Das Runde und das Eckige, diese beiden Grundformen in der Geometrie treten nicht nur im Fußball spannungsreich in Beziehung. Auch in der Architektur entstehen oft Konstellationen, die zu anhaltenden Diskussionen führen können, wie gerade eine Aufstockung in Zürich zeigt. Grund genug, ein Blick ins Archiv zu werfen und die vielfachen Variationen von Kreis und im Winkel zulaufender Geraden näher zu betrachten.
Allen voran wäre da natürlich die klassisch-moderne Lösung, wie sie das eingangs erwähnte Projekt in Zürich zeigt, und wie sie auch eine Senffabrik in Belgien ziert: Ein einzelner Okulus wird zum besonderen Akzent, gerne inspiriert von den Bullaugen maritimer Ästhetik. Ein kreisrunder Durchblick ist auch bei einer Kita in Würenlingen prägend, diesmal allerdings nur versteckt für die Nutzer*innen im Innenraum. Den Gegenpol hierzu markieren 6a Architects, die bei ihrem Galeriebau in Milton Keynes ein Rundfenster über die ganze Fassade ziehen.
Dreidimensionaler wird es dann bei Snøhettas Bibliothek in Phliadelphia, die ihre Kistenarchitektur gekonnt ab- oder besser: ausrunden. Bruther in Caen und Jean Nouvel in Abu Dhabi verfolgen im Vergleich dazu eher einen konventionellen Ansatz, wenn sie ihre kantigen Volumen mit Kuppeln dekorieren und überwölben. Einen weiteren interessanten Ansatz zeigt ein Wohnungsbau in Wien, bei dem ein riesiger Kreis nur als Negativ im Vorhang erkennbar wird. Und auch bei Mecanoo in Birmingham wird das Runde ganz flach, zu einer kettenhemdartigen Struktur, die den Bibliotheksstapel gut kleidet. Hier erwartet die Besucher auch noch ein rundes Atrium mit dramatisch inszenierten Treppen.
Beim Office KGDVS wie auch bei Mark Wallinger und Octopi tauschen Rund und Eckig schließlich die Plätze. Letztere setzten bei ihrem Pavillon für die Magna Charta mit einem Einschnitt einen kantigen Akzent, und erstere arrangieren auf ihrem runden Solo-Haus einen Würfel, der gewagt am Rand des Daches balanciert. Schick sieht beides aus, doch auch in Zukunft dürften solche Umkehrungen die Ausnahme bleiben: Zu sehr wird die Architektur schließlich noch immer von der Kiste dominiert. (sb)
Teaser: Galeriebau in Milton Keynes von 6a architects, Foto von 6a