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19.11.2019

Wohldosierte Ironie

Zum Tod von Gustav Peichl


Mit dem Architekten und Karikaturisten Gustav Peichl ist eine der prägendsten Persönlichkeiten der österreichischen Nachkriegsarchitektur gestorben. Auch seine Bauten in Deutschland zeugen bis heute von augenzwinkernder Leichtigkeit, die nie ins Alberne kippte.

Von Maik Novotny
 
Die Ironie hat in der Architektur keinen guten Ruf. Man schien in der Postmoderne eine Überdosis abbekommen zu haben und möchte seitdem ungern von Gebäuden angezwinkert werden. Doch Ironie ist immer eine Frage der Dosis. „Architektur muss humorvoll sein“, betonte der österreichische Architekt Gustav Peichl, der am 17. November im Alter von 91 Jahren gestorben ist. Peichl, der als Karikaturist „Ironimus“ in 12.000 Zeichnungen Politik und Gesellschaft skizzierte, verlieh auch der Architektur ein freundliches, listiges Gesicht. Doch es wäre zu simpel, ihm eine karikaturenhafte Architektur zu unterstellen. Die meisten seiner rund 30 realisierten Bauten bringen die Seriosität leicht ins Kippen, ohne sie ins Alberne kippen zu lassen.
 
Geboren 1928 in Wien, studierte Peichl bei Clemens Holzmeister an der Akademie der bildenden Künste, wo er später von 1973 bis 1996 als Professor wirken sollte. Er arbeitete bei Roland Rainer und machte sich 1955 selbständig. Bald wurde er zu einer der prägendsten Persönlichkeiten der österreichischen Nachkriegsarchitektur, neben dem 2014 gestorbenen Hans Hollein und dem im Juni dieses Jahres verstorbenen Wilhelm Holzbauer.
 
Zu seinen bekanntesten und besten Werken zählen die ORF-Landesstudios, die er von 1969 bis 1982 realisierte, die Umsetzung einer föderalistischen Initiative des damaligen Generalintendanten. Peichl legte sie als modulares System an, jedoch nicht orthogonal, sondern radial. So waren sie sofort erkennbar und je nach Anforderung skalierbar. Ein gelungenes Beispiel gebauter Corporate Identity und ein Beweis, wie sorgfältig Peichl seine Entwürfe detaillierte – stets ausschließlich mit dem Bleistift. Dass ihre Form zur Titulierung mit Spitznamen („Peichl-Torten“) einlud, hat ihn gefreut.
 
Seine größten Kulturbauten realisierte er innerhalb weniger Jahre in Deutschland. Der Zubau zum Frankfurter Städelmuseum (1991) und die Bundeskunsthalle in Bonn (1992) mit ihren ikonenhaften Kegelhütchen zeigten eine heitere Freude am Gestalterischen, eine Leichtigkeit, die aufdringliche postmoderne Spielereien vermied. Freundlich auch die von ihm entworfene Kindertagesstätte des Bundestages in Berlin (1999), zu deren Einweihung Peichl anmerkte, er hoffe, der Bundeskanzler möge vom nahen Kanzleramt auf „unser kleines Kaschperltheater“ mit seinen Dreiecken und Kugeln blicken – zur Konsternation mancher preußisch-seriöser und klassisch-moderner Architekten. Das neue Hauptstadt-Berlin war schließlich der architektonisch unironischste Ort, den man sich vorstellen konnte.
 
Seine späteren Bauten in Wien zeugen von seiner etablierten Position, die ihm gute Aufträge verschaffte wie die Messehallen und der Millennium Tower (1999, mit Boris Podrecca und Rudolf Weber), der vor allem durch seine kreative Auslegung eines Wiener Ausnahmeparagrafen berühmt wurde, die ihm 62 zusätzliche Höhenmeter bescherte und zum damals höchsten Bürohaus der Stadt machte. Das Karikaturmuseum Krems mit seiner Zickzacksilhouette und seinem minimalistischen Clownsgesicht (2001) fusionierte schließlich seine zwei Passionen. Zu seinem 90. Geburtstag feierte ihn das Wiener MAK (Museum für Angewandte Kunst), das seinen zeichnerischen Nachlass verwaltet, mit einer Ausstellung. Jetzt ist Gustav Peichl nach kurzer Krankheit in seinem ersten Bauwerk – seinem eigenen Wohnhaus – gestorben.


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Porträt Gustav Peichl, 2017

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Seine runde Brille war sein Signe.

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Gustav Peichl lebte für die Karikatur, in Donald Duck sah er ein Vorbild.

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Gustav Peichls Leichtigkeit und Sinn für Humor waren seine Markenzeichen. Hier vor dem Karikaturmuseum in Krems, 2011

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