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02.04.2020

Buchtipp: Hacking Urban Furniture

Zum kreativen Umgang mit Stadtmobiliar


Die Zeiten sind nicht leicht, isoliert in den eigenen vier Wänden. Da tut ein leichtfüßiges Buch gut. Doch jede Veränderung bietet auch Chancen: Herausgerissen aus dem üblichen Trott können plötzlich neue Ideen entstehen. Die Kreativität wird herausgefordert – manchmal zwangsweise, weil Homeschooling und Homeoffice nicht gut zusammengehen, manchmal einfach gegen die Langeweile.

Eine Anregung: Schon mal über Bushaltestellen, Citytoiletten, Parkbänke, Mülleimer oder großformatige Werbetafeln nachgedacht? Stadtmobiliar prägt den öffentlichen Raum der Großstädte, auch wenn wir es oft gar nicht mehr wahrnehmen. Kein Wunder, nicht alles ist architektonisch wertvoll oder gar schön anzusehen, das meiste eher praktisch-funktional. Besonders dann, wenn Wartehäuschen oder Stadtplanhalter mit Außenwerbung kombiniert werden.

Für die Firma JCDecaux beispielsweise dienten Stadtmöbel als Mittel zum Zweck. Die Franzosen boten Städten an, Bushaltestellen kostenfrei aufzustellen. Im Gegenzug durften sie dort Werbung platzieren, die sie sich von den Firmen teuer bezahlen ließen. 1964 entstand in Lyon mit „Abribus“ die erste Haltestelle dieser Art. Dass es auch anders geht, der öffentliche Raum nicht nur Werbefläche und städtisches Mobiliar nicht dröge sein muss, zeigt die Publikation „Hacking Urban Furniture“. Neben dem Blick auf 30 Jahre Geschichte kommen Menschen aus Kunst, Stadtforschung, Verwaltung und Politik zu Wort, die Gegenwart und Zukunft von Stadtmöbeln hinterfragen.

Das Buch im blauen Softcover bleibt aber nicht theoretisch. Es macht sich auch ganz praktische Gedanken und dokumentiert Beispiele aus Berlin, Belgrad oder Wien. Neben kreativen Umnutzungen – vom zur Parkbank umfunktionierten Auto bis zur Bushaltestelle, die auch Halt für Ross und Reiter ist – werden Performances, kritische Entwürfe und weiterentwickelte Stadtmöbel vorgestellt. Lässt sich eine Citytoilette aufstocken? Wie könnte ein vor Vandalismus sicheres Wartehäuschen aussehen? Manche dieser Entwürfe sollen übliche Raumnutzungsmuster infrage stellen – zum Beispiel ein Grill, auf einem Poller am Straßenrand installiert –, andere die Stadt kinderfreundlicher machen oder die Stadtgemeinschaft aktivieren.

Da bekommt man direkt Lust, selbst kreativ zu werden. Anregungen bieten die Projekte, die die Kuratoren Matthias Einhoff, Miodrag Kuč, Philip Horst und Harry Sachs vorstellen, reichlich. Einige kommen sogar mit kleiner Bauanleitung daher: für Bühnen, Sitzmöbel oder Kunst im Park, den eigenen Vor- oder einen Nachbarschaftsgarten.

Umnutzen, Infragestellen, Adaptieren, Neues entwickeln – manchmal auch mit einem Augenzwinkern. So bekommt dieser Tage, in denen alle auf Abstand bedacht sind, plötzlich ein Projekt eine ganz neue Bedeutung. Ursprünglich als künstlerisches Objekt geplant, an dem man sich stoßen kann oder soll, wird die „Monozelle“ nun zum praktischen Quarantäne-Gerät. Geschützt unter einer transparenten Plexiglashaube, links und rechts ebenfalls dicht, könnte man damit unter Leuten und trotzdem keimfrei den Frühling im Park genießen.

Text: Katrin Groth

Hacking Urban Furniture
Matthias Einhoff und Miodrag Kuč/ KUNSTrePUBLIK
257 Seiten
Englisch
ZK/U Press, Berlin, 2020
Bezug über BooksPeoplePlaces
ISBN 978-3-945659-16-8
25 Euro


Zum Thema:

www.hackingurbanfurniture.net


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