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21.03.2025
Aneignen, heimisch werden, Identität erzeugen
Zum Tod von Robert Kaltenbrunner
Von Harald Bodenschatz
Robert Kaltenbrunner! Am 21. Februar 2025, im Alter von 64 Jahren, musste er uns, seine Familie, seine Freunde, seine Arbeitskolleg*innen, seine Mitstreiter*innen für eine bessere Stadt, eine bessere Architektur, für immer verlassen. Unfassbar, völlig unerwartet.
Was bleibt, ist die Erinnerung an einen ganz besonderen Menschen: zupackend, schriftgewaltig, kritisch, aber immer konstruktiv und nie verletzend. Robert war Architekt und Stadtplaner, und er hatte klare Botschaften, die er vor allem über die großen Zeitungen vermittelte – weit über ein Fachpublikum hinaus. Robert studierte 1980–86 Architektur und Städtebau an der TU Berlin. Seine Promotion thematisierte den Städtebau in Shanghai, ja, auch dort war er zu Hause.
In den Jahren 1990–99 arbeitete Robert als Leiter der Projektgruppe für städtebauliche Großvorhaben in der Berliner Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr. Gut erinnere ich mich noch an ein solches Großvorhaben, das von Robert sorgfältig vorbereitet wurde: die Bauausstellung 1999 im Nordosten Berlins. Die Ausstellung sollte zeigen, wie suburbane Stadterweiterungen städtebaulich anspruchsvoll gestaltet werden können.
Die Überschrift seines Beitrags in der Dokumentation des ersten Werkberichts von 1998 war bezeichnend für seine Haltung: „Vision mit Bodenhaftung“. Das war die Leitlinie seines Schaffens. Die Bauausstellung 1999 war nicht unumstritten und voller Hürden. Der letzte Satz seines Beitrags brachte das wunderbar auf den Punkt: „Indes, was kann man unter heutigen Bedingungen mehr erwarten, als offen zu sein für die Zukunft?“ Das Musterbauvorhaben wurde schließlich aufgrund des wohnungspolitischen Kurswechsels des Landes Berlin nicht realisiert und ist heute, wie so vieles in Berlin aus dieser Zeit, vollständig in Vergessenheit geraten.
Im Jahr 2000 wechselte Robert in das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung BBR und leitete dort die Abteilung Bau- und Wohnungswesen. In dieser Funktion, wie es so schön in einer Erklärung des Bundesinstituts heißt, formulierte er „die drängenden Fragen stets am Puls der Zeit“. Zuletzt war er stellvertretender Leiter des heutigen Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR.
Unsere Bekanntschaft ging weit in die 1990er Jahre zurück und vertiefte sich im Rahmen unserer gemeinsamen Tätigkeit im Verein Forum Stadt, einem Netzwerk historischer Städte. Dort bereicherte Robert seit 2008 das wissenschaftliche Kuratorium durch seine politisch-praktische Expertise, die sich immer wieder inspirierend von den Beiträgen der dort sonst vertretenen Hochschullehrer abhob. Wichtigstes Tätigkeitsfeld des Vereins Forum Stadt war (und ist) die Durchführung von Tagungen zu Themen, die kleine und mittlere Städte mit bedeutender Altbausubstanz betreffen. Hier war seine Erfahrung als wissenschaftlich geschulter Praktiker von großer Bedeutung, er schlug Themen vor, aber auch Vortragende und kümmerte sich um Organisation wie Finanzen. Und er war ein gerne gelesener Autor der gleichnamigen Zeitschrift des Vereins, der letzten wirklich interdisziplinären „Zeitschrift für Stadtgeschichte, Stadtsoziologie, Denkmalpflege und Stadtentwicklung“, einer Zeitschrift, die sich nicht nur an ein Universitätspublikum richtet, sondern vor allem auch an die kommunalen Praktiker.
Einer seiner vielen Artikel dort widmete sich der Schönheit der Städte, einem Thema, das Robert sehr wichtig war. 2011 fasste Robert seine Botschaft mit folgenden Worten zusammen: „Was also hat es mit der ‚schönen Stadt‘ auf sich? Als Ziel kann man sie gar nicht in Abrede stellen. Städtebau aber darf nicht zur (reinen) Symbolpolitik werden, darf sich nicht in ‚Embellissement‘ erschöpfen, darf nicht bloß eine Ästhetik des Stadterlebnisses beabsichtigen. Aneignen, heimisch werden, Identität erzeugen: Das sind Desiderate, auf die eine zeitgemäße Stadtentwicklung sich qualitativ einlassen muss …“ Eine Aufforderung an uns alle!
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