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15.04.2021
Koryphäe der Tragwerksplanung
Zum Tod von Stefan Polónyi
Der Ingenieur, Tragwerksplaner und Hochschullehrer Stefan Polónyi ist tot. Er starb am 9. April 2021 im Alter von 90 Jahren in Köln, wo er seit 1957 als freischaffender Ingenieur tätig war. Geboren 1930 im ungarischen Gyula erhielt er seine Ausbildung an der Technischen Universität Budapest. Bekanntheit erlangte er vor allem durch seine Faltwerk- und Schalenkonstruktionen und seine Bogentragwerke. Polónyi betätigte sich außerdem als Autor und veröffentlichte neben Artikeln, Essays und Rezensionen auch theoretische Werke. Von 1965 bis 1972 unterrichtete er Tragwerkslehre an der TU Berlin, danach war er bis 1995 Professor an der Universität Dortmund. Ehrendoktorwürden verliehen ihm die TU Budapest, die Universität Kassel und die TU Berlin.
Polónyi zeichnet für die Tragwerksplanung einer ganzen Reihe prägender Bauten insbesondere der 1990er Jahre verantwortlich. Die Bundeskunsthalle in Bonn (1991) – die Architektur stammt von Gustav Peichl – ist ein strenger, einigermaßen hermetischer Baukubus und besitzt ein zweistöckiges Atrium mit 3.000 sowie eine große Ausstellungshalle mit 13.000 Quadratmetern. Sie glänzt nicht zuletzt durch ihr begehbares, begrüntes Dach (wie bei dieser Ausstellung gut zu sehen). Für die direkt gegenüberliegende Kunsthalle Bonn (1992), von Axel Schultes mit der Hauptfassade als offenem Stützenwald und dem frei fließenden Raumkonzept in gewisser Weise als architektonische Antithese zur Bundeskunsthalle konzipiert, übernahm Polónyi ebenfalls die Tragwerksplanung.
Einen Höhepunkt seiner Bogentragwerke stellt die Glashalle der Messe Leipzig (1992) von Gerkan, Marg und Partner und Ian Ritchie dar. Die Stahlkonstruktion trägt 25.000 Quadratmeter Glas und überwölbt bei einer Höhe von 30 Metern stützenfrei die Fläche von 238 mal 80 Metern – was den Bau nicht nur sehr flexibel bespielbar, sondern auch zu Europas größter Vollglashalle macht. Verschiedentlich mit Joseph Paxtons Crystal Palace in London von 1851 verglichen, war die transluzente Erscheinung ein Ausrufezeichen für den traditionellen Messestandort Leipzig und stand wenige Jahre nach der Wende für Aufbruch. Im Gegensatz zu vielen funktional konzipierten Messehallen ist der Besuch der lichtdurchfluteten Röhre bis heute ein architektonischer Genuss.
Planungen übernahm Polónyi auch für die Europahalle der Messe Hannover (1991, Architektur Bertram Bühnemann), das Berliner Bundespräsidialamt, (1994, Architektur Gruber + Kleine-Kraneburg), die Brücken der BUGA Gelsenkirchen Nordsternpark (1996, Architektur Feldmeier + Wrede) und die Tiergartenbrücke Dessau (2001, Architektur kister scheithauer gross). Seine umfängliche Arbeit war zuletzt in zwei Ausstellungen in Dortmund und Berlin zu sehen.
Klaus Bollinger, der in den 1980er Jahren Assistent von Polónyi in Dortmund war und dessen Herangehensweise an Architektur und Ingenieurwesen weiterführt, würdigt ihn in einer von der Akademie der Künste veröffentlichten Stellungnahme: „Stefan Polónyi war Baumeister, Lehrmeister, Erfinder, Vordenker und Vorbild. Sein beispielhaftes Wirken in Wissenschaft, Lehre und Praxis hat das Selbstverständnis der Ingenieur*innen gestärkt und die konstruktive Zusammenarbeit von Architekt*innen und Ingenieur*innen nachhaltig gefördert. In der Akademie der Künste war Stefan Polónyi mit seinem Wissen, seiner Erfahrung und auch seiner kritischen Haltung ein geschätzter Diskussionspartner. Wir werden ihn vermissen.“ (stu)
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St. Suitbert, Essen, 1964/65, Architekt: Josef Lehmbrock, Baustellenfoto
Stefan Polóny (1930–2021)
Belastungsnachweis für das Trapezdach, Nederlands Dans Theater, 1985, Architekt: Rem Koolhaas Office for Metropolitan Architecture
Tragwerksplanung für die Messe Leipzig (1992) von Gerkan, Marg und Partner und Ian Ritchie. Hier im Bild die Glashalle. Foto: Blackerking / CC-BY-SA-3.0 / Wikimedia Commons
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