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01.03.2023

Buchtipp: Allmenden der Stadt

Zur Vergemeinschaftung urbaner Räume


Dieses Buch ist das Ergebnis einer Dissertation. Leser*innen sollten also durchaus darauf vorbereitet sein, dass die Lektüre akademisch und didaktisch ist. Wer allerdings Spaß daran hat, sich in Gedanken zu vertiefen, die über Jahre hinweg aus Erfahrungen mit Forschung, Lehre und aus persönlichem Engagement gereift sind, ist herzlich eingeladen, die im vergangenen Jahr beim adocs Verlag erschienene Publikation Spatial Commons. Zur Vergemeinschaftung urbaner Räume von Dagmar Pelger zur Hand zu nehmen. Erst recht, wer innerhalb der Stadtentwicklung das Gemeinwohl an vorderster Stelle sieht.

Gemeinwohlorientierte Planungskultur und räumliche Gemeingüter haben in der Stadtforschung seit Längerem Konjunktur. Doch trotz der allgegenwärtigen Debatte bleiben die verwendeten Begrifflichkeiten rund um das räumliche Gemeinschaffen bisweilen unscharf. Damit räumt Pelger – die neben ihren Lehrtätigkeiten an den Berliner Universitäten TU und UdK unter anderem Mitglied des Planungskollektivs coopdisco ist – in jedem Fall auf. Für Planer*innen dürfte sich dennoch die Frage stellen, was mit dem Konzept der „Spatial Commons“ in der Praxis anzufangen ist. Auch hierauf gibt das Buch durchaus Antworten – die allerdings gefunden werden wollen. Darum ist diese Rezension nicht zuletzt eine Art Leseanleitung.

In fünf Kapiteln wird der Forschungsgegenstand schrittweise entwickelt. Eingeschobene, violettfarbene Seiten geben jeweils tieferen Einblick oder fungieren als Zusammenfassung der Abschnitte. Vorneweg führt Pelger in die wissenschaftliche wie stadtpolitische Genese des Begriffs ein. Sie zeigt die Ursprünge der Commons-Theorie in der politisch-ökonomischen Forschung sowie in den Sozialwissenschaften und feministischen Theorien seit den 1960er Jahren. Um die 2000er Jahre erweiterten ökologische und stadtgeografische Perspektiven die Debatte. Als kanonisch darf hierbei David Harveys Text „Rebellische Städte“ gelten.

Pelger möchte mit ihrer Arbeit das Konzept der Commons für architektur- und stadttheoretische Diskurse fassbar machen. Im Kern geht es um die Erkennbarkeit und Gestaltbarkeit von räumlichen Gemeingütern. Als Analysewerkzeug kamen dafür kollektiv erarbeitete Kartierungen zum Einsatz. In mehreren interdisziplinären Lehrveranstaltungen am Fachgebiet für Stadtplanung und Urbanisierung der TU Berlin erforschte die Autorin gemeinsam mit Studierenden Vergemeinschaftungsphänomene im Berliner Stadtraum. Die Ergebnisse lassen sich dann im Hauptteil des Buches anhand von Texten und Karten, darunter sehr detailreichen, atmosphärischen Zeichnungen erfassen.

Doch was sind nun Spatial Commons und wie können sie gestaltet werden? Ersteres wird im Buch hinreichend erklärt. Voraussetzung ist ein verfügbarer Raum, der im herkömmlichen Sinne sowohl öffentlich als auch privat sein kann. Spatial Commons bilden allerdings eine dritte Raumkategorie jenseits dieser Dichotomie. Anders als die klassischen Kategorien sind gemeinschaftliche Räume immer beides – inklusiv und selbstbestimmt. Elementar ist dabei das stete Teilen der materiellen wie immateriellen Erträge unter allen. Gemeint sind beispielsweise soziale Beziehungen, nachbarschaftliches Wissen oder gemeinsam genutzte Räume.

Etwas komplizierter wird es bei der Gestaltbarkeit von Spatial Commons. Pelger entwickelte hierfür mehrere Kategorien, die sie in einem ersten Schritt aus dem feudalen Typ der traditionellen Allmenden herleitet. Mit Hilfe von raumtypologischen Reihen und mehreren Matrizen werden diese auf heutige urbane Gegenden übersetzt und schrittweise präzisiert. Am deutlichsten werden sie allerdings in den intuitiven Skizzen, mit denen die textlichen Erläuterungen ergänzt sind. Als räumliche Prinzipien werden Parameter wie durchlässige Raumgrenzen, mehrdeutige Programmierung sowie einsehbare und gleichsam geschützte Situationen herausgehoben. Ein Manual, nach dem Spatial Commons gestaltet werden können, gibt es nicht. Wer dennoch nach gebauten Beispielen sucht, wird neben den Kartierungen im Berliner Wrangelkiez oder dem Kottbusser Tor auch auf Seite 40 in einem kurzen Exkurs zu „Commons of Modernity“ fündig. Hier werden unter anderem die Einküchenhäuser und das sogenannte Wohnregal der IBA 87 in Berlin oder das Narkomfin in Moskau aufgezählt.

Auch wenn es manchen zu verkopft scheinen mag, was in diesem Buch dargeboten wird: Die darin eingeschriebene, stadtpolitische Haltung würde allemal verhindern, was in der privatisierten Planungspraxis teils fabriziert wird. Beispiele gibt es außerhalb Berlins auch in anderen deutschen Städten. Zuletzt in Düsseldorf oder Potsdam.

Text: Maximilian Hinz

Spatial Commons. Zur Vergemeinschaftung urbaner Räume

Dagmar Pelger
256 Seiten
adocs, Hamburg 2022
ISBN 9783943253542
26 Euro


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Das Gecekondu von Kotti & Co in Berlin-Kreuzberg beschreibt Dagmar Pelger als räumliches Gemeingut in der Stadt.

Das Gecekondu von Kotti & Co in Berlin-Kreuzberg beschreibt Dagmar Pelger als räumliches Gemeingut in der Stadt.

Spatial Commons. Zur Vergemeinschaftung urbaner Räume

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Auszug aus dem Buch

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Ausschnitte aus den Kartierungen in Berlin

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