieren. Entschuldigen Sie, dass ich jetzt meine eigene Arbeit erwähne, aber 2011 schrieb ich The Story of Postmodernism, wo ich all das aufführe, und niemand schickte sich nur irgendwie an, mir zu widersprechen, so offensichtlich ist es.
War die historische Postmoderne in diesem Sinne einfach eine Laune einiger Architekten?
Die Postmoderne hat als Bewegung in den Sechzigern angefangen, in der Zeit der Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg, der Zeit des Feminismus, der schwarzen Bürgerrechtsbewegung und der Regenbogenkoalition. Kurz gesagt: Die Postmoderne ist Pluralismus, in der Literatur, in der Philosophie und in allen Künsten. Wir leben in einer pluralistischen Kultur. Das ist also nicht nur die Laune einiger Architekten. Aber wir leben nicht in einem wahren Pluralismus. Vielmehr in einer Kultur des Verkaufs, des Marktpluralismus, der oft wirkliche Freiheit fehlt. In diesem Sinne bin ich eine Art Dinosaurier der originalen Postmoderne. Man nannte mich auch Papst der Postmoderne, ironischerweise versteht sich.
Welche sind die postmodernen Ikonen des 21. Jahrhunderts?
Die Elbphilharmonie von Herzog & de Meuron ist wahrscheinlich das beste postmoderne Gebäude, das jemals gebaut wurde (wenn auch 50 Jahre später). Das Neue Museum ist auch ein gutes Beispiel. Und David Chipperfield ist ein später Moderner. So wie Jean Nouvel, dessen Louvre in Abu Dhabi offensichtlich postmoderne Etiketten trägt. Das zeigt sich nicht nur in den Details wie den vier unterschiedlichen Metallstrukturen für die Kuppel. Nouvel sagte einmal in einem Interview mit der Financial Times: „Ich arbeite kontextuell, ich habe die Struktur versteckt, es ist total symbolisch“. Die Kuppel des Baus stellt auch eine Verbindung zur sakralen Architektur der arabischen Kultur her und ist zugleich ein Tribut an die Kirche, das „Museum als Kathedrale“. Diese doppelte Kodierung läuft weiter und weiter mit den 55 „vernakulären“ Bauten, durch die sich die Ausstellung erstreckt und die – unter dieser fast schon Albert-Speer-gleichen Kuppel – eine „Stadt der Kultur“ bilden. Das ist eine überzogene Form der Karikatur, Disney-Postmoderne auf eine Art – aber wir werden sehen, wie das Louvre Abu Dhabi mit seiner Kultur altert – schließlich lernen und verändern sich Gebäude wie Menschen.
Während aus Ihrer Sicht neue postmoderne Bauten entstehen, sind viele der „historischen“ postmodernen Gebäude von Verfall oder Abriss bedroht. Sollten wir sie besser schützen?
Ja, auf jeden Fall, jeder braucht Schutz. Eine Gruppe aus Leizpg kam neulich nach London und befragte mich zu den Robin Hood Gardens, den brutalistischen Bauten von Alison und Peter Smithson, die gerade abgerissen werden. Und ich sagte, dass es einfach nur bescheuert ist, diese Gebäude abzureißen. Sie wären eine gute Basis für eine Postmodernisierung und die Korrektur einiger Mängel: Die gleichen Marktkräfte, die die Robin Hood Gardens jetzt zerstören, könnte man gut darauf verwenden, Leon Krier dafür zu gewinnen, ein paar Luxusvillen auf den Dächern zu entwerfen und das Innere umzugestalten. Als ich ihn selber einmal fragte, sagte er Nein, er würde diese Art von Architektur hassen. Nun, nicht jeder ist ein passionierter Pluralist, wenn es darum geht, zu handeln – obwohl Leon sich manchmal für den Pluralismus einsetzt.
In New York wird das AT&T-Gebäude von Philip Johnson von 1978 gerade von Snøhetta umgebaut. Ihr Entwurf hat eine große Diskussion hervorgerufen. Wie kommentieren Sie die Pläne?
Ich mochte dieses Gebäude nie. Ein Mausoleum? Ein Grabstein? Obwohl es als postmodern verteidigt wird, hat es nicht die Weltgewandtheit und die urbanen Werte. Die New Yorker möchten es als Landmarke behalten, aber Snøhetta will es wirklich postmodernisieren und hat dafür einen sehr durchdachten Entwurf vorgelegt. Natürlich wird das Büro für die Glaswand kritisiert, aber an dieser Stelle der Madison Avenue kann man kein Gebäude haben, das kein Licht, keinen Rückzug, kein Leben erlaubt. Selbst Philip Johnson hat 1994 zugegeben, dass es nicht funktioniert, und dass es geöffnet werden muss. Snøhettas Lösung ist sehr smart für beides, die Typololgie und für eine urbane Mischnutzung, die all die lokalen und öffentlichen Erfordernisse verbindet. In diesem Sinne ist der Umbau wirklich ein Beispiel für die Wiedergeburt der Postmoderne. Aber die Reaktionen darauf sind derart stark, dass selbst gute Freunde wie Paul Goldberger und Robert Stern das AT&T-Gebäude retten wollen. Das ist verrückt, denn es ist wirklich nicht postmodern, um es mal so zu wenden. Es hat eine postmoderne Spitze, okay, aber selbst die ist nur eine gebrochene Parabel. Johnson hatte mal die Idee, dass aus ihrem Halbkreis richtige Rauchringe rauskommen wie bei dem Typen aus der Camel-Werbung am Times Square. Wenn sie das umgesetzt hätten, wäre der Bau mehr als ein gebrochener Ziergiebel, der an das 18. Jahrhundert erinnert. Aber sie haben ihren Mut verloren, eigentlich ungewöhnlich für Amerikaner. Man muss dazu sagen: AT&T wusste damals sowieso nicht, was die 42. Straße bedeutete.
Was meinen Sie, wenn Sie sagen, Snøhettas Entwurf stehe für eine Renaissance der Postmoderne?
Nun ja, jenseits seiner steinernen Erscheinung ist das AT&T-Gebäude nur ein Stahlbau, der seine außergewöhnlich weiten, neo-romanischen, gekreuzten Träger unter pinkfarbenem Granit versteckt – das habe ich bereits 1984 geschrieben, als das Gebäude gerade fertiggestellt war. Aber es gibt in der Postmoderne keinen Grund, die Struktur ihrer Bauten zu verhüllen, vor allem nicht, wenn sie ein Tragwerk besitzen, das so schön ist, wie es seit dem Eiffelturm nicht mehr gesehen wurde. Sie zu verstecken bezeichnet man als Lüge, obwohl sie gar nicht nötig ist. Wie Umberto Eco sagt: Postmoderne dreht sich um die Frage, wie „das bereits Gesagte in einem kommerziellen Zeitalter” noch einmal gesagt werden kann. Und die Antwort ist, es in Anführungsstrichen zu sagen. Eco hat die Ironie gut verstanden, die so zentral für die Postmoderne ist. Warum also nicht wie Snøhetta die gekreuzten Träger hinter Glas setzen und das Licht in das Atrium lassen, um die Straße zu beleben und die tolle Struktur darunter offenzulegen. Das war immer Teil der Postmoderne: Strukturelle Ehrlichkeit und strukturelle Lüge zusammen zu nehmen, und zu wissen, warum.
Es geht für Sie also auch darum, etwas über die Konstruktion eines Gebäudes zu erzählen?
Ja, und da hilft oft die Intelligenz der Modernen. Die Postmoderne braucht Leute, die wissen wollen, wie ein Gebäude gebaut ist und warum. Leute, die Dinge tun wollen, die in keinem anderen Zeitalter möglich waren. In diesem Sinne sind all diese Architekten Teil der postmodernen Nachricht. Aber Künstlichkeit und Symbolismus sind ebenso wichtig, nur nicht der totale Symbolismus eines Jean Nouvel, nicht Nouvelle-Cuisine-Symbolismus, vergessen Sie das. Symbolismus kann nicht total sein, oder man endet mit Albert Speer, der alles hinter schweren Steinwänden verbergen wollte. Ich habe Norman Foster – einen alten Freund – okay, manchmal streiten wir uns, aber eher freundschaftlich – kürzlich abends getroffen und er sagte: „Charles, wir müssen das AT&T-Gebäude schützen“. Und ich erwiderte: „Nein, müssen wir nicht. Es war nie postmodern“. „Wie kannst du das sagen“, fragte er, „ich mag Postmoderne ohnehin nicht, aber sag es mir?“. Und dann hab ich ihm die obigen Punkte genannt.
Also lieber Ironie als Albert Speer, haben wir das richtig verstanden?
Ich sage nicht, dass die Leute die Ironie der Postmoderne verstehen müssen, aber Architektur muss pluralistisch sein. Es geht um multiple Kodierungen von unterschiedlichen Aussagen für unterschiedliche Erfahrungen. Es geht um die Kommunikation auf mehreren Ebenen gleichzeitig und nicht um eine Stimme als letzte Richterin. Es geht um Beziehungen – Wer benutzt das Gebäude? Wie ist seine wirtschaftliche Konstellation? – und um die relative Wahrheit, die diese kontextuellen Widersprüche aufdecken. Venturi hat dies auch als „Pflicht zum schwierigen Ganzen“ beschrieben. Das ist ein wirklich wichtiger Teil der Postmoderne. Es ist sehr schwer, ein Pluralist zu sein und dennoch eine ganzheitliche Message zu haben. Als Architekt muss man hart arbeiten, sehr hart, um diese komplexen, widersprüchlichen und multiplen Anforderungen zusammenzubringen. Wir leben in einer globalen, widersprüchlichen Kultur, und wir können unsere eigene, poetische Architektur machen. Darum geht es in der Postmoderne.
Aber kann eine ironische Haltung nicht auch problematisch sein? Sean Griffiths, Mitbegründer von FAT sagte kürzlich: „Jetzt ist nicht die Zeit, nachgiebig mit einem postmodernen Revival umzugehen. Die Postmoderne zurückzubringen, einen Architekturstil, der sich aus Ironie speist, kann gefährlich in unserem heutigen politischen Klima sein.“
Nun, wer ist Griffiths, den Mund weit aufzumachen? (Wo er es doch alle zehn Jahre wieder erlebt). Der Grund, warum es gefährlich ist, liegt offenkundig in der Dominanz des Marktkapitalismus seit die Postmoderne einer seiner führenden Stile ist. Aber vielleicht geht es auch einfach nur um „Pomo“, was nicht das Gleiche ist, da hier die Widersprüche fehlen. Jeder, der ein großes Versprechen abgibt und eine Architektur mit starker Aussage aber ohne Widersprüche macht, ist ein bisschen pomo – aber nicht gleich postmodern. Und das ist gefährlich. Keine Frage. Das ist auch dekadent. Also ja: Es ist schwierig. Wir sollten uns auch damit beschäftigen, was nach der Postmoderne kommt.
Mit der Postmoderne wurde Architektur zur symbolischen Ware.
Es ist wahr, wir leben heute in einem Pluralismus des globalen Markts. Wenn Sie zu einer Kunstmesse gehen, sehen Sie 110 Stile. Der Pluralismus des globalen Markts hat bewirkt, dass es keinen dominierenden Weltstil gibt. Und darum sind ikonische Gebäude definitiv ein entscheidender postmoderner Trend unter den Supermächtigen, den Reichen und Berühmten und Großen. Aber vergleichen Sie diese Situation mal mit einem wirklich postmodernen Bau wie die Elbphilharmonie, die ich für ich das Gebäude dieses Jahrzehnts halte. Weil dieser Bau sehr komplex und widersprüchlich ist, was seine Aufgaben angeht, die sich auf Musik, Hamburg, die Geschichte der Hanse, den Ursprung des Geldes und auf eine Stadt beziehen, die von den Amerikanern und Briten furchtbar zerbombt wurde. Die Elbphilharmonie ist auf verschiedene Weise ein Symbol der Wiedergeburt, für die Stadt und die Deutschen.
In diesem Sinne handelt die Elbphilharmonie vom 20. Jahrhundert, aber welche Themen werden die Architektur in Zukunft beschäftigen?
Es ist Fakt, dass sich ein neues Paradigma in der Architektur erst über lange Zeit entwickeln muss. Als wir zu Beginn die Postmoderne diskutierten, war das Argument, dass die Moderne und insbesondere der soziale Wohnungsbau tot waren aufgrund der Ablehnung der Arbeiterklasse, die nicht als Teil einer Maschine behandelt werden wollte. Das andere Argument war, dass die moderne Maschinenproduktion selbst tot war. In den Sechzigern sagte Marshall McLuhan, die elektronische Produktion mache es möglich, 18 verschiedene Auspuffrohre für Mercedes-Benz so einfach, schnell und effizient herzustellen wie vorher nur ein einziges Modell. Und damit wurde ein zentraler Glaube der Moderne überflüssig, nämlich der Glaube an die Architektur, die Kräfte der Industrialisierung ausgleichen zu können, indem sie diese ästhetisch offenlegt. Interessanterweise gewinnt die Frage der Produktion heute wieder mehr und mehr an Bedeutung.
Wegen neuer Technologien wie 3D-Druckern?
Genau, weil McLuhan’s Idee nun ein höheres Level der dreidimensionalen Anfertigung erreicht hat. Le Corbusier, Gropius, Mies – sie alle glaubten, dass die industrielle Massenproduktion überwältigende Effekte haben wird, dass sie zu Anonymität (und Entfremdung) führen wird, weil alles gleich aussieht. Dann kam McLuhan und sagte, dass alles auch ganz einfach anders sein kann. Und plötzlich verlor der Versuch der Modernen, die Massenproduktion ästhetisch zu überziehen, seine Bedeutung. Die Moderne wollte sich den Taylorismus und Fordismus aneignen. Und McLuhan war einer der ersten, der verstanden hat, dass diese Art der Produktion obsolet und folglich auch die Moderne als Notwendigkeit tot war.
Gleichzeitig gibt es aber auch neue Rufe nach einer Massenproduktion von Wohnraum.
Aber das ist nicht das gleiche, seit es heutzutage möglich ist, diese tödliche Anfertigung in der Masse von der Massenproduktion zu trennen. Sie können individuell anpassen. Sie können jedes Zimmer eines Hotels auf genauso billige und effiziente Art anders aussehen lassen als sie alle gleich zu lassen. Natürlich ist Architektur ein großes Geschäft, und das Finanzkapital mag Individualität eigentlich nicht so gerne, aber das wird sich ändern. Schauen Sie mal, was die jüngere Generation mit ihren Computern macht. Sie zeigten uns, wie unterschiedlich alles mit nur ein paar Klicks aussehen kann. Und dann denken Sie mal an die Prä-Moderne, als fast jeder von John Ruskin und Charles Herbert Moore beeinflusst war, selbst das frühe Bauhaus. Deren ganzes Ding war es, eine neue Art des Bauens zu haben, bei dem Handwerk, Individualität und das Versprechen der Demokratie gleichsam gewürdigt werden. Es ging alles um das Individuum. Das war die Idee, aber sie hat nie das Jahr 1922 überlebt, als Gropius sagte: „Nein! Kunst und Technologie sind eine neue Einheit“. Vereine beide und bilde den Durchschnitt. Le Corbusier schreibt 1922 in „Kommende Baukunst“, dass Massenproduktion industriell sein soll, repetitiv sogar. Und daran haben wir alle geglaubt, selbst ich, als ich jung war.
Für die Generation, die in den Achtzigern geboren ist, bleibt die Moderne aber eine Art Sehnsuchtsort. Es war die letzte Bewegung in der Architektur, die sich ihrer Ziele gewiss war und die daraus eine große Intensität entwickeln konnte. Wir sind vielleicht alle Postmoderne, aber uns fehlt die Entschiedenheit der Moderne.
Ich stimme zu, das ist eine sehr gute Diagnose. Aber wenn Sie analysieren, was Sie wirklich mit Intensität meinen, ist es doch recht komplex. Auf eine Art setzen Sie eine visionäre, vorwärtsschauende, futuristische, nahezu spirituelle, post-nietzscheanische, dynamische Kultur voraus, an die es wert ist, zu glauben. Und während ich keine Antwort habe, die jemals für alle zufriedenstellend sein könnte, denke ich, dass es trotzdem eine gute Frage ist. Für die Moderne, ja, war die Antwort da. Daran zweifle ich nicht. Immer noch ist es schwierig, solch einen Geist fortleben zu lassen, und das kann sehr gut ein Defizit innerhalb des Gerüsts der Postmoderne sein. Ein Problem ist, dass es nicht viele Leute gibt, die ernsthaft über das Spirituelle und Kulturelle reden können. Die andere Sache ist, dass viele Spätmodernen glauben, weil die eigentlichen Intentionen gut waren, auch die Moderne eine positive Kraft sein muss. Ohne Frage vermissen wir diese Haltung in der gegenwärtigen Architektur. Aber, es ist auch wichtig sich – wie Colin Rowe es tat – daran zu erinnern, dass gute Absichten nicht notwendigerweise zu guten Ergebnissen führen. Auf jeden Fall will ich darauf bestehen, dass die Postmodernen nicht Antimoderne sind. Und während ich dem Gedanken ausweiche, ein echter Moderner zu sein, bin ich doch ziemlich froh, ein Postmoderner zu sein, was mir die Möglichkeit gibt, die Parteigrenzen bei klarem Bewusstsein und mit ausgereiftem, theoretischem Fundament zu übertreten.
Übersetzung aus dem Englischen: Sophie Jung
Portraitfotos: Erik-Jan Ouwerkerk
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Lesen Sie hierzu auch die BAUNETZWOCHE#509 „Charles Jencks und die Postmoderne“.
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STPH | 16.10.2019 10:32 Uhr...
es gibt die verlangsamte Gerade zur erzählenden linie. Der gedachten zur gemachten, schlagt mich: durch Hundertwassers decofactory
der Wendepunkt