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10.03.2021

Grüne oder schwarze Baupolitik?

Zur Landtagswahl in Baden-Württemberg


Mit sechs Landtagswahlen und der Bundestagswahl im September wird 2021 ein Superwahljahr. Den Anfang machen am Sonntag Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Gerade der Blick in den grün-schwarz regierten Südwesten lohnt, gilt eine Koalition von CDU/CSU und Grünen doch als mögliche Option auf Bundesebene. Welche planungsrelevanten Themen stehen in den Programmen der baden-württembergischen Parteien?

Von Christian Schönwetter

Bei dieser Landtagswahl ist manches anders: Zum ersten Mal seit Jahren mausern sich Fragen des Bauens und Wohnens zu einem echten Wahlkampfthema. Vor allem Klimaschutz und die Linderung der Wohnungsnot schreiben sich die Parteien auf die Fahnen und unterbreiten dafür höchst unterschiedliche Vorschläge. Damit nimmt die Landespolitik ein Themenfeld ins Visier, das die Tätigkeit vieler Architekt*innen betrifft. Insofern lohnt es sich in diesem Jahr ganz besonders, die Wahlprogramme mal durch die Planerbrille zu betrachten.

Die Bedeutung der Wohnungsfrage erklärt wohl auch, warum die Spitzenkandidat*innen aller großen Parteien in der heißen Phase des Wahlkampfs Zeit gefunden haben, sich in einer gemeinsamen Podiumsdiskussion den kritischen Fragen der Architektenkammer zu stellen. Zwar sind die rund 26.000 Planer*innen im „Ländle“ nicht die größte Berufs- und Wählergruppe (etwa im Vergleich zu Ärzt*innen oder Lehrer*innen), auch wenn die Architektendichte in keinem anderen Flächenland höher ist. Aber sie sitzen an den Schalthebeln, wenn es darum geht, schnell und preiswert neuen Wohnraum zu schaffen. Und der wird dringend benötigt, weil die Bevölkerung merklich wächst – nicht nur in den Ballungszentren, sondern in weiten Teilen des Landes.

Wenn die Menschen so wählen, wie es die Umfragen derzeit prognostizieren, werden Grüne (33 %) und CDU (25 %) wieder die meisten Stimmen erhalten, sodass es keine Regierung ohne mindestens eine dieser beiden Parteien geben wird. Daher sollen hier ihre Vorschläge im Mittelpunkt stehen.

Wo also sollen die neuen, bezahlbaren Wohnungen entstehen? Eine schwierige Frage, wenn man beispielsweise an das stark zersiedelte Oberrheintal denkt, das zwischen Mannheim und Basel schon jetzt beinahe wie eine einzige riesige Zwischenstadt von 250 Kilometern Länge wirkt. Um den Flächenfraß zu stoppen, haben die Grünen einen konkreten Fahrplan aufgestellt. In der nächsten Wahlperiode wollen sie den täglichen Flächenverbrauch für Siedlungszwecke von derzeit fünf auf drei Hektar pro Tag begrenzen. Wohnraum soll innerorts errichtet werden. Hierfür planen sie ein Förderprogramm für Dachausbauten und Aufstockungen. Voraussetzung für diese Förderung soll die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sein. Über das Wohnraumförderprogramm wollen sie Erbbaurechtsmodelle unterstützen.

Anders die CDU: Dort, wo die Nachfrage nach Wohnraum sehr hoch ist, will sie den Neubau durch eine vereinfachte Ausweisung von Baugrund erleichtern. Sollte der Bund das Baukindergeld nicht verlängern, plant die Partei auf Landesebene ein eigenes Baukindergeld in Höhe von 1.200 Euro pro Kind und Jahr über zehn Jahre. Zusätzlich möchte sie die Er­werbsnebenkosten von Wohneigentum spürbar senken. Wer privat ein Grundstück oder eine Wohnung für den Eigenbedarf erwirbt, soll einmalig bei der Grunderwerbssteuer entlastet werden. Zudem soll die Grunderwerbsteuer von fünf auf dreieinhalb Prozent sinken.

Einig sind sich Winfried Kretschmann (Grüne) und Susanne Eisenmann (CDU), dass es zur Schaffung preiswerten Wohnraums auch nötig sei, Bauvorschriften zu vereinfachen. Ob sich dieses Ziel aber erreichen lässt, wenn die Grünen ihre Vorstellungen für den Klimaschutz umsetzen? Sie möchten die vorhandene bauliche Infrastruktur nutzen und auf allen Dächern Photovoltaik vorschreiben. Dem Massivbau legen sie ein enges Korsett an, bis spätestens 2030 soll er komplett auf kreislauffähige und klimaneutrale Bauweisen umgestellt haben. Daher fördern sie Recycling-Beton und wollen eine Recycling-Beton-Quote für die Neubauten des Landes einführen. Um dem aktuellen Rohstoffmangel entgegenzuwirken, setzen sie sich für ein Materialkataster ein. Damit sollen Gebäude als Rohstofflager und Städte als „Rohstoffminen“ geplant und genutzt werden können.

Die Landesarchitektenkammer hatte im Vorfeld der Wahl detaillierte Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit und moderneren Verfahren beim Bauen veröffentlicht. Nach der Podiumsdiskussion konstatierte Kammerpräsident Markus Müller, man habe „bei den Spitzenpolitikern das Gefühl, dass vieles mindestens mal richtig abgelesen worden ist, vieles vielleicht auch verstanden worden ist.“ Dennoch bestünde die Frage: „Warum passiert das jetzt in der Wirklichkeit nicht? Über manche Probleme sprechen wir ja schon seit Jahrzehnten.“ Gewinnen die Grünen die Wahl so hoch wie vorhergesagt, wird man sie an ihren Wahlversprechen messen und dann werden sie kaum noch auf ihren Koalitionspartner verweisen können, wenn es etwa in Sachen Klimaschutz nicht so zügig vorangeht, wie von vielen gefordert.


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