Fahnenschwenkende Menschenmassen, singende Fans, euphorischer Torjubel. In fünf Jahren soll genau das Realität werden am Persischen Golf, zur Fußballweltmeisterschaft in Katar. Allein in der Hauptstadt Doha entstehen dafür drei Stadien. Insgesamt baut der Wüstenstaat für die WM, die erste, die im Winter stattfindet, zwölf Stadien, neun davon neu. Alle Bauten sollen in modularer Bauweise entstehen. Auch das von schlaich bergermann partner (sbp) entworfene Ras Abu Aboud Stadion am Hafen von Doha mit einer Kapazität von 40.000 Plätzen.
Zusammen mit Fenwick Iribarren Architects (Madrid) und Hilson Moran (London/Katar) hat das Stuttgarter Büro, das auch an WM-Stadien in Brasilien und Südafrika beteiligt war, ein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Konzept entwickelt. Nach der WM – im Ras Abu Aboud Stadion finden Spiele bis zum Viertelfinale statt – kann der Bau bedarfsgerecht zurückgebaut und an anderen Orten wieder aufgestellt werden. Auch der Umbau zu mehreren kleineren Stadien ist möglich. Die variable Nachnutzung soll gammelnde Stadionbauten vermeiden.
Dass solche Überlegungen notwendig sind, zeigen Bilder der vergangenen WM in Brasilien, wo beispielsweise das 480 Millionen Euro teure Estádio Nacional de Brasília Mané Garrincha (Castro Mello arquitectos mit gmp und schlaich bergermann partner) in der Hauptstadt Brasilia inzwischen als Busparkplatz, die Arena Pernambuco in Recife für Hochzeiten und Familienfeiern genutzt wird und andere Stadien ganz geschlossen wurden.
Für Doha gehen sbp einen anderen Weg: Aus der Idee eines Containerstadions entwickelt, besteht der Entwurf aus einer Stahlrahmenkonstruktion. In seine einzelnen Segmente zerlegt, ist der Bau einfach zu transportieren. Alle Funktionen wie Verkaufsstände und Sanitäreinrichtungen sind in modifizierten Schiffscontainern untergebracht und können als solche wieder verschifft werden. Auch die Deckenplatten und Tribünenstufen sind als stapelbare, transportable Elemente konzipiert. Geringen Materialverbrauch und eine nachhaltige CO2-Bilanz brachten dem Stadion bereits eine 4-Sterne-Zertifizierung nach GSAS (Global Sustainability Assessment System) ein.
Fertig soll das neue Stadion bereits 2020 werden, zwei Jahre vor der WM. Die ersten Bauarbeiter sind schon auf der Baustelle. Unter welchen Bedingungen ist nicht genau bekannt. Katar beschäftigt vor allem Gastarbeiter, zum Teil unter menschenunwürdigen Verhältnissen, so der Vorwurf von Menschenrechtsorganisationen. Zwar wurden die WM-Spiele in den Winter verlegt – sie finden vom 21. November bis zum 18. Dezember 2022 statt – doch auf vielen Baustellen werde den Sommer hindurch geschuftet. Bei bis zu 42 Grad im Schatten. Und in diesem Jahr flammte die Kritik erneut auf: Zwar präsentiert sich das Emirat als moderner arabischer Staat, gibt viel Geld für imposante Bauten wie das Nationalmuseum, die Nationalbibliothek oder Großprojekte wie die WM aus, von der sich die Herrscherfamilie Al Thani Prestige verspricht. Doch der autokratische Mini-Staat steht im Verdacht, islamistische Terrorgruppen zu unterstützen.
DFB-Präsident Reinhard Grindel zog sogar schon einen Boykott der Weltmeisterschaft in Erwägung: „Grundsätzlich sollte sich die Fußballgemeinschaft weltweit darauf verständigen, dass große Turniere nicht in Ländern gespielt werden können, die aktiv den Terror unterstützen“, sagte er im Juni. Die Umsetzung gilt aber als wenig wahrscheinlich. Wie gehen Architekten mit einer solchen Situation um? Eine Frage, die man sich in vielen Ländern stellen muss. (kat)
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