10 Uhr. Die Wolken hatten sich gerade verzogen und den Blick auf den blauen Himmel freigegeben, da wurde mit dem deutschen Beitrag im französischen Pavillon die erste Nationenausstellung eröffnet. Fast alle waren da: Kuratorin Susanne Gaensheimer und die drei ausstellenden Künstler Romuald Karmakar, Santu Mofokeng und Dayanita Singh. Ai Weiwei, Hauptattraktion der deutschen Schau, darf Peking immer noch nicht verlassen – er wurde von seiner Mutter vertreten.
Entgegen der Idee der Nationen-Pavillons lässt Gaensheimer also in ihrem unbetitelten Beitrag ein internationales Quartett Antworten finden: auf Fragen, die eng mit der deutschen Kultur und Geschichte verbunden sind – wenn man ihre Auffassung von Deutschland als internationalem und interkulturellem Epizentrum der Kunst teilt.
Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht „die vermeintliche Eindeutigkeit biografischer, nationaler und kultureller Identität und die Auflösung bestimmter Identitätsvorstellungen im Zuge der Globalisierung.“ „Germania“, so ihre These, spiegelt als Sammelbecken kultureller Identitäten ein Bild, das sich überall wiederfindet. Die kulturelle Herkunft im Tausch für ein fragmentiertes Daseinskonstrukt.
Am Portal des französischen Pavillons grüßt die Arbeit „Panzernashorn“, eine Videoinstallation von Karmakar, die das imposante Tier bei der Nahrungsaufnahme zeigt. Sie stellt den einzigen Bruch in der sonst sortenreinen Bespielung der vier inneren Ausstellungsräume dar.
Gaensheimer hat ihr Konzept klar inszeniert. Das zentrale Element ist Ai Weiweis Hockerlabyrinth, das von der Eingangshalle aus den gesamten Beitrag visuell dominiert.
Davon abgehend werden an den Wänden der drei Nebenräume die Foto- und Video-Arbeiten seiner Mitstreiter präsentiert: Karmakar mit drei politisch orientierten Videoarbeiten zu Aspekten der deutschen Geschichte und aktuellen Konflikten, die sich auch in anderen Ländern wiederfinden. Singh mit sehr persönlichen und emotionalen Dia-Projektionen, die indische Gesellschafts- und Familientraditionen kollidieren lassen und damit ihr eigenes Leben als permanent Reisende, die ihre kulturellen Wurzeln verliert, aufgreifen. In Mofokengs Fotoserien treffen ebenfalls Traditionen und persönliche Schicksale aufeinander, wenn er die Auswirkungen der Apartheid auf das alltägliche und spirituelle Leben in Südafrika in Szene setzt.
Jeder der Teilnehmer liefert damit eine eigene Perspektive auf das Thema, wodurch gleichermaßen Parallelen wie Unterschiede sichtbar werden. Ai Weiweis Skulptur ist dabei im Vergleich die abstrakteste Arbeit – ihre Zurückhaltung wird allerdings durch ihre zentrale Position kompensiert. Sie führt die Besucher zu den anderen Arbeiten und übernimmt so eine wichtige Funktion im Gesamtkonzept. Für kuratorisches Kalkül ist Gaensheimer bekannt – schon auf der letzten Kunstbiennale in Venedig hat sie damit Christoph Schlingensief posthum zum Goldenen Löwen verholfen. (jk/sb)
Auf Karte zeigen:
Google Maps
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
5
lars k | 04.06.2013 14:01 Uhrna dann mal...
Na dann mal los. Was genau sind denn heutzutage "nationale" Künstler? Künstler, die in Deutschland geboren wurden? Künstler, die ihren "Lebensmittelpunkt" in D haben? Künstler, die sich mit "deutschen themen" auseinandersetzen? Schwierig, was?
Allerdings: Nach welchen Kriterien Frau Gänsheimer diese vier Künstler ausgewählt hat ist mir bislang auch noch verschlossen geblieben. Welchen Bezug die zu D haben scheint auch eher zufällig zu sein und die ausgestellten Hocker haben auch eher keinen Bezug, oder?