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13.12.2022

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Buchtipp: 50 Jahre Postmoderne

Zwei Bücher zu Learning from Las Vegas


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Mit zahlreichen Publikationen und Ausstellungen wurde dieses Jahr das 50. Jubiläum der Münchner Olympiabauten begangen. Dass sich 2022 auch die Veröffentlichung von Learning from Las Vegas zum fünfzigsten Mal jährte, hat demgegenüber in der deutschen Berichterstattung wenig Erwähnung gefunden. Wer diesen Umstand zum Anlass nehmen möchte, sich neuerlich mit dem von Robert Venturi, Denise Scott Brown und Steven Izenour verfassten „sanften Manifest“ auseinanderzusetzen, kann dazu auf zwei neue Publikationen zurückgreifen.

Im kleinen Berliner Verlag treppe b hat Günther Rösch das Bändchen Las Vegas Zeichen herausgegeben. Auch wenn es sich bei den in der Publikation versammelten Beiträgen ausnahmslos um Wiederveröffentlichungen handelt, eröffnet die Neulektüre der Texte eine erfrischende Perspektive auf die jüngste Architekturgeschichte. Eine zweite Publikation ist in der Reihe „Bauwelt Fundamente“ erschienen: Frida Grahn möchte mit dem von ihr herausgegebenen Band Denise Scott Brown In Other Eyes der Architektin endlich die wissenschaftliche Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen, die man ihr bis dato vorenthalten hat.

Jenseits bloßer Dokumentation hatte Learning from Las Vegas im Jahr 1972 die Architektur der Glücksspielmetropole als Alternative zu einer ermüdeten Moderne vorgestellt. Dass die damit verbundene Absage an jedweden Heroismus keineswegs als Verzicht auf politischen Anspruch zu verstehen sei, machten Venturi, Scott Brown und Izenour 1974 in einem Interview mit Stanislaus von Moos deutlich, das den Band Las Vegas Zeichen eröffnet. Scott Brown und Venturi legen ihrem Gesprächspartner gegenüber Wert darauf, „dass die Rolle eines sozial engagierten Künstlers oder Architekten in unserer Gesellschaft gar nicht so weit entfernt zu sein braucht von der eines Spaßmachers“.

Anstoß nahmen die Autor*innen indessen nicht nur an einem zum Dogma erhobenen Internationalen Stil, sondern auch an den Benachteiligungen, die den Berufsalltag vieler Architekt*innen bis heute prägen. Kritisierte Scott Brown bereits 1974, dass „Architektur von alters her als eine Angelegenheit der Oberklasse und eine Angelegenheit der Männer“ verstanden werde, sollte sie in dem 1989 veröffentlichten Aufsatz „Room at the top? Sexism and the Star System“ auch monieren, dass viele Kritiker*innen die Urheberschaft von Learning from Las Vegas alleine ihrem Partner Venturi zuschrieben.

Deutlich umfangreicher und ambitionierter als die Publikation von treppe b zeigt sich der von Grahn herausgegebene Sammelband Denise Scott Brown In Other Eyes. In den nicht weniger als 23 Aufsätzen finden sich Scott Browns Studienjahre ebenso behandelt wie ihre Lehrtätigkeiten und das mehr als 50 Jahre währende Schaffen als Architektin. Craig Lee legt beispielsweise in seinem Beitrag „On the Outside Looking Around“ nahe, dass die unvoreingenommene Auseinandersetzung mit der Umwelt, die so charakteristisch für die Untersuchung von Las Vegas ist, schon die Arbeit der Architekturstudentin Denise Lakofski bestimmt habe.

Lässt bereits die Vorstellung der mannigfaltigen Einflüsse, denen die Architektin im Laufe ihrer Ausbildung in Südafrika, England und den Vereinigten Staaten ausgesetzt war, das eigenständige professionelle Profil Scott Browns hervortreten, wird auf diese Weise auch die Vorstellung des geborenen Architekturgenies, wie sie mit dem kritisierten „Star System“ einhergeht, geschickt unterlaufen. Umso überraschender mutet deshalb das Interview mit Jacques Herzog in dem Buch an: Dass der prominente Architekt nur auf Nachfrage und unter großen Mühen eine Verbindung zwischen der eigenen Arbeit und Learning from Las Vegas herstellen kann, verleitet zu Spekulationen darüber, inwieweit der (zumeist männliche) Architekturstar auch heute noch als Referenz herhalten muss.

Obschon die Bemühungen, Scott Brown nachträglich mit dem 1991 an Venturi verliehenen Pritzker-Preis zu bedenken, erfolglos geblieben sind, steht heute ihre Bedeutung als Autorin ebenso außer Frage wie als Architektin. Dabei kann kein Zweifel bestehen, dass Learning from Las Vegas (und die Debatten, die sich an die Veröffentlichung anschlossen) die Diskussionen um das Rollenverständnis von Architekt*innen grundlegend verändert haben.

Schwieriger zu beurteilen ist der Einfluss, den die Veröffentlichung von Venturi, Scott Brown und Izenour auf nachfolgende Entwürfe und Bauten ausgeübt hat. Allzu oft nämlich scheint Learning from Las Vegas den Blick auf die Vielfalt und Vielschichtigkeit zu verstellen, die die als postmodern charakterisierte Architektur allein in Nordamerika auszeichnete. Dass das keineswegs im Sinne der Autor*innen war, legt eine Aussage von Venturi nahe, der im August 2000 erklärte: „Der Postmodernismus war schrecklich.“

Die Neugierde, dennoch hinter Neonlicht und Säulenordnungen zu blicken, weckt nicht zuletzt das Nachwort, mit dem Rösch Las Vegas Zeichen beschließt. Er beruft sich darin auf eine Aussage Venturis, nach der es selbst in der artifiziellen Glitzerwelt der Casinostadt etwas gebe, „das authentisch, nicht künstlich, nicht inszeniert ist – das ist das Leben selber“.

Text: Achim Reese


Las Vegas Zeichen

Günther Rösch (Hg.)
Gestaltung: Cristina Achury

132 Seiten

treppe b, Berlin 2022
ISBN
978-396551022728
20 Euro



Denise Scott Brown In Other Eyes. Portraits of an Architect
Frida Grahn (Hg.)

Gestaltung: Helmut Lortz

256 Seiten

Birkhäuser, Basel 2022
ISBN 978-3035626247
36 Euro





Zum Thema:

Mehr zur Co-Autorin von Learning from Las Vegas findet man in Baunetzwoche#237: Denise Scott Brown.


 
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Zeichen entlang des Strip, 1966

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South Street, 1960er-Jahre

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Denise Scott Brown, 1978

Denise Scott Brown, 1978

Venezianischer Kanal, 1956

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