Die zur BUGA 1975 errichtete Multihalle in Mannheim besitzt die größte freitragende Holzgitterschalenkonstruktion der Welt. Aber was nützen solche Superlativen, wenn es kein Nutzungskonzept gibt? Mit dem kürzlich entschiedenen Ideenwettbewerb Democratic Umbrella soll das von Frei Otto, Carlfried Mutschler und Joachim Langer errichtete Gebäude bald zu einem flexibel bespielbaren und für alle Bürger*innen ganzjährig geöffneten Begegnungsort werden.
Obgleich die Multihalle seit 1998 unter Denkmalschutz steht, wurde sie lange vernachlässigt, wie eine Ausstellung im Jahr 2017 anhand von Fotografien zeigte. Der zwischenzeitig im Raum stehende Abriss konnte zum Glück abgewendet werden. Durch ein engagiertes Programm ist die Multihalle inzwischen bei den Mannheimer*innen wieder präsent. Publikationen und Ausstellungen wie Sleeping Beauty im Rahmen der Venedig Biennale 2018 brachten sie schließlich auch international in das kollektive Architekturbewusstsein zurück.
Der Wettbewerb Democratic Umbrella forderte ein prozessorientiertes Nutzungskonzept und richtete sich nicht nur an arrivierte Architekturbüros, sondern explizit auch an Studierende und junge Architekt*innen. Die Jury unter Vorsitz von Peter Cachola Schmal, Direktor des Deutschen Architekturmuseums Frankfurt und Georg Vrachliotis, Architekturtheoretiker am KIT Karlsruhe, hat aus 53 internationalen Einreichung folgende drei Erstplatzierte prämiert:
Das interdisziplinäre Team aus Till Schweizer, Daniel Gornik, Marcel Heller, Konrad Otto Zimmermann, Christina West und Malte Schweizerhof überzeugte vor allem durch die Landschaftsplanung. Ihr Projekt Multimobil löse die geforderte Einbindung in den Park unter gleichzeitiger Anbindung an die Stadt besonders treffend, schreibt die Jury.
Demgegenüber zeigen die Architekten Christopher Rotman und Daniel Wilken (Aachen) mit ihrem Siegerentwurf Kultimulti das breite Spektrum der Möglichkeiten des Innenausbaus auf.
Ebenfalls Preisträger ist Hallen Allee der Architekten Guillem C. Colomer von COFO Architects und Gabriel R. Pena PENA architecture (beide Rotterdam). Der Entwurf zeichne sich durch einen sehr umfassenden innen- und außenräumlichen Ansatz aus, so das Preisgericht, der den Optimismus der BUGA75 programmatisch und formal in die Zukunft spiegelt.
Wie die Entscheidung zeigt, einigte man sich auf die Freistellung der epochalen Dachkonstruktion Ottos als „Kathedrale der Moderne“ – wie sie dessen Zeitgenosse Fritz Auer , ebenfalls Mitglied der Jury, bezeichnet. Mehrgeschossigen Haus-im-Haus Konstruktionen wurde damit eine klare Absage erteilt. Aber auch die Betonbauten Mutschlers, der sich mit einer Reihe von brutalistischen Werken in die Architekturgeschichte Mannheims eingeschrieben hat, erkannte die Jury als wertvoll an. Die Devise „Mutschler erhalten“ betrifft den Steg, auf dem man dem Dach besonders nahe ist, das Restaurant und die Bühne in der großen Haupthalle.
Mehr noch: Laut Tatjana Dürr, Referentin für Baukultur der Stadt Mannheim, kann Mutschlers pragmatische und additive Bauweise als vorbildlich für das Weiterbauen gesehen werden. In der zukünftigen Planung mit mehreren Abschnitten könnten die Baumaßnahmen so im demokratischen Prozess erprobt und auf das Nutzerverhalten abgestimmt werden. Konkret bedeutet dies, dass im Meinungsaustausch mit den Mannheimer Bürger*innen entschieden werden könnte, ob beispielsweise eher eine Tribüne für größere Veranstaltungen oder kleinere Werkstätten benötigt werden.
Die Zukunft der Multihalle stellt sich damit auch als spannendes partizipatives Projekt dar. In Zusammenarbeit mit allen drei prämierten Entwürfen sollen in einem Workshop-Verfahren die verschiedenen Stärken herausgearbeitet und auf sinnige Weise kombiniert werden. Der Zeitplan sieht in der ersten Stufe eine Sanierung der Multihalle bis zur BUGA 2023 vor. Die darauffolgende architektonische Umsetzung eines ersten Teils des Wettbewerbsprojekts bis zur großen Gartenschau ist ob der ungeklärten Finanzierung bisher nicht gesichert. (stu)
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solong | 02.04.2019 14:00 Uhr... jahrzehnte ...
... von den "kleinkrämern" der gesellschaft vernachlässigt ... eine form des "aufbruchs" der gesellschaft in den 80ern ... wie das münchner olympiastation ... war / ist diesen ... in ihrer mit verlaub "doch sehr beschränkten kleinbürgerlichkeit" ... einfach suspekt ... aber für die weiterentwicklung essentiell ... nun kommt zum glück ... wieder leben rein ... vielleicht findet sich ja ein mäzen ... der mit seinem unglaublichen auf dem rücken der allgemeinheit gefußtem vermögen ... in zeiten der negativzinsen erkennt, dass es an der zeit ist der gesellschaft etwas zurückzugeben ...