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09.04.2025
Buchtipp: Ästhetik der Technik
Ökomoderne von Ot Hoffmann, Rolf Schoch und Otto Steidle
Für gebaute Referenzen, die sich aus klimatischen Prinzipien ableiten, muss man gar nicht so weit in die Vergangenheit schauen. In den 1970er bis -90er Jahren entstand in diesem Sinne gar eine eigenständige architektonische Richtung. Die Ökomoderne fliegt heute dennoch weitgehend unter dem Radar. Obwohl ihre Vertreter genauso auf Lowtech-Konzepte setzten, wie es auch aktuelle Pioniere klimagerechter Architektur tun.
Einen kleinen Beitrag zur Reputation ökomoderner Architektur bietet nun das sympathische dünne Buch Ästhetik der Technik, das Christina Köchling mit der Bauhaus-Universität Weimar herausgegeben hat. Gemeinsam mit Studierenden sowie Kolleg*innen der Bauentwurfslehre, Architekturgeschichte und Klimaingenieur*innen haben sie sich „drei lustvolle Häuser“ vorgenommen: das Baumhaus in Darmstadt von Ot Hoffmann, das Solarhaus in Zollikofen von Rolf Schoch (Aarplan) und das Internationale Begegnungszentrum IBZ Berlin von Otto Steidle, das die Gruppe programmatisch passend „Lufthaus“ taufte.
Der Buchtitel mutet zunächst paradox an. Wenn es doch um Lowtech, also wenig Technik geht, warum steht dann gerade deren Ästhetik auf dem Cover? Die Autor*innen schreiben, dass sie Haustechnik als integralen Bestandteil des Entwurfs verstehen. Tatsächlich meinen sie damit die Übersetzung mikroklimatischer Vorgänge in Architektur – um passives Lüften, Kühlen oder Heizen zu ermöglichen. So erklären sich die drei Gebäude erst über das Verständnis von Wasserspeicherung, Sonneneinstrahlung oder Luftzirkulation.
Wem das bereits zu technisch ist, sei auf die ganzseitigen, detailverliebten Fotografien verwiesen, die einen sofort für die Bauten einnehmen. Sie machen klar, warum die Autor*innen vom Lustvollen sprechen. Die Häuser von Hoffmann, Schoch und Steidle erscheinen wie große, bedienbare Maschinen. Anders als bei hochtechnisierten, aber oftmals blackbox-artigen Niedrigenergiehäusern sind die sprichwörtlichen Rädchen im Getriebe (manuelle Öffnungsmechanismen, Luftauslässe, Gitter und Rohre) hier Teil der Gestaltung.
Köchling und Team stellen die grundlegenden architektonischen Konzepte und ihre tatsächliche Performance gegenüber. Dazu führten sich nicht nur physikalische Messungen vor Ort durch, sondern auch Interviews mit Planungsbeteiligten oder Nutzer*innen. So basiert das IBZ Berlin auf einem räumlich verankerten Lüftungskonzept, das über verschiedene Pufferzonen funktioniert. „Man muss seine Lebensweise auf die Wintergärten abstimmen“, erklärt Architekt Siegwart Geiger, Teil des Planungsteams um Otto Steidle. Da das IBZ jedoch dem temporären Wohnen von internationalen Forschenden dient (bis maximal zwei Jahre), bleibt diesen kaum Zeit, die richtige Anwendung der manuellen Öffnungen zu verinnerlichen.
Ähnliche Geschichten begleiten auch die anderen beiden Häuser. Um das Solarhaus von Rolf Schoch mit seiner geneigten Wintergartenfassade und der eingegrabenen Rückseite richtig zu bewohnen, müsse man eben „manchmal vom Büro nach Hause kommen, um eine neue Stellung der Klappen vorzunehmen“, berichtet ein Bewohner. Ot Hoffmanns Baumhaus könnte man hingegen durchaus auch Falling Water nennen. Immerhin begründet sich die Form seiner üppig begrünten Terrassen aus der Weiterleitung und Speicherung von Wasser. Den heutigen Regenbedingungen hält es ohne ein bauliches Update jedoch nicht mehr Stand.
„Allen drei Häusern wohnt ein Experiment inne“, so die Autor*innen. In diesem Sinne arbeiten sie sowohl die Vorbildfunktion für heutige klimagerechte Architektur, als auch ihre Schwächen schonungslos heraus – allerdings nicht ohne Vorschläge zur Anpassung. Ihr Fazit bringt ein Zitat von Rolf Schoch treffend zum Ausdruck: „Der Mensch ist das Regelsystem dieser Häuser.“
Text: Maximilian Hinz
Ästhetik der Technik
Christina Köchling, Bauhaus-Universität Weimar (Hg.)
168 Seiten
Ruby Press, Berlin 2025
ISBN 978-3-944074-56-6
38 Euro
Zum Thema:
Der Ästhetik des Solarpanels widmete sich das Buch Made of Solar.
Kommentare:
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IBZ Berlin von Otto Steidle (1983)

Baumhaus Darmstadt von Ot Hoffmann (1972)

Solarhaus Zollikofen von Rolf Schoch, Büro Aarplan (1995)

IBZ Berlin von Otto Steidle (1983)
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