Die Seestadt Aspern gilt als eines der größten Stadtentwicklungsprojekte Europas. Seit 2010 entsteht auf einem ehemaligen Flugfeld im Osten von Wien ein neuer Stadteil, der im Jahr 2028 Wohnungen und Arbeitsplätze für über 20.000 Menschen bieten soll. Verantwortlich für den Städtebau sind Tovatt Architects & Planners (Stockholm). Skandinavische Expertise holten sich die Macher auch für die Freibereiche: Gehl (Kopenhagen) arbeiteten 2008/09 eine „Partitur des öffentliche Raums“ aus, auf deren Basis ein attraktives und lebenswertes Stadt- und Freiraumgefüge entstehen soll.
Einiges ist bereits gebaut, vor allem im südlichen Teil der Seestadt. Damit verschiebt sich der Fokus auf die Bereiche nördlich des zentral gelegenen künstlichen Sees. An der nördlichen Seepromenade und nur einen Steinwurf von der Endhaltestelle der U-Bahn entfernt, soll das Forum Am Seebogen entstehen – ein „nutzungsoffenes Stadthaus“, das neue Arbeits- und Wohnformen mit einer „prozessual programmierten“ Erdgeschosszone kombiniert. So schreiben es jedenfalls heri&salli (Wien), die kürzlich den Wettbewerb für das Projekt gewannen. Zehn Büros hatten sich der Aufgabe gestellt, ein experimentelles Projekt zu entwickeln, das innerhalb von nur sechs Monaten gebaut werden soll. Damit will die Stadt Wien zeigen, dass schnelles Bauen und anspruchvsolle Architektur keinen Widerspruch bilden.
Die Architekten arbeiteten nicht allein an dem Konzept. Das Nutzungskonzept entwickelte die Kommunikationsagentur art:phalanx – Agentur für Kultur & Urbanität, die Landschaftsarchitektur stammt von Paisagista Liz Zimmermann, für die Tragwerksplanung sind Werkraum Ingenieure verantwortlich. Das Büro Marles soll die Ausführungsplanung übernehmen. Bauherrin ist die gemeinnützige Bau- und Siedlungsgesellschaft Familienwohnbau.
Ambitioniert ist das Projekt in mindestens zweierlei Hinsicht. Erstens geht es den Machern um größtmögliche Nutzungsmischung. Während in den Obergeschossen gewohnt und gearbeitet wird, soll die Sockelzone sowohl offen gestaltet als auch variabel bespielt werden. Verschiedene kulturelle Nutzungen sollen Öffentlichkeit schaffen und weit über das eigentliche Haus hinaus wirken. Angedacht ist beispielsweise die Bespielung der Räume durch die IBA_Wien 2022.
Eng mit der komplexen Struktur in den Obergeschossen ist die Konstruktion verknüpft. Die Architekten wollen die Potentiale des Modul- und Systembaus ausloten. Sie schlagen sechs Wohnmodule vor, die unterschiedlich kombiniert werden können, was verschiedene Wohntypologien ermöglicht. Die Visualisierungen zeigen, dass tiefe Loggien dabei eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Hinzu kommt das sogenannte Mini-Lab, das als zuschaltbare Einheit Sondernutzungen erlaubt. Im obersten Stockwerk wird es außerdem eine Zone für „Activity-based-Working“ geben. Die Erschließung ist relativ simpel: Eine vertikale, begrünte Erschließungszone an der nördlichen Schmalseite des Hauses und ein Mittelgang auf jeder Ebene bilden das Rückgrat für die containerartigen Module.
Ende nächsten Jahres soll mit dem Bau begonnen werden. Nach Adam Riese wird man also im Sommer 2020 das Ergebnis begutachten können. (gh)
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