Die berühmtesten Beiträge zur klassischen Moderne in Architektur und Städtebau Deutschlands stehen zweifellos in Berlin, Dessau, Frankfurt oder Stuttgart. Doch auch im Rheinland entstanden bemerkenswerte Beiträge, die in der nationalen und internationalen Betrachtung vermutlich noch zu wenig gewürdigt werden.
Dies möchte das Museum für Architektur und Ingenieurkunst M:AI in Nordrhein-Westfalen nun ändern. So werden an einem Vortragsabend in Köln die Bereiche Industriebau und Kirchenbau dieser Epoche beleuchtet und danach gefragt, welchen Beitrag das Rheinland hierzu beigesteuert hat.
Der erste Vortrag beschäftigt sich mit dem Thema „Rheinischer Industriebau der Moderne“: Seit den epochalen AEG-Bauten und -Produkten von Peter Behrens in Berlin und den Fagus-Werken von Walter Gropius und Adolf Meyer in Alfeld/Leine galt der Industriebau (neben Warenhäusern und Wohnungsbau) als eine der stilbildenden Gattungen der Moderne. Gropius befruchtete auch im Rheinland die Entwicklung durch seine „Musterfabrik“ für die Kölner Werkbundausstellung 1914. Zu den herausragenden Beispielen der Industriearchitektur in den 1920er Jahren zählen der „Peter Behrens-Bau“ in Oberhausen (Zentrallager und Hauptverwaltung III Gutehoffnungshütte), die Verseidag-Bauten von Mies van der Rohe in Krefeld und die Anlagen von Fritz Schupp und Martin Kremmer im Ruhrgebiet (Zeche Zollverein 12). Neben diesen Highlights gab es im Rheinland eine Reihe guter Industriearchitekten, deren Wirken bis in die 1950er Jahre hinein bedeutende Spuren im Bild unserer Städte, Landschaften und Industrieorte hinterlassen hat.
Vortrag von Walter Buschmann, Architekturhistoriker und Denkmalpfleger, zuständig im LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland für die Inventarisation der Technik- und Industriedenkmale.
Der zweite Vortrag ist überschrieben mit dem Titel: „Der Kirchenbau der Moderne im Rheinland – Erneuerung und Experiment“. Die rheinischen Kirchen der Zwischenkriegszeit bieten bis heute ein immens breites Spektrum an innovativen Bau- und Raumlösungen, erdacht von kreativen Kirchbaumeistern wie Dominikus Böhm oder Otto Bartning. Die Vielfalt der hier vorhandenen Konstruktionstechniken und Materialien, die Experimentierfreude mit Formensprachen und Raumatmosphären lassen diese bis dahin eher konservativ angesehene Bauaufgabe zu einer Phalanx der Avantgardearchitektur werden. Und auch nach 1945 kann sich das Rheinland mit der Errichtung legendärer Nachkriegskirchen von z. B. Rudolf Schwarz oder Emil Steffann als internationales Zentrum des modernen Sakralbaus behaupten.
Vortrag von Stefanie Lieb, Architekturhistorikerin, tätig im Inventarisationsprojekt Nachkriegskirchen in NRW des LVR-Amtes für Denkmalpflege im Rheinland.
Vorträge: 1. Februar 2010, 19.30 Uhr
Ort: Domforum Köln, Domkloster 3, gegenüber Dom-Westportal
Zum Thema:
www.mai-nrw.de