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27.10.2021
Kafka und Kartoffeln im Jüdischen Garten
atelier le balto, Manfred Pernice und Wilfried Kuehn in Berlin
Ein typologisches Vorbild gibt es nicht. Deshalb gilt der vergangene Woche in den Gärten der Welt in Berlin Marzahn-Hellersdorf eröffnete Jüdische Garten als weltweit erster mit dieser Bezeichnung.
Von Maximilian Hinz
Formal folgen Gärten im Judentum keinem übergeordneten Gestaltungsprinzip, vielmehr sind sie auf ihren lokalen Kontext und die Jahreszeit bezogen. Der Arbeitsgemeinschaft aus den Landschaftsarchitekt*innen von atelier le balto (Berlin), dem Künstler Manfred Pernice und dem Architekten Wilfried Kuehn, dessen Büro Kuehn Malvezzi (Berlin) gerade in der Hauptstadt auch das multireligiöse Gotteshaus House of One baut, war es daher wichtig, dass der Garten nicht allein biblischen oder israelischen Vorbilds ist, sondern jüdisches Leben in Berlin abbildet.
Außergewöhnlich wie der Japanische Garten mit seinem symbolischen Wasserfall und seinem Pavillon kommt dieser nicht daher. Er ist ein „einfacher” Garten, der durch sein Konzept und das sensible Umweltverständnis überzeugt. In der Tradition jüdischen Gärtnerns und Kultivierens spielt ökologische Suffizienz eine wichtige Rolle, zentral sind dabei aktive Pflege und ressourcenschonender Umgang mit der Natur. Entsprechend wachsen in den unregelmäßig geformten Beeten heimische Zier- und vor allem Nutzpflanzen, deren Auswahl auf einer Recherche jüdischer Schriften beruht. So finden sich dort unter anderem Vogerlsalat nach einem Text von Franz Kafka, Mandelbäume nach Else Lasker-Schüler und Kartoffeln nach Tsilye Dropkin.
Über das Jahr hinweg wird sich das Bild stetig verändern: Im Winter dominieren holzige und immergrüne Arten, in den übrigen Jahreszeiten sorgen saisonale Gewächse für Vielfalt. Einfache Holzbretter in den mit Kompost und Mulch gefüllten Pflanzfeldern dienen der unkomplizierten Bewirtschaftung, auch für die Besucher*innen, wie Véronique Faucheur von atelier le balto bei einem Presserundgang erzählt. Der ästhetische Wert liege hier im Gebrauch, nicht in der fertigen Erscheinung.
Bildhafter wird es in der landschaftsarchitektonischen Gestaltung des Projektes. Blickfang sind zunächst zwei skulpturale Gebilde aus Beton von Manfred Pernice. Die beiden Kleinstarchitekturen des Künstlers dienen als Aufenthalts- und Orientierungsorte innerhalb eines feingliedrigen Wegenetzes. Es bildet sich aus dem bestehenden Hauptweg heraus und animiert die Besucher*innen zum individuellen Erkunden. Die verzweigten Pfade sollen die Verflechtungen der jüdischen Kultur sowie ihre vielfältigen Bezüge symbolisieren.
Hervorgegangen ist die knapp 2000 Quadratmeter umfassende Anlage aus einem Wettbewerb im Juni 2018, ausgelobt durch die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz und die Grün Berlin GmbH in Kooperation mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. Die Initiative für einen Jüdischen Garten in der Marzahner Parkanlage lag bei der Allianz-Umweltstiftung, die dort bereits den „Christlichen Garten“ und den „Orientalischen Garten“ (letzterer steht stellvertretend für islamische Kulturen) mit unterstützt hat. Die damalige Jury wurde durch ein Expert*innengremium mit Vertreter*innen des jüdischen Kulturkreises unterstützt. Die Baukosten des neuen Gartens betragen rund zwei Millionen Euro.
Fotos: Lichtschwärmer - Christo Libuda, atelier le balto, Maximilian Hinz
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Jüdischer Garten in den Gärten der Welt in Berlin von atelier le balto (Berlin), Manfred Pernice und Wilfried Kuehn
Jüdischer Garten in den Gärten der Welt in Berlin von atelier le balto (Berlin), Manfred Pernice und Wilfried Kuehn
Jüdischer Garten in den Gärten der Welt in Berlin von atelier le balto (Berlin), Manfred Pernice und Wilfried Kuehn
Skulpturaler Pavillon von Manfred Pernice
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