Von Wolf dPrix
Günther Feuerstein hat sehr spät die öffentliche Wertschätzung als Lehrer, Architekt, Planer und Kritiker erfahren.
Günther war der beste Lehrer – nicht nur für meine Generation. Damals noch Assistent bei Karl Schwanzer (und immer im weißen Mantel) war er es, der fast im amerikanischen Stil die seiner Meinung nach begabtesten Studenten im „Club Seminar“ um sich versammelte. Und in Gesprächen, die weit über die technisierte Vorlesung von damals hinausgingen, erläuterte, dass Architektur mehr ist als der 7,50-Meter-Raster.
Ich werde die persönlichen Gespräche – damals noch Korrektur genannt – in seinem Assistentenzimmer nicht vergessen. Auch nicht, dass ich damals Carl Pruschas berühmte Bandstädte – Bänder von Infrastrukturen, die sich zwischen den Zentren der Städte über die Welt verbinden – kennenlernte.
Seine Kommentare zu unseren Projekten waren immer freundlich. Er konnte auch manchmal sehr resch sein, aber seine Anmerkung „ohne Modelle kein Gespräch“ hat in meinem Lehrstil und meiner Arbeit an Projekten bis heute Nachhall gefunden. Günther war so einflussreich, dass die verkniffenen Professoren der TU einen Anlass suchten, ihn loszuwerden. Den hatte er ihnen – man könnte aus jetzigen Blickpunkten sagen, er war naiv – gegeben, als der gefürchtete Wiener Aktionist Otto Mühl als Gast in einer seinen berühmten Vorlesungen war. Das war Anlass genug, ihm zu kündigen. Und die roten Schriften in den heiligen Hallen der TU „Wo ist Feuerstein?“ konnten ihn nicht zurückholen.
Dass jetzt der Hörsaal 14a in „Günther Feuerstein Saal“ benannt wurde, ist – wenn auch spät – eine Anerkennung seiner weltoffenen Lehre. Er war der Druide des Rituals und aus seinem „Zaubertrank-Kessel“ (die berühmten Vorlesungen im Hörsaal 14a) sind in den späten 1960er-Jahren Gruppen entstanden, die dann international in der Architekturszene mitgemischt haben und auch heute immer noch mitmischen. Haus-Rucker-Co jetzt Ortner & Ortner, CHBL, Zünd-Up, Salz der Erde und entfernt Missing Link wären ohne seine Lehre nicht möglich gewesen. Immer persönlich, immer emotional, doch nie unfair waren seine Bemerkungen zu den gezeigten Projekten – bis zuletzt. Noch 2014 zeigte Günther auf ein Detail in der Fassade unseres Konferenzzentrums in Dalian, nur um zu fragen: „Und was ist das?“
Am 4. Dezember ist Günther Feuerstein im Alter von 96 Jahren in seiner Geburtsstadt Wien gestorben. Er wird uns und Österreich fehlen.
Er bleibt unvergessen.
Dieser Text erschien ursprünglich auf der Webseite von Coop Himmelb(l)au. Wir haben ihn mit freundlicher Genehmigung des Autors übernommen.
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
1
Sebastian Illichmann | 17.12.2021 16:35 UhrFeuerstein
Danke für den Text! Ich durfte dann viel später (1990er Jahre) Günther Feuerstein als Lehrenden erfahren. Anscheinend ist er wieder an die TU zurückgekehrt. Ich habe ihn sehr geschätzt. Ein feiner Mensch. Danke!