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19.08.2015

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Träger Backstein

Über Max Dudlers AOK-Neubau in Bremerhaven


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Ein Kommentar von Daniel Felgendreher

Wie entwirft man eigentlich bei Max Dudler (Berlin/Zürich)? Im Zusammenhang mit seinem Gesamtwerk erweckt der jetzt fertiggestellte Neubau der AOK Hauptgeschäftsstelle in Bremerhaven den Eindruck einer Automatisierung. Etwas provokativ könnte man meinen, Dudler lädt hier eine Fassaden-Schablone aus seiner Bibliothek und wählt „Füllen mit regionalem Stein“. In diesem Fall muss der lokale Wasserstrichziegel für den, naja, „kritischen“ Regionalismus herhalten.

Das Ergebnis ist ein prominentes Fassadenbild mit Wiedererkennungswert – zu sehen in Berlin, Zürich oder anderswo –, das sich in seiner Materialität gleichzeitig auf baukünstlerische Traditionen Norddeutschlands bezieht. Dem Oberbürgermeister Bremerhavens Melf Grantz gefällt es. Ihm liegt an derartigen Identifikationsmomenten. Das Stadtteilaufwertungsprojekt „Geestemünde geht zum Wasser“ bekommt so seinen repräsentativen Leitbau.

Das Grundstück des AOK Neubaus in Geestemünde liegt an der Schnittstelle zwischen der Innenstadt und den Hafengebieten. Diese Nahtstelle wird vom Büro Max Dudler in der städtebaulichen Figur thematisiert. Die Architekten konzipieren eine doppelte Orientierung des Baukörpers: eine „urbane Ansicht zur Stadt“ mit „schlankem Hochhaus-Akzent“ und eine zum Yachthafen hin abtreppende Baufigur.

Der gewollte Bezug zur „Großstadt“ wirkt durch den historistischen Rückgriff auf Motive des Backsteinexpressionismus korrumpiert. Er basiert zudem auf einer limitierten Idee von zeitgenössischer Urbanität, die sich in Sehnsucht nach einem unverwechselbaren Gesicht, einer „urbanen Ansicht“ erschöpft. Dem Oberbürgermeister gefällt das.

Das Dreiecksgrundstück generiert drei unterschiedlich hohe Bauteile. In der Mitte der drei Gebäudeflügel entsteht durch die geometrische Verschneidung ein Luftraum, der als nach oben verglaster Lichthof zur Belichtung der Gebäudeteile dient. Hier ist im Erdgeschoss der Walk-In Kundenservice der Krankenkasse untergebracht.

Das bisherige AOK Gebäude aus den 1960ern nebenan war ein Sanierungsfall und wurde zugunsten des Neubaus abgerissen. Eine ökonomisch vielleicht nachzuvollziehende Entscheidung. Rätselhaft bleibt die Wahl des Entwurfes für den Neubau. Die sich üblicherweise als jung, fit und innovativ darstellende Gesundheitskasse wirkt in dem steinernen, anachronistischen Gebäude irgendwie träge und konservativ.

Fotos: Stefan Müller


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

13

Christian Petermann | 25.04.2021 17:25 Uhr

Laute Architektur die nicht zur AOK und nicht zu Bremerhaven findet.

Obwohl nicht ganz richtig, kursiert in Bremerhaven der Spitzname "Reichssicherheitshauptamt". Als in der Nachbarschaft tätiger Mensch ist die Enttäuschung immer noch groß, nichts aus dieser exponierten Lage zu machen. Nur wenige Meter weiter auf der anderen Seite der Brücke liegen die mit Preisen dotierten Gebäude der Hochschule Bremerhaven und des Alfred-Wegener-Instituts. Was zusätzlich stört ist die wie oben schon erwähnte Versenkung im Plattenmeer, wo vorher zwar kein Wald aber unversiegelte öffentliche Rasen, Blumen, Baumlandschaft war. Seitdem wird mehrfach jede Woche mit Laubbläsern, Kärchern und Co. über Stunden daran erinnert, dass versiegelter Boden "pflegeleicht" ist und in der benachbarten Handwerkskammer müssen die Fenster der Schulungsräume über Stunden geschlossen werden, weil keiner sein eigenes Wort versteht. Hätte sich vorher erkennen lassen, aber so weit reicht es dann doch nicht.

12

Zeitgeist | 31.12.2018 10:49 Uhr

Ins Schwarze getroffen....

Max Dudler greift gekonnt die aktuelle Stimmung auf und gießt sie in Stein und Beton (Ideenlosigkeit, Mutlosigkeit). Wir wissen das wir uns verändern sollten, einstweilen fahren wir aber noch im warmen Diesel SUV zum Bäcker... Prost Mahlzeit Deutschland!

11

@bauster | 24.08.2015 14:37 Uhr

das heisst..

Lieber Bauster, wenn schon mit so großen Begriffen um sich schmeißen, dann bitte richtig: das heisst Historismus, nicht Histori-ZIS-mus..:)

10

bauster | 24.08.2015 10:44 Uhr

Peinlich

Der Kunde soll ja schließlich Angst bekommen, wenn er die ehrenwerte Krankenkasse à la 1935 betritt; vielleicht denken die Angestellten in einem solchen Bau dann auch so wie damals. Computer etc. darf es in einem solchen Gebäude dann aber bitte nicht geben.
@Davide: richtig Dudler beweist wieder einmal, dass er lieber damals wie seinerzeit Albert Speer u.a. dabei gewesen wäre.

Fasst schon Historizismus!

9

Andi | 20.08.2015 10:55 Uhr

Interessant

Am interessantesten scheint - neben dem bestimmt streitbarem Gebäude - der Kommentar:
Fühlt man hier einen 'wind of change' in der deutschen Architekturkritik ?!

8

Andrea Palladio | 20.08.2015 09:32 Uhr

Träge und konservativ?

Mag sein, dass auf diesen Bau die beiden Adjektive aus dem Kommentar zutreffen. Dann geht aber die dringende Bitte an alle Architekturproduzenten, ab und zu träger und konservativer zu werden. Immerhin wird hier eine Baute von hoher Qualität vorgelegt, die sich nicht in formalen Spielchen erschöpft, die nicht versucht krampfhaft originell zu sein, die für die Erklärung ihrer Idee keine Comicbildchen benötigt. Im übrigen könnte sich der Autor einmal an den Schwierigkeiten einer tektonischen Fassade versuchen, bevor der den verbalen Doppellader herausholt.

7

Christian | 20.08.2015 07:48 Uhr

Aua

Aua, Behnisch, Therrani und Co. mit Ihren monumentalen 08/15 krum und schiefen Pfosten-Riegelfassaden, die Technik brauchen um zu funktionieren, die sich nicht in Stadtraum und Stadtgrundriss einfügen, die in Materialität und Detail keine Nachhaltigkeit erreichen....

Dann lieber Dudler auch wenn er zeitweise inkonsequent zwischen diesen Architektenwelten schwimmt. Der dunkle Stein wirkt zu hart. Ein durchgängig einheitlicher, heller Backstein wäre ansprechender gewesen.

6

Davide | 19.08.2015 22:26 Uhr

Anachronismus

Eigentlich ist das eine schöne Fassade.
Was kann Dudler denn dafür, dass er 100 Jahre zu spät gebohren wurde? :P

5

Mario Mertens | 19.08.2015 17:45 Uhr

Aua

Aua, Dudler, Kollhoff und Co. mit diesen unsäglichen monumentalen toten Loch-Steinfassaden!

4

aigloup | 19.08.2015 16:24 Uhr

Plattensee

Auch dieses Gebäude ersäuft im Plattensee drumrum. Die wenigen Bäume bekommen ihren steinernen Kragen. Wozu benötigt das Gebäude solche Aussenräume?

3

Ulrich | 19.08.2015 16:13 Uhr

Träger Backstein

Wer ist Daniel Felgendreher?

2

die golden gurke | 19.08.2015 15:55 Uhr

die golden gurke

lange schon wollte ich den Gebäudepreis "die goldene Gurke vergeben. Hier wäre der Kandidat der der Jury gefallen würde. Danke für den Artikel - man muss natürlich aber sagen allen Anstrengungen zum Trotz (Auswandererhaus / Atlantic Hotel etc.) es ist eben Bremerhaven - da findet ein Bürgermeister so eine Krankenkasse eben toll ! Das passt in die Stadt ! Das gehört dahin: Schreck neben schrecklich. Der Verzicht auf jede Detailgenauigkeit unterschtreicht nur die desolate Grundkonzeption und ist insofern wieder stimmig!

1

kein | 19.08.2015 15:53 Uhr

aok mitglied

achso..das ist ein Dudler - aha! muss man ja mittlerweile (leider) dazu sagen.

Schwarzbrot Projekte sollte man lieber nicht veröffentlichen ... gähn

 
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