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19.09.2019

Großvater des Blob

Zum Tod von Luigi Colani


Am 16. September ist der Design-Vorreiter Luigi Colani im Alter von 91 Jahren in Karlsruhe verstorben. In einem Interview aus dem Jahr 2014, das wir aus aktuellem Anlass erneut veröffentlichen, spricht der Großvater des Blob über vernachlässigte Grundformen, Design in Deutschland und Angela Merkel – und spart dabei nicht an Kraftausdrücken.

Von Norman Kietzmann


Herr Colani, Sie sind 1997 nach China gezogen und bekleiden dort gleich mehrere Professuren. Welche Projekte konnten Sie im Reich der Mitte realisieren?
Ich baue dort Schnellzüge, Schiffe, Flugzeuge, Privatflugzeuge, alles mögliche. Vor vielen Jahren kam ich erst nach Japan und habe Kameras für Canon und Sony entworfen, die heute alle im MoMA stehen. Das haben die Chinesen gesehen. Und als sie sich langsam in der Technologie nach oben gearbeitet haben, war es eine logische Folgerung, mich einzuladen. Da drüben geht nämlich die Sau ab. In Deutschland nicht mehr. Da wird gebremst. Mit dem, was die Chinesen an Design machen, kann Deutschland nicht mehr mithalten.

Warum?
Weil sich Deutschland abgeschaltet hat. Schaut Euch doch die Merkel an, die das Geld der Arbeiter den verlogenen und verbrecherischen Banken hinschmeißt. Die Straßen in Deutschland sind im Arsch, die mal die besten der Welt waren. Und hier ist Altersarmut aufgekommen. Wo seid Ihr hingekommen unter dieser Witzfigur als Kanzlerin? Ihr lasst Euch von dieser Schlange hypnotisieren! Das ganze Ausland lacht sich einen Pickel an den Kopf, was in diesem Land passiert. 

Hat Ihre Einschätzung vielleicht auch damit etwas zu tun, dass Sie in Deutschland mit ihren Entwürfen tatsächlich häufig auf Granit gebissen haben?
Es ist doch komisch, dass ich in meinem eigenen Land keinen Fuß auf den Boden bekomme und überall sonst auf der Welt eine Super-Top-Figur bin (lacht). Die deutsche Technologie ist noch immer an der Spitzenposition der Welt. Das deutsche Design war es nie richtig. Da sind wir immer hinterhergehinkt. Seht Euch die Waschbecken und die Klos an, die hier gemacht werden: Da bekommt man ja einen Schreck! Wie kann ein Idiot etwas eckig machen, wo ein runder Arsch drauf kommt! Seitdem die Nazis das Bauhaus kaputt gemacht haben, hat das deutsche Design in der Welt überhaupt keinen Rang mehr. Das Ur-Bauhaus in Weimar kannte nicht nur das Quadrat, sondern ebenso das Dreieck und den Kreis – und zwar in leuchtenden Farben! Die deutschen Nachkriegsdesigner haben nur ein Drittel des Bauhaus-Nachlasses übernommen: das Quadrat. Und diese Vollidioten wagen auch heute noch zu sagen, dass wäre fortschrittliches Design. 

Bereits in den 50er Jahren sind Sie mit Ihren organischen Entwürfen in Opposition zur Ulmer Schule gegangen. Haben Sie mit deren Designern eigentlich mal gesprochen?
Ich spreche doch mit den Ulmern nicht! Ich spreche mit meinem Hausmeister, mit meinen Azubis. Doch mit den Ulmern nicht! Das sind Verbrecher am deutschen Geistestum der zwanziger und dreißiger Jahre! Gehirnlose Verbrecher. Meistens sind Verbrecher ja intelligente Typen. Denn dazu braucht man ein bisschen Grips. Aber das sind die Alles-Eckig-Macher! In der Zeitschrift form wurde vor vielen Jahren postuliert: Berufsverbot für Colani! Der Grund war, dass ich die ständig beleidigt habe. Dabei müsste man denen Berufsverbot erteilen. Also habe ich gesagt: Leckt mich doch! Ich gehe nach Asien!

Was hat Sie zur organischen Form geführt?
Ich beschäftige mich mit der dritten Dimension von Anfang an als Bildhauer. Mein erstes Studium war ja die Bildhauerei. Erst danach habe ich in Paris Aerodynamik und Ultraleichtbau studiert und wurde zum Flugzeugbauer. Die Bildhauerei hat auch in meine hochtechnologischen Überlegungen immer wieder Einzug gehalten. Denn jede Zeichnung und jedes Foto ist nur die Lüge eines Volumenproduktes. Nur die Skulptur, die dritte Dimension, ist echt. Ich habe dann später den Kontakt zum berühmten Unterwasser-Forscher Jacques-Yves Cousteau gesucht. Er hat mir die Maße von Mantarochen und Haifischen berechnet, aus denen ich dann Flugzeuge entwickelt habe. Die sind wie die Träume geflogen! Später haben die Amerikaner diese Entwürfe mit ihren Tarnkappenbombern kopiert, obwohl ich Jahre vorher damit draußen war. Die Formen, die die Natur im Laufe von Milliarden Jahren entwickelt und verbessert hat, sind unschlagbar. 

Weil sie den Schlüssel zur Effizienz bilden?
Absolut. Der Haifisch lebt seit 400 Millionen Jahren unverändert. Er muss also schon vor 400 Millionen Jahren den Grad einer aerodynamischen Perfektion erreicht haben, von denen unsere Idioten im Schiffsbau nie etwas begriffen haben. Die Muslimen sagen: Allah ist alles. Und sie haben recht damit. Doch die Techniker in unseren großen Konstruktionsbüros – und ich treibe mich nur mit solchen Leuten rum – sind vernagelt! Die arbeiten nur mit 30 Prozent. Die anderen 70 Prozent sind denen suspekt, weil sie zu dämlich sind, sie zu begreifen. Dabei ist die Natur die stärkste und tiefgründigste Forschungseinheit, die uns zur Verfügung steht.

Was sollten die Schiffsbauer Ihrer Meinung nach anders machen?
Vor ein paar Jahren habe ich einmal die schnellsten Container-Schiffe der Welt gebaut. Die hatten einen gebogenem Rumpf, der der Erdkrümmung nachging. Das waren zwar nur ein paar Zentimeter, doch der Effekt war enorm. Aufgrund dieser Konstruktion konnten wir die Rumpfwände bei gleicher Festigkeit um einen Zentimeter dünner machen. Die Schiffe waren damit nicht nur schneller als alle anderen, sondern haben auch deutlich weniger Treibstoff verbraucht. Aber das hat nicht gezogen. Wie alle meine Entwicklungen. Schon vor 40 Jahren habe ich Stromlinien-LKWs entwickelt, mit denen der Treibstoffverbrauch halbiert werden konnte. Doch weil ich Firmen wie Mercedes wegen ihrer rückständigen Formen immer wieder in den Arsch getreten habe, haben sie es sich zur Aufgabe gemacht, Colani in Deutschland unmöglich zu machen. Und dann bin ich auch gegangen. Gegen diese Masse der Gehirnlosen anzutreten, halte ich für völlig falsch. 

Dennoch haben Sie im vergangenen Herbst (2013) wieder ein Projekt in Deutschland realisiert: Einen 3D-Drucker für Pearl. 
Als der Chef von diesem Haus mit seinem 3D-Drucker schwanger ging, hat er mich in China angerufen. Schließlich bin ich ja seit 50 Jahren der Papst des 3D. Ich meinte dann: „Das gibt’s ja nicht. Ihr druckt 3D. Ich komme sofort!“ Also schaute ich mir das Gerät erst einmal an, das sie entwickelt hatten. Ein fürchterlicher Kasten. Auf meinem Küchentisch habe ich mit der Flex die äußere Hülle weggeschnitten, bis nur noch die reine Technik übrig blieb. Mit Karton, Spachtel und Gips habe ich dann eine neue Form gebaut, die plus minus ein paar Millimeter genauso aussah wie das fertige Produkt. Dieses Modell habe ich einer großen Automobilfirma gegeben, die große Bauteile wie Kotflügel digitalisiert und ausdruckt. Die haben das Ding dann abgenommen, genauestens vermessen, ausgedruckt und lackiert. In 45 Tagen habe ich das Produkt mit meinen Händen ganz alleine zusammengenagelt. 

Die digitale Form ist also handwerklichen Ursprungs?
Die kann auch nur von Hand geformt sein! Was menschliches Hirn und Hand zusammen leisten, kann ein Computer nicht. Ein Computer kann eine Form zwar generieren und fräsen. Doch wenn man sie dann in den Händen hält, muss alles wieder geändert werden. An meinen Arbeiten wird überhaupt nichts mehr geändert. Ein Computer ist uns gegenüber leicht dümmlich. Der ist nicht kreativ! Der sieht nur so aus!

Auch im Alter von 85 Jahren (2014) bleiben Sie weiterhin rastlos. Wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?
Ich fliege jetzt gleich weiter nach Korea und führe dort Gespräche mit der Regierung. Sie wollen Colani mit einem eigenem Thinktank verewigen. Vor ein paar Wochen bin ich nach Mailand eingeladen worden von den Männern, die den Nachlass von Leonardo da Vinci verwalten. Sie haben gesagt: „Nach jahrelanger Überlegung sind wir bereit, dich als Homo Universalis als Nachfolger von da Vinci einzuführen.“ Ich mache ja viele Dinge kreuz und quer, von der Damenunterwäsche bis zum Überschallflugzeug. Dann habe ich gesagt: „Leute, das ist eine viel zu große Ehre. Aber wartet noch. Im Moment bin ich in China so verhaftet, dass ich für Europa keine Zeit habe.“ Erst als ich anfing, für Pearl zu arbeiten, habe ich überlegt, ob ich nicht vielleicht doch nachgebe und etwas in Italien mache. 

Wie es heißt, haben Sie in Mailand schon einen Standort gefunden. 
Ich habe dort erst einmal eine Wohnung genommen. Dort stehen für 50 Millionen Euro Colani-Container mit meinem Privatbesitz, weil wir in Venedig eine große Ausstellung vorbereiten. Man hat mir sogar angeboten, sie definitiv dort zu lassen. Aber das weiß ich noch gar nicht. Hier in Europa verschwindet vieles unter einer dümmlichen Designdiskussion, während das in anderen Ländern sofort als Anregung genommen wird. Ich mache jetzt, quasi als Hilfestellung für Deutschland, ein German Innovation Center in China auf, um deutsche Industrien wieder mit Aufträgen zu versehen. Ich möchte helfen, damit diese Merkel-Verblutung hier langsam vorübergeht.

Das Interview erschien zuerst im DEAR Magazin, jetzt baunetz i|d.


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