Tagsüber als Projektleiter einen Krankenhausanbau managen und nachts visionäre Bilder für die Weltprobleme rendern: Warum Architekten immer wieder bei Ideenwettbewerben wie dem eVolo Skyscraper Competition mitmachen, hat Gründe. Vermitteln sie doch den Eindruck, man könne mit einem einzigen Entwurf globale Missstände adressieren und den Büroalltag gleichzeitig durch etwas nächtliche Utopie aufpeppen.
Für Hybris und utopisches Denken könnte nichts besser passen als die Turmtypologie, die einzige Vorgabe des Wettbewerbes, mit dem eVolo seit 2006 jährlich vertikale Architekturen prämiert. Hierbei können die Teilnehmer sanktionslos am Rechner ausleben, was den Menschen in der biblischen Referenzerzählung zum Verhängnis wurde, als Gott dachte, sie würden mit dem Turmbau zu Babel versuchen, ihm zu gleichen. Hunger in Afrika reduzieren oder das vom Krieg zerstörte Syrien wiederaufbauen: Wer die Entwürfe des eVolo Skysraper Competition betrachtet, gewinnt den Eindruck, ihre Verfasser würden tatsächlich denken, sie könnten mit einem Turm die Probleme der Welt kurzerhand in einem Gebäudeentwurf lösen.
In der diesjährigen Ausgabe sichtete die eVolo-Jury 444 Einreichungen und vergab drei Preise und 22 Anerkennungen.
- 1. Preis: „Mashambas Skyscraper“ von Pawel Lipiński, Mateusz Frankowski
- 2. Preis: „Vertical Factories in Megacities“ von Tianshu Liu, Linshen Xie
- 3. Preis: „Espiral3500“ von Javier López-Menchero Ortiz de Salazar
Es ist immer nicht so einfach mit Visionen, sie greifen sich ab. So erkennt man auch in den prämierten Arbeiten einige „Referenz-Visionen“. Das Siegerprojekt „Mashambas Skyscraper“ beispielsweise erinnert mit seiner Stapelung landwirtschaftlicher Infrastrukturen an Projekte von
MVRDV, wie
Pig City, bei dem gestaplete Schweinemastbetriebe den Flächenbedarf der ökologischen Tierhaltung decken sollen. Der Turm der beiden polnischen Architekten soll ebenfalls helfen, Flächenbedarf an fruchtbarem Land zu reduzieren. Die Vision ist jedoch eine andere. Das Projekt hat sich nämlich kein geringeres Ziel gesetzt als die „Grüne Revolution“. Jene verdoppelte durch Dünger, Bewässerungstechnik und ertragreiche Samen die globale Getreideproduktion zwischen 1960 und 2000, erreichte Afrika aber nie.
Das klingt kühn. Aber um die Erfüllung derartiger Versprechen geht es bei Ideenwettbewerben wie dem eVolo Skyscraper Wettbewerb nicht. Ihr Anspruch ist es, ein Forum für gesellschaftliche Debatten zu bieten und die Rolle der Architektur in diesen Debatten zu reflektieren.
(df)