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03.04.2024

Sozialer Raum zwischen Betonscheiben

Zum Tod von Richard Serra


Am 26. März starb der US-amerikanische Bildhauer Richard Serra in New York. Bekannt wurde der 1938 geborene Serra durch seine großformatigen Skulpturen aus Corten-Stahl im öffentlichen Raum. Unser Autor erinnert an ein wenig bekanntes Projekt Serras in Barcelona. Auf der Plaça de la Palmera ging es nicht um die Erhabenheit riesiger Stahlplatten. Vielmehr wurde in einem sozial schwierigen Wohnviertel ein öffentlicher Raum geschaffen, bei dem aus Kostengründen nur Beton verwendet werden konnte.

Von Klaus Englert

Narcís Serra, erster demokratisch gewählter Bürgermeister Barcelonas, erzählte einmal, dass er Anfang der 1980er Jahre nach New York reiste, um dort den Galeristen Joseph Hellman nach einem geeigneten amerikanischen Bildhauer zu fragen, der bereit sei, sich an einer Platzgestaltung in Barcelona zu beteiligen. Das Problem sei allerdings, dass man dem Künstler allenfalls ein symbolisches Honorar zahlen könne, abgezweigt von einem Budget, mit dem man eigentlich die scheußlichen Überbleibsel aus der ungeliebten Franco-Zeit beseitigen müsse.

Der symbolische Lohn bestehe darin, aktiv am Aufbau eines demokratischen Spaniens beteiligt gewesen zu sein. Später habe ihn der katalanische Bildhauer Xavier Corberó während einer nächtlichen Taxifahrt durch die Stadt begleitet und ihm eine Stahlskulptur am Straßenrand gezeigt. „Die Skulptur“, bekannte der Bürgermeister, „hat mich total fasziniert und als ich nach dem Namen des Künstlers fragte, erzählte man mir von Serra – Richard Serra.“ Hellman fand die Idee, den Künstler zu engagieren, etwas „romantisch“ und das Honorar von 20.000 Dollar reichlich unrealistisch.

Monate später, als Richard Serra Barcelona besuchte, war er von dem Platz begeistert, obwohl er keine Ahnung hatte, was er damit anstellen sollte. Schließlich dachte er an eine Stahlskulptur. „Aber die Stadtverwaltung hatte nicht genug Geld, deswegen musste Serra das Werk ausnahmsweise aus Beton herstellen“, wandte Barcelonas Bürgermeister ein. Und warum sagte der berühmte Richard Serra zu? „Es gab viele Gründe, doch einer lag in unserer Namensgleichheit“, meinte der sozialistische Politiker später.

Und so kam es dazu, dass die Stadtarchitekten Pedro Barragan, Bernardo de Sola, Lluis Mestre und Pere Casajoana zusammen mit dem berühmten amerikanischen Bildhauer in einer gesichtslosen Stadtlandschaft die Plaça de la Palmera gestalteten, in deren Mitte Serras Arbeit „El Mur“ steht. Später kamen eine öffentliche Schule und ein Seniorenheim hinzu.

Zentraler Bezugspunkt der neuen Anlage ist die eine große, namensgebende Palme, die bereits einige Generationen an dem Ort überdauerte. Heute steht sie an der Schnittstelle zweier konzentrischer Wandscheiben, die Serra von beiden Seiten des Platzes aus parallel in die Mitte zulaufen ließ. Die beiden Betonbögen mit einer Höhe von jeweils drei und einer Länge von 52 Metern ergaben eine klare Strukturierung des Platzes, die sich die Architekten wiederum für die kompositorische Aufteilung zunutze machten. Sie gliederten das Gelände in Campo und Bosco: Eine Spielfläche aus Sand, an deren Seite ein schlanker Beleuchtungsturm emporragt; und einen Park, der mit Baumreihen bepflanzt und Pflastersteinen ausgestattet wurde. In die Parkmitte wurde zudem ein Musikpavillon platziert.

Anfangs waren die Anwohner*innen mit der Platzgestaltung wenig zufrieden. Eines Tages konnten nur vereinte Polizeikräfte verhindern, dass sie Serras Betonscheiben niederrissen. Sogar der kommunistische Abgeordnete, Verfassungsrechtler und spätere Kulturminister Jordi Solé Tura, der seinerzeit für den Bürgermeisterposten kandidierte, versprach den Wählern, sich als gewählter Bürgermeister für den Abriss der Skulptur einzusetzen. Zum Glück kam es dazu nicht. Nach einer Phase der Verwahrlosung ist die Plaça de la Palmera heute beliebter denn je.

Dieser Text erschein ursprünglich in Klaus Englerts „Architekturführer Barcelona“, der 2018 im Beliner Verlag DOM Publishers erschienen ist. Das 560 Seiten umfassende Buch kostet 48 Euro.


Zum Thema:

Über sozial engagierten Wohnungsbau an den Rändern Barcelonas hat Klaus Englert vor zwei Jahren in Baunetzwoche#598 berichtet.


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