Vom Manschettenknopf zum Haus: Architektur und Design aus dem Drucker war eines der großen Themen beim diesjährigen Salone del Mobile, der weltgrößten Möbelmesse in Mailand.
Von Jasmin Jouhar
Lange Zeit schien der 3D-Druck mehr Verheißung als praktikable Realität. Als Mittel, um Prototypen oder Modelle herzustellen, hat sich das Verfahren natürlich längst bewährt. Aber alltagstaugliche Produkte oder sogar ganze Häuser aus der Düse? Da gab es bislang eher Spielereien und L’art pour l’art zu sehen statt überzeugender Konzepte. Doch vergangene Woche in Mailand, zum Salone del Mobile 2018, zeigten gleich mehrere Projekte, wie viel Potenzial in der Technologie steckt. Und wie viele Fragen sie noch aufwirft. Beispielsweise das erste an Ort und Stelle gedruckte Haus Europas: Begleitet von reichlich PR ließ Massimiliano Locatelli von CLS Architetti auf der Piazza Cesare Beccaria ein rund 100 Quadratmeter großes, eingeschossiges Gebäude aus Beton drucken – gemeinsam mit Italcementi, Arup und dem 3D-Druck-Spezialisten Cybe.
Pünktlich zum Beginn der Mailänder Designwoche steht das organisch geschwungene Haus dann fix und fertig da. Den Prozess können die Besucher zwar nicht nachvollziehen, der Druckroboter ist abgeräumt. Dafür vermitteln Tür- und Fensterrahmen aus Messing, eine Messingküche, ein Marmorbad und von Locatelli selbst entworfene Highend-Möbel einen Eindruck von der verfeinerten italienischen Wohnkultur. Betont rau wirken allerdings die gekurvten Betonwände: Sowohl außen wie innen sind sie roh belassen, die typische wurstige Schichtung bleibt sichtbar. Die Konstruktion besteht aus 35 Modulen, die separat voneinander an Ort und Stelle gedruckt worden sind. Die Module verjüngen sich nach oben und sind hohl, können also gedämmt werden.
Insgesamt etwa 48 Stunden hat der Druck der Betonwände gedauert, nach dem Salone soll der Prototyp an einen anderen Ort transportiert und weiter getestet werden. Die großen Versprechen des Projekts: Mit dem Verfahren soll Bauen nicht nur schneller und günstiger werden. Sondern auch nachhaltiger, denn im Prozess falle weniger Abfall an, wie die Initiatoren sagen. Der Betonmix aus dem Drucker enthalte zudem recycelte Stoffe und könne später selbst wiederverwendet werden. Der Prototyp war jedenfalls Talk of the Town während der Messewoche. Aber ob und wie das Konzept tatsächlich in Serie gehen kann, blieb unklar. Ein hübsches Häuschen ausdrucken, vielleicht als Feriendomizil an malerischem Ort, ist die eine Sache. Aber im großen Maßstab Architektur produzieren, die alle Normen und Nutzungsanforderung erfüllt, ist eine andere.
Maßstabsprobleme haben die Designer des Projekts „Ecal Digital Market“ hingegen nicht: Sie drucken und verkaufen während des Salone lediglich kleine Gebrauchsgegenstände und Schmuck. Initiiert hat das Projekt die Lausanner Designhochschule Ecal, die zur Möbelmesse jedes Jahr einen Ausstellungsort im Stadtteil Brera bespielt. „Digital Market“ besteht aus zwei Teilen: einer Druckerfarm, in der kontinuierlich Exemplare der insgesamt rund 40 Objekte entstehen, und einem „Geschäft“ mit Präsentation aller Objekte und Verkaufstresen. Und tatsächlich, die Ablagen, Ohrringe, Schreibwaren, Knöpfe, Spielzeuge oder Pfeifen verkaufen sich prima, bei Preisen bis 30 Euro sind sie das perfekte Messemitbringsel.
Doch so richtig interessant wird das Projekt erst nach dem Salone: Denn alle Produkte können auch online gekauft werden, als Druckdatei zum Einheitspreis von 9 Euro. Schön für Designfans, denn zum Angebot gehören nicht nur Entwürfe von Ecal-Studierenden, sondern auch von internationalen Gestalter-Größen. Wie wäre es mit Manschettenknöpfen von Alberto Meda? Einem „magischen“ Klebebandabroller von Industrial Facility? Oder einer Schreibtischablage von den Bouroullecs? Der Ecal Digital Market lässt das vielbeschworene „demokratische Design“ Realität werden. Allerdings bleiben hinsichtlich des Urheberrechts einige Fragen offen. Wer ein Produkt in Form einer STL-Datei bestellt, muss zusichern, die Datei nicht weiterzugeben und nur für den persönlichen Gebrauch zu verwenden. Damit zu handeln ist natürlich untersagt. Doch wer soll die Vorgaben kontrollieren? Ein Problem, das Musikern, Fotografen oder Autoren schon länger bestens bekannt ist. Designer werden sich damit in Zukunft auch auseinandersetzen müssen.
Fotos: Luca Rotondo, Ecal
Zum Thema:
Der Webshop des „Ecal Digital Market“: www.ecal-digital-market.ch
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