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25.05.2021

Brutalist mit Gemeinsinn

Zum Tod von Paulo Mendes da Rocha


„In einer Stadt sollte niemals etwas abgerissen werden, denn alles lässt sich wiederverwenden und transformieren“, führte der brasilianische Architekt Paulo Mendes da Rocha 2010 in einem Interview mit dem Instituto de Arquitectos do Brasil aus, das unten zu sehen ist. Höchst unterhaltsam skizziert er darin am Beispiel einiger seiner bedeutendsten Werke seine Sicht auf Städtebau und Architektur. Er plädiert für eine Haltung, die Architektur nicht nur als vertraglich geregelten Auftrag versteht, der mittels rein technischer Problemlösung erledigt werden muss. Sondern die sie von ihrem Möglichkeitshorizont her denkt: als das, was man tun kann, als Reflexion, die nie aufhört.

Die Gestaltung von Gemeinschaft, von demokratischen und öffentlich zugänglichen Räumen stand ebenso im Fokus von da Rochas Schaffen wie eine das Alltagsleben verbessernde Gebrauchsarchitektur und der ressourcenschonende Umgang mit dem Bestand. Exemplarisch für seinen Ansatz, Vorhandenes sinn- und verantwortungsvoll umzunutzen, ist wohl insbesondere das Kulturzentrum SESC 24 de Maio, das 2017 in der Struktur eines ehemaligen Möbelkaufhauses entstand und nun inmitten der dichten Innenstadt von São Paulo einen großzügig dimensionierten Ort für Kultur und Erholung bietet.

Auch wenn der 1928 in Vitória im brasilianischen Bundesstaat Espíritu Santo geborene da Rocha die meisten seiner Bauten in seinem Heimatland realisierte und dabei vor allem São Paulo mitprägte – die Stadt, in der er lebte –, wurde er mit vielen internationalen Anerkennungen bedacht. So erhielt er unter anderem 2006 den renommierten Pritzker-Preis, und 2016 folgten mit dem Goldenen Löwen der Architekturbiennale in Venedig und dem Praemium Imperiale gleich zwei wichtige Auszeichnungen für sein Lebenswerk innerhalb eines Jahres. Immer wieder fiel dabei der Begriff des „sanften Brutalisten“, dessen karge und geometrisch-komplexe Bauten aus rohem Beton eine expressive, skulpturale Qualität entfalten.

Begonnen hatte da Rocha seine Karriere in den 1950er Jahren mit einer Halle für den Sportclub Atlético Paulistano in São Paulo. Es folgten verschiedenste Typologien, vom Museum (Museu Brasileiro da Escultura, São Paulo 1988) über Verwaltungsgebäude (Poupatempo, São Paulo 1998) bis hin zu Wohnhäusern. Wie Oskar Niemeyer und Lina Bo Bardi war auch da Rocha ein wichtiger Protagonist der brasilianischen Moderne mit Vorbildcharakter für die nachfolgenden Architektengenerationen Lateinamerikas.

Das mag auch am gesellschaftspolitischen Anspruch liegen, den er stets mit seiner Arbeit verband. „Die Revolution muss nach und nach durch die sozialen Beziehungen stattfinden“, sagt er an einer Stelle im erwähnten Interview und verwehrt sich gegen jede weitere Förderung eines maßlosen Konsums. Den Ökonomen, die noch immer meinen, Wirtschaft sei wie Fahrradfahren, man müsse also stets in die Pedale treten, um voranzukommen, antwortet er mit einer schlichten Botschaft: „Wenn Sie bergab fahren, seien Sie vorsichtig, denn Sie werden stürzen.“ Am Pfingstsonntag ist Paulo Mendes da Rocha im Alter von 92 Jahren in einem Krankenhaus in São Paulo an Lungenkrebs gestorben. (da)


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Paulo Mendes da Rocha 1928–2021

Paulo Mendes da Rocha 1928–2021

Estádio Serra Dourada in Goiânia (1975), Foto: JorgeBrazil / Wikimedia / CC BY 2.0

Estádio Serra Dourada in Goiânia (1975), Foto: JorgeBrazil / Wikimedia / CC BY 2.0

Museu Brasileiro de Escultura (MuBE) in São Paulo (1988), Foto: Ghiraldini / Wikimedia / CC BY-SA 4.0

Museu Brasileiro de Escultura (MuBE) in São Paulo (1988), Foto: Ghiraldini / Wikimedia / CC BY-SA 4.0

Museu Brasileiro de Escultura (MuBE) in São Paulo (1988), Foto: Ghiraldini / Wikimedia / CC BY-SA 4.0

Museu Brasileiro de Escultura (MuBE) in São Paulo (1988), Foto: Ghiraldini / Wikimedia / CC BY-SA 4.0

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