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12.06.2024
Eine Schublade voller Ideen
Zum Tod von Guobin Shen
Am 28. Mai 2024 starb Architekt Guobin Shen. Ein tragischer Kletterunfall riss ihn im Alter von nur 40 Jahren aus dem Leben seiner Familie und Freunde. Der Architektur wird ein talentierter Entwerfer fehlen, dessen vielversprechende Karriere viel zu kurz war. Das von ihm mitgegründete Atelier Kaiser Shen bereicherte uns zuletzt mit Konzepten, die aus der Verknüpfung unterschiedlicher kultureller Einflüsse und kluger Beobachtungen geboren wurden.
Shen wurde 1984 im chinesischen Zhejiang geboren. Mit 22 Jahren kam er für das Studium nach Stuttgart, wo er seinen späteren Büropartner und engsten Freund Florian Kaiser kennenlernte. Die kulturellen Unterschiede, schreibt Kaiser, waren für die beiden von Beginn an eine persönliche wie professionelle Bereicherung. Auf Reisen nach Italien, China oder Marokko entwickelten sie eine gemeinsame Perspektive auf die Architektur. „Wir reden immer zuerst über die Haltung und die Atmosphäre, bevor wir über konkrete Lösungsansätze sprechen“, sagte Shen einmal. Eine Herangehensweise, die beide Architekten auch in ihrer jeweiligen Zeit bei Herzog & de Meuron prägte. In den ersten Umsetzungen ihres 2017 in Stuttgart gegründeten Atelier Kaiser Shen lässt sich das mehr als nur erahnen.
Schon ihr erstes Projekt im Jahr 2018, ein Mikrohofhaus in Ludwigsburg zeigte, womit sich die Architekten inhaltlich beschäftigten. Sie übersetzten eine traditionelle Haustypologie aus Nordafrika oder China und schufen einen minimalen Wohnraum, der sich mit der Zeit und seinen Bewohner*innen verändern kann. Was in Ludwigsburg noch nach einem kleinen Experiment aussah, wurde mit dem Haus Hoinka 2023 in Pfaffenhofen bereits zu einem ernstzunehmenden Prototyp kleinmaßstäblicher Mehrfamilienhäuser. Neben der ökologischen Bauweise mit Holz, Lehm und Stroh sind es die flurfreien Grundrisse und das aufgeständerte Volumen, die Lust auf mehr solcher Projekte machen. Das Konzept der Architekten sieht vor, dass die Nutzer*innen im Eigenbau selbst entscheiden, was in den offen gelassenen Erdgeschossbereichen passieren soll.
Unfertige Häuser nannten die beiden Architekten ihre Publikation, in der sie den Wandel von Bauwerken im Laufe ihrer Lebensdauer als architektonisches Konzept untersuchten. Ein „unfertiges Werk“ bleibt nun das von Guobin Shen. Er hinterließ dem Büro eine prall gefüllte Schublade mit Entwurfsskizzen und Gedanken, wie Kaiser in seinem Nachruf schreibt. All diese Ideen sowie Shens Optimismus, „mit Architektur die Welt zu verbessern“, möchte sein Team nun weitertragen. (mh)
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Guobin Shen (1984–2024)
Haus Hoinka in Pfaffenhofen
Haus Hoinka in Pfaffenhofen
Mikrohofhaus in Ludwigsburg
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