Von Friederike Meyer
Pendelexistentialist, Brückenbauer, Asket – die Zuschreibungen der Nachrufe auf den am 5. Februar im Alter von 86 Jahren verstorbenen Architekten Peter Kulka sind so divers wie sein Werk, das er in Deutschland hinterlassen hat. Es reicht von einer Universität über Klöster, Stadionentwürfe und eine Feuerwache bis zum Landesparlament. In Erinnerung bleiben wird Peter Kulka darüber hinaus auch als charismatischer Mensch, der mit großer Leidenschaft für die Architektur und die Urteilsfähigkeit der Fachleute stritt, energisch schimpfen konnte und seine Gegenüber immer wieder wortgewaltig herausforderte.
Als ich Peter Kulka Anfang der Neunziger Jahre zum ersten Mal live erlebte, sprach er in Dresden über seinen Entwurf für den Sächsischen Landtag. Dem damals ersten Neubau eines Parlamentes in den neuen Bundesländern hatte er eine Transparenz verliehen, die es mit Günter Behnischs Plenarsaal in Bonn aufnehmen konnte. Seinem Publikum vermittelte er die moderne Formensprache so überzeugend, als würde er, der aus dem Westen heimgekehrte Architekt, die einst kriegszerstörte Barockstadt höchstpersönlich in eine neue Zeit führen wollen.
In Dresden wurde Peter Kulka 1937 als Sohn eines Architekten geboren. Nach einer Maurerlehre studierte er Architektur in Berlin-Weißensee bei Selman Selmanagić, arbeitete bei Hermann Henselmann an der Bauakademie in Ost-Berlin und floh 1965 in den Westen, um kurz darauf, jenseits der Mauer, bei Hans Scharoun anzufangen und ab 1969 als selbständiger Architekt zu arbeiten. Er war Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste, der Berliner Akademie der Künste und der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und Künste.
Mit dem Entwurf für die Universität in Bielefeld in der Büropartnerschaft Herzog, Köpke, Kulka, Töpper und Siepmann (1970–1979) betrat Kulka die architektonische Landkarte. In den 1980er Jahren arbeitete er mit Hans Schilling, dessen Kölner Büro er später übernahm. Ab 1986 leitete er das Lehrgebiet konstruktives Entwerfen an der RWTH Aachen. Nach dem Wettbewerbsgewinn für den Sächsischen Landtag 1992 gründete er ein zweites Büro in Dresden und gab seine Professur auf. Eine gute Lehre und das gleichzeitige Bauen am anderen Ende von Deutschland schien für ihn nicht vereinbar.
Wie ein Schauspieler konnte Peter Kulka Gedankenbilder formulieren und dabei die Stimme variieren, wie ein Priester Weisheiten in den Raum stellen, wie ein Krieger die Architektur gegen vermeintlich billige Argumente verteidigen. Auch den Dialog, das erlebte ich in einer Jurysitzung, der er vorsaß, beherrschte er virtuos, setzte ihn kreativ und bisweilen auch manipulativ ein. Immer wieder nutzte er öffentliche Veranstaltungen, um für seine Entwürfe zu werben, wohlwissend um die Wirkung seiner Auftritte.
Er sah sich als Schüler der Moderne, baute mit einer kantigen, oft kargen, minimalistischen Formensprache. Dennoch sind seine Bauten vor allem dort am stärksten, wo sie sich am älteren Bestand reiben können. Besonders deutlich wird das an der Herfurthschen Villa in Leipzig, die er um einen Anbau für die Galerie für Zeitgenössische Kunst ergänzte. Aber auch in Dresden, wo er dem kleinen Schlosshof ein luftgefülltes Membrandach aufsetzte und das Deutsche Hygiene-Museum erweiterte.
Zeit seines Lebens, so wird in seinen eigenen Erzählungen und nicht zuletzt in denen seiner Wegbegleiter deutlich, hat sich Kulka an den Umständen und Menschen gerieben: als Architekt an den Bauherren, als Bürogründer an den Mitarbeitern, als Ostdeutscher an den DDR-Strukturen, als schwuler Mann an der Gesellschaft. Gut vorstellbar, dass er daraus immer wieder Kraft und Kreativität schöpfte.
So nahm er sich auch heiklen Bauaufgaben wie dem EL-DE-Haus in Köln an, das er zum NS-Dokumentationszentrum der Stadt umbaute, oder der Gestaltung des Brandenburger Landtags hinter der umstrittenen, wiederaufgebauten historischen Fassade. Sein eigenes Wohnhaus setzte er kantig, fast trotzig zwischen die Gründerzeitfassaden der Dresdner Friedrichstadt.
Dort wohnte er nach der Schließung des Kölner Büros, aus dem er jahrelang in die Heimatstadt gependelt war, seit zwei Jahren dauerhaft – und war auch im hohen Alter weiter aktiv. Ende Juni 2023 erst stellte er im Plenarsaal in Dresden seine Pläne für die Erweiterung des Sächsischen Landtags vor. Drei Tage vor seinem Tod, erzählt seine Adoptivtochter Katrin Leers-Kulka, sei er noch im Büro gewesen. Die Architektin und langjährige Büropartnerin wird das Büro Peter Kulka Architektur nun fortführen.
[Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es: „Dort wohnte er nach der Schließung des Kölner Büros, aus dem er jahrelang in die Heimatstadt gependelt war, seit drei Jahren – und war auch im hohen Alter weiter aktiv.“ Diese Angabe wurde präzisiert.]
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Hartmut Göhler | 18.02.2024 17:32 UhrWege ins Offene!
So der Titel eines treffenden Textes von Werner Strodthoff über Peter Kulka 1996. Diese Offenheit ist es, die Kulkas Werk und dessen enorme architektonische Vielfalt auszeichnet. In Schinkels Worten: "Überall ist man nur da wahrhaft lebendig, wo man Neues schafft (!)." (in "Gedanken und Bemerkungen über Kunst"). Das ist Peter Kulka gelungen.