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02.06.2023

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Impresario der Postmoderne

Zum Tod von Paolo Portoghesi


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Von Silvia Micheli und Léa-Catherine Szacka

Vergangenen Dienstag, am 30. Mai 2023 verstarb der Architekt, Designer, Historiker, Schriftsteller, Pädagoge, politische Akteur, Kurator und Kommunikator Paolo Portoghesi in seinem Haus in Calcata im Treja-Tal nahe Rom. Der Vordenker postmoderner Architektur wurde 91 Jahre alt.

Portoghesi verbrachte sein Leben in ständiger Bewegung und wechselte auf selbstverständliche Weise zwischen verschiedenen Aufgaben und Schauplätzen. Er wurde oft als elegant, höflich und diskret beschrieben und hatte den Ruf, ein hervorragender Verhandlungspartner zu sein, der selbst gegensätzliche Ansichten unter einen Hut bringen konnte. So verknüpfte er beispielsweise bei seinem ersten, 1961 fertiggestellten Haus, der Casa Baldi, Historisches mit Design. Auch schlug er Brücken zwischen Studierenden und Mitarbeiter*innen, als er in den späten 1960er Jahren zum Dekan der Fakultät für Architektur am Polytechnikum in Mailand ernannt wurde. Und er manövrierte zwischen Medien und Politik, als er in den 1970er und 1980er Jahren Mitglied der Italienischen Sozialistischen Partei (PSI) war. Schließlich vermittelte er zwischen Ost und West, als er 1982 die zweite Architekturbiennale in Venedig konzipierte, die der islamischen Kultur gewidmet war.

Portoghesi war sowohl ein akribischer Historiker wie auch ein umtriebiger Architekt. In den 1970er und 1980er Jahren galt seine dynamische Arbeitsweise als ungewöhnlich – weit entfernt vom stereotypen Bild des Architekten, der am Zeichentisch klebt, oder des Historikers, der sich in seinem Arbeitszimmer vergräbt und seltene Dokumente studiert. In diesem Umfeld wurde seine beispiellose interdisziplinäre Agilität mit Misstrauen bedacht, und sein Gespür für Medien schien geradezu verwerflich. Er begann im Alter von 15 Jahren mit Paolo Portoghesi di Francesco Borromini, einem handgefertigten Buch, das er in einer Auflage von fünf Exemplaren selbst publizierte. Später veröffentlichte er zahlreiche Bücher zu Themen, die von der Renaissance bis zur Gegenwart reichen, darunter Guarino Guarini: 1624–1683 (1956), Borromini nella cultura europea (1964), Roma Barocca (1966), Le inibizioni dell'architettura moderna (1974), Dopo l'architettura moderna (1980) sowie zur Postmoderne: l'architettura nella società post-industriale (1982). Außerdem gründete und leitete er bedeutende Architekturzeitschriften, wie Controspazio oder Eupalino. Zum Zeitpunkt seines Todes arbeitete Portoghesi an einem Buch über das Thema Schönheit, das ihn während seiner gesamten Laufbahn und seines Lebens immer wieder beschäftigte.

Portoghesi baute in ganz Italien und darüber hinaus. Nach der Fertigstellung seines ersten Hauses in Rom, das ihm internationale Beachtung verschaffte, auch weil es die Aufmerksamkeit des Historikers Charles Jencks auf sich zog, schloss er sich mit dem Ingenieur Vittorio Gigliotti zusammen. Gemeinsam realisierten sie bedeutende Projekte der italienischen Postmoderne wie die Casa Andreis (1969–74), die Kirche Sacra Famiglia in Salerno (1969–74), die Casa Papanice (1969–70) sowie ihr Meisterwerk: die Moschee in Rom (1975–1995). Wohl auch als Ergebnis einer heiklen politischen und diplomatischen Beziehung zwischen Italien und dem Nahen Osten zur Zeit der Ölkrise verschaffte letztere Rom als Zentrum der katholischen Kirche den ersten islamischen Sakralbau.

Als erster leitender Kurator der Architekturbiennale von Venedig im Jahr 1980 stand er der Institution von 1983 bis 1992 als Präsident vor. In dieser Position lenkte er zahlreiche große Projekte der italienischen Postmoderne, darunter das von seinem Freund, dem Architekten Aldo Rossi, entworfene Teatro del Mondo (1979–1980) und die berühmte Strada Novissima (1980).

Nach 1992 zogen Portoghesi und seine Frau Giovanna Massobrio nach Calcata, wo sie ihr Haus und ihr Atelier kontinuierlich als Experimentierfeld für Entwurf und Gestaltung etablierten. Etwa zur gleichen Zeit wandte sich der Architekt den Themen Umwelt und Nachhaltigkeit zu. Er wurde zum Verfechter dessen, was er in Anlehnung an Le Corbusier als „geoarchitettura“ (Geo-Architektur) bezeichnete, die auf der Beziehung zwischen Natur und Architektur sowie auf dem Verantwortungsbewusstsein und der Pflicht zur Achtung des Bodens beruht. Der Geo-Architektur zufolge können Gefahren künftiger technologischer Entwicklungen nicht bekämpft werden, wenn nicht auf globaler Ebene gehandelt wird. Portoghesis zukunftsweisende Rückbesinnung auf die Natur – geradezu prophetisch im Hinblick auf die jüngsten Maßnahmen zur Abschwächung des Klimawandels – war unter veränderten Prämissen die Fortsetzung seiner postmodernen Arbeitsweise und Forschungsarbeit. In seinem Buch Natura e Architettura (1999) betrachtet er die Natur als Präzedenzfall für die Architektur und verwendet die Technik der Überblendung, um natürliche Formen mit architektonischen Formen zu vergleichen. Mit dem Konzept der Natur als Architektur der Vergangenheit soll die zeitliche Kontinuität aufgezeigt und die Idee vermittelt werden, dass jede Architektur auf ein oder mehrere Vorbilder zurückgeht.

Obwohl Portoghesi zuweilen Kontroversen auslöste – vor allem in seinem Herkunftsland Italien – hinterlässt er eine schwer zu füllende Lücke. Seine unvergleichliche Fähigkeit zuzuhören, seine unermüdliche Neugier auf das „Andere“, sein Streben nach intellektueller Freiheit, aber auch sein inklusives Denken, seine kulturelle Ökumene und sein Staunen über die Schönheit – all das sind Eigenschaften, die für den Fortschritt der zeitgenössischen Architektur und der Kultur insgesamt noch immer entscheidend sind.


Zum Thema:

Silvia Micheli und Léa-Catherine Szacka sind die Herausgeberinnen des Buches Paolo Portoghesi. Architecture between History, Politics and Media, das im Herbst dieses Jahres bei Bloomsbury erscheint.


 
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Paolo Portoghesi (1931–2023) in seinem Haus in Calcata im Jahr 2022

Paolo Portoghesi (1931–2023) in seinem Haus in Calcata im Jahr 2022

Portoghesis Haus in Calcata, Foto von 2022

Portoghesis Haus in Calcata, Foto von 2022

Casa Baldi in Rom (1961), Foto von 2022

Casa Baldi in Rom (1961), Foto von 2022


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