Von Stefan Rethfeld
Es müssen 1971 spannende Diskussionen gewesen sein, als die Architekten Brigitte und Christoph Parade (Düsseldorf) vom Rat der Stadt Ahlen beauftragt wurden, ein umfassendes Kulturzentrum für die Stadt zu entwerfen. Neben einem neuen Rathaus sollte es eine Stadthalle sowie ein Zentrum für Erwachsenenbildung und eine Stadtbücherei umfassen. Dem alten Rathaus am Markt von 1906 war die aufstrebende Mittelstadt mit ihren 50.000 Einwohnern in Zeiten der kommunalen Neugliederung im Jahr 1969 entwachsen.
Das künftige Zentrum sollte die alte Stadt in Fußweite ergänzen. Es entstand schließlich am westlichen Altstadtrand entlang der Westenmauer. Gebaut wurde es jedoch mit reduziertem Programm: Rathaus, Stadthalle und Sparkasse. Die Architekten nahmen den kleinen Fluss Werse zum Ausgangspunkt - und bauten über und mit ihm. Wie seinerzeit bei der Stadtgründung wurde mit dem abermaligen Schritt über das Ufer das neue Zentrum manifest. Der Bau entstand in zeittypischer Gestalt: Die Funktionen sind strahlenförmig über einem Dreiecksraster angelegt.
Heute zeigt sich die Gebäudemasse besonders plastisch und mehrfach gestaffelt zur Stadt. Am höchsten ragt aus dem dunklen Glasgebirge der bis zu neungeschossige Verwaltungstrakt des Rathauses (1975-77) hervor. Unscheinbarer fällt der Eingang zur 1982 eingeweihten Stadthalle am Rathausplatz aus. Dafür öffnet sich diese mit ihren Foyer- und Restaurantzonen zur rückwärtigen Wasserseite. Dort überrascht das Gebäude mit Galerien, Treppen und Terrassen am erweiterten Ufer. Das großzügige mehrgeschossige Foyer verbindet Rathaus und Stadthalle und bietet Treffpunkte im Außen- wie Innenbereich. Gerade hier wird der öffentliche Charakter des Gebäudes erlebbar – eines betont modernen Neubaus, der mit der Altstadt und ihren Kirchtürmen korrespondiert. Von den Fluren und aus den Sitzungssälen ergeben sie wiederum eindrucksvolle Blicke auf die Gesamtstadt. Wer das Gebäude besucht, kann es noch mit der farbigen Originalausstattung erleben.
Mittlerweile steht der Rathauskomplex in der Diskussion. Seit Jahren werden erhebliche Baumängel beklagt. Mitarbeiter und Besucher sind unzufrieden mit dem ungepflegten Zustand. Dieser resultiert auch aus einer Unsicherheit der Stadt heraus, wie sie das Gebäude in ihre Stadtentwicklung einbinden soll. Mehrfach prüfte sie verschiedene Strategien des Umgangs. Neben unterschiedlichen Sanierungsvarianten wird auch ein Umzug in ein Ersatzgebäude sowie der Abriss samt Neubau erwogen.
Gegen den Abriss allerdings spricht seit Sommer 2016 zu Recht ein Gutachten des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, das den Gebäudekomplex für denkmalwürdig erklärt. Eine Auffassung, die von der Stadt Ahlen nicht geteilt wird. Nachdem sich Stadt und der Landschaftsverband nicht einigen konnten, wird nun die Oberste Denkmalbehörde in Düsseldorf, das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, den Fall entscheiden müssen.
Man kann nur hoffen, dass die Entscheidung mit viel Umsicht getroffen wird. Denn der Rathauskomplex, der sich an internationalen Entwicklungen der Zeit orientierte, offenbart seine Raffinessen vor allem in der Nahsicht. Ein grober Bau, wie er von vielen auf den ersten Blick wahrgenommen wird, ist er nicht. Gerade im Detail ist er fein und raffiniert angelegt. Ebenso sollte auch die zukünftige Sanierung ausfallen. Ein herausgeputzer 1970er-Jahre-Komplex könnte belegen, wie offen und plural sich die Stadt versteht: Rückbesinnung als Erneuerung. Abreißen und neu bauen kann jeder.
Zum Thema:
In der Denkmalfrage hat die Initiative Ruhrmoderne e.V. einen aktuellen offenen Brief verfasst. Weitere Informationen: www.ruhrmoderne.de
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Ahlener Bürger | 22.02.2019 15:07 UhrNicht tragbar für die Bürger Ahlens
Zu diesem Bericht gibt es noch einen auf der Internetseite Ruhrmoderne. Der dort geschriebene "offene Brief" beschreibt so ziemlich alles. Aber mit Sicherheit nicht das Ahlener Rathaus.
- Die "Wärmepumpentechnik" hat nie wirklich einwandfrei funktioniert.
- Stadtbücherei und VHS waren nie in diesem Gebäude.
- Einen "kleinen See mit Insel" gibts/gab es nicht.
- Viele Scheiben in den Büros sind inzwischen "blind" weil sich Wasser in den Dreiecken sammelt und nicht ablaufen kann und so hinter die Dichtungen läuft.
- Die Sitzungsaalebene gleicht bei Regen einer Eimerausstellung.
- Die genannten "Treffpunkte" laden nicht zum verweilen ein da es, bei leichtem Wind, sofort rund um den Bau zieht und man nirgends ausserhalb des Zuges steht.
- Die oberste Etage ist inzwischen garnicht mehr nutzbar, da Feuchtbiotop (keine Untertreibung)
- Frischluft ist nicht möglich. Daher im Sommer Bruthöhle.
- Die Stadthalle ist ebenfalls nur schwer für Veranstaltungen zu beliefern weil das seinerzeit nicht bedacht wurde.
In meinen Augen war die Planung zwar gut gemeint aber nicht bis zum Schluss durchdacht.
So oder so ist der Bau eine Belastung für die Ahlener Bürger und die Mitarbeiter der Verwaltung.
Mit weniger Aufwand (und Geld) kann man nach aktuellen Standards neu bauen und eine TEURERE Sanierung stellt nur den "mangelhaften" Stand von 1980 wieder her.
Ich bin mit diesem Gebäude aufgewachsen, weshalb ich auch ein weinendes Auge habe. Aber als ökonomisch denkender Mensch muß ich sagen das Gebäude hat keine Zukunft. Finanziell und im Sinne der Umwelt ist es sinnvoller diesen Versuch modernen BAuens, mehr ist es leider nicht, abzureissen und durch aktuelle Technik zu ersetzen!