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17.08.2004

Der große Moderator

Zum Tode von Josef Paul Kleihues


Am Freitag, 13. August 2004, ist der Berliner Architekt Josef Paul Kleihues in Berlin gestorben.

Kleihues, der 1933 im westfälischen Rheine geboren wurde, lange Jahre an der Uni Dortmund lehrte und ein Zweigbüro im Münsterland unterhielt, hat sein berufliches Wirken jedoch jahrzehntelang in und auf Berlin konzentriert. Sein größtes Verdienst für die Stadt besteht wohl nicht so sehr im Entwurf von Einzelarchitekturen, sondern vielmehr in der Moderationsleistung, mit der er nachmoderne städtebauliche Ideen und Architekten nach Berlin holte.

Bereits 1972 gab er mit dem „Block 270“ in Berlin-Wedding der Stadt die Idee des geschlossenen Baublocks zurück - eine planerische Kritik an den Dogmen des Städtebaus der Moderne seit den zwanziger Jahren.
Die nachhaltigste Leistung im Werk des Verstorbenen ist seine Tätigkeit als Direktor der „IBA neu“, des Neubau-Teils der Internationalen Bauausstellung der achtziger Jahre in West-Berlin („IBA 1984-87“). Hier wurden zerstörte und verschüttete städtebauliche Spuren der historischen Bebauung freigelegt und durch ergänzende Neubauten wieder erlebbar gemacht - auch dies war gegen die Geschichts-Ignoranz der Moderne gerichtet.
Seine städtebauliche Auffassung, die keine historistischen Kopien der verlorenen Bauten hervorbringen wollte, sondern sich schöpferisch-subtil mit der Historie auseinandersetzte, bezeichnete er als „Kritische Rekonstruktion“. Sie wurde nach der Wiedervereinigung zum offiziellen städtebaulichen Leitbild des Berliner Senatsbaudirektors Hans Stimmann.

Im Zusammenhang mit der IBA holte Kleihues zahllose internationale Architekten der Postmoderne nach Berlin, unter ihnen den Urvater des nachmodernen Städtebaus, Aldo Rossi, der einen Block an der Kochstraße beisteuern konnte.

Kleihues bezeichnete seine eigene Architektursprache stets als „poetischen Rationalismus“, was er wortreich mit Theorien aus der Kunst und der Philosophie zu untermauern wusste. Zu den bedeutenden Einzelbauten in seinem Schaffen zählen die Hauptwerkstatt der Berliner Stadtreinigung in Tempelhof (1969-76), das Krankenhaus in Neukölln (1973-81), das Museum of Contemporary Art in Chicago aus den neunziger Jahren sowie zahllose Bürobauten der jüngeren Zeit.

Interessanter als diese sind Kleihues' Umbauten historischer Gebäude, darunter das Museum für Vor- und Frühgeschichte in Frankfurt/Main (1982-89), das er in die Ruine der Karmeliterkirche implantierte, und der Umbau des Hamburger Bahnhofs in Berlin zu einem Museum für zeitgenössische Kunst (1990-96). Der Neu-Aufbau der Häuser Liebermann und Sommer am Brandenburger Tor allerdings misslang ihm wegen einer zu ängstlichen Bezugnahme auf die verlorenen Originale.

Das letzte große Projekt des großen Moderators Kleihues ist der Verein „Bauakademie e.V.“. Geboren aus der Idee, dass Berlin ein „Architekturmuseum“ brauche, sind unter dem Dach der Bauakademie alle nennenswerten Berliner Architektursammlungen versammelt. Geplant ist, die Schinkelsche Bauakademie in Berlin wiederaufzubauen und zu einem Fortbildungs- und Ausstellungszentrum zur Baukultur zu machen. Kleihues stand dabei für eine pluralistische Öffnung auch für andere Architekturauffassungen. Nachdem er den Vorsitz des Vereins aus Krankheitsgründen abgeben musste, rückte sein Nachfolger Hans Kollhoff das Projekt in die traditionalistische Ecke.

Josef Paul Kleihues, der zuletzt wegen der Parkinson-Krankheit an den Rollstuhl gefesselt war, starb nur zwei Tage, nachdem er an der feierlichen Eröffnung der Bauakademie-Attrappe (siehe BauNetz-Meldung vom 11. August 2004) teilgenommen hatte.

Benedikt Hotze


Zu den Baunetz Architekt*innen:

Kleihues + Kleihues


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