Jenseits von schneereichen Wintern müssen sich die Gemeinden der Alpenregion zunehmend neu erfinden. Eine kleine Gemeinde in Graubünden setzt auf multifunktionale Bauten, die auch im Sommer Mehrwert versprechen – und die sich gleichermaßen an Einheimische wie Besucher richten. Die entscheidenden Impulse kommen von den beiden Churer Architekten Michael Schumacher und Jon Ritter.
Von Klaus Englert
Churwalden, unweit der bündnerischen Kantonshauptstadt Chur, ist beliebt unter Wintersportfans. Zwar bleiben auch in dieser Alpenregion immer mehr Abhänge schneefrei, weswegen auch hier mittlerweile Pisten für Mountainbiker angelegt werden. Aber nichtsdestotrotz hält die kleine Gemeinde weiter unbeirrt fest an ihrem Wintersportkonzept. Wahrscheinlich müsste erst einmal der ganze Mont Blanc schneefrei sein, bevor man in der Schweiz radikal umdenkt.
Das Portal Churwalden des Churer Büros Ritter Schumacher macht allerdings deutlich, dass heute ein Service ausschließlich fürs Skifahrervolk nicht mehr angesagt ist. Von der Gemeindeverwaltung erhielten die beiden Architekten den Auftrag, ein multifunktionales Gebäude mit Liftstation und Restaurant nicht nur für Pistenfahrer zu bauen, weshalb ein alleiniger Fokus auf nüchterne Funktionalität nicht angebracht war. Der Gedanke an Zaha Hadids Burgiselschanze in Innsbruck liegt da nicht nur aufgrund der Kurven im Schnee nah, denn auch Ritter Schumacher ist mit dem Portal Churwalden eine eindrückliche Kombination von Stadtsignet, Sportstätte, Restaurant und Aussichtsplateau gelungen. Das Bauwerk schmiegt sich in sichelförmiger Linie an den Berghang und trennt dabei sinnfällig den Ortskern von dem dahinterliegenden Camping-Areal.
Das Portal wurde klar räumlich unterteilt, wobei ein knallrotes, offenes und tageshelles Foyer mit schlangenförmigen Leuchtdioden die Besucher hinauf zum Restaurant oder in die beiden Flügel lotst, also zum Ticketbereich und zu den Skiliften. Wer von außen nur den skulptural geschwungenen Betonbau wahrnimmt, wird sich im Innern über die farbenfrohe Raumgestaltung wundern, die jedoch niemals die Grenze zum Exzessiven überschreitet. Beispielsweise wirken funktionale Hinweisschilder im Restaurant nicht – wie so oft in Deutschland – wie aufdringliche Fremdkörper, sondern sind sorgsam in die Gesamtgestaltung integriert.
Wer den Postbus nach Churwalden nimmt, hält an einem pilzförmig auskragenden Holzgebilde, das sich im Nachhinein als Zwitter herausstellt, bestehend aus Busbahnhof und Supermarkt. Auch dieses Projekt geht auf eine Idee von Ritter Schumacher zurück. Der Bauherr dachte zunächst nur an einen Busunterstand, doch das Architektenduo hat geschickt Gebäude- und Nutzungskonzept erweitert. Kurioserweise nimmt man zunächst nur die aus 350 Fassadenlamellen gefertigte hölzerne Skulptur wahr, die aus vier Meter hohen, vorgefertigten Ständerelementen konstruiert ist – und denkt gar nicht an den funktionalen Wert des Gebildes. Das liegt auch daran, dass der Migros-Supermarkt völlig uneigennützig zugunsten der architektonischen Außenwirkung auf die Bewerbung seines Warenangebots verzichtet hat. Wer den schmalen Eingang am Kopfende des zehn Meter breiten und vierzig Meter langen Längsbaus übersieht, wird die kommerzielle Nutzung kaum bemerken. Im Grunde stellt sich der „hölzerne Pilz“ als eigentliches Portal zum Skigebiet heraus.
Die beiden Projekte repräsentieren nur einen Teil der Bemühungen des Büros um die städtebauliche Entwicklung Churwaldens. Diese umfassen kleinere Vorhaben wie einen kürzlich fertiggestellten neuen Servicebereich für die Nutzer des Campingplatzes, aber auch vielversprechende langfristige Pläne. Die Voraussetzungen hierfür sind allerdings nicht immer so ideal wie beim Portal, denn insbesondere die Eigentumsverhältnisse vor Ort haben sich schon mehrfach als Herausforderung erwiesen.
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Scharlach, Dipl.-Ing. Architekt DWB | 12.02.2018 17:19 UhrKurven im Schnee
Respekt für beide Projekte !!!