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28.03.2019

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Poesie der Systematik

Zum Tod von Friedrich Achleitner


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Er war Literat und Architekt, seine Dialektgedichte verraten eine große Liebe zur österreichischen Kultur – und er gehörte zur Studentengeneration, die an der Wiener Akademie der bildenden Künste Anfang der 50er Jahre nichts Relevantes über Architekturgeschichte lernten. So gesehen wirkt es im Nachhinein fast logisch, dass Friedrich Achleitner Mitte der 60er Jahre begann, die österreichische Architektur des 20. Jahrhunderts systematisch zu erfassen und über sie zu schreiben. Sein größtes Vermächtnis ist ein Architekturführer. Der Titel ist unspektakulär, die Fotos sind nicht immer gut, doch das sechsbändige Werk „Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert“ (erschienen zwischen 1980 und 2010) dürfte auf ewig unerreicht bleiben.

45 Jahre lang war Achleitner im wahrsten Sinne des Wortes unterwegs. Er erlief sich (fast) ganz Österreich, begann einfach im Westen des Landes und arbeitete sich Stadt für Stadt und Straße für Straße vorwärts. Sein Werkzeug: ein geschultes Auge und ein Fotoapparat. Daheim archivierte er alles auf Karteikarten. 25.000 waren es am Schluss, dazu über 100.000 Fotos und Dias. Leider kam er nur bis Wien. Den letzten Band „Niederösterreich“ müssen andere machen, ließ Achleitner bereits vor Jahren wissen. Die „Architekturschreiberei“ sei ihm zu viel „Knochenarbeit“, das literarische Schreiben das eigentliche Vergnügen. Wer die großartigen und pointieten Analysen in „Österreichische Architektur“ liest, mag das gar nicht so recht glauben.

Achleitner wurde 1930 in einer oberösterreichischen Kleinstadt geboren, der Vater war Landwirt und Müller. 1953 machte er bei Clemens Holzmeister in Wien sein Diplom und begann als Architekt zu arbeiten. Doch bereits nach fünf Jahren hängte er den Beruf an den Nagel um Schriftsteller zu werden. Er zählte zum Kern der Wiener Gruppe, schrieb moderne Dialektgedichte und arbeitete an Konkreter Poesie. Ab 1961 war er als Architekturkritiker tätig und wurde zu einem frühen Kritiker des modernistischen Erneuerungswahns in den Altstädten. Von 1963 bis 1983 lehrte er Geschichte der Baukonstruktion an der Akademie der bildenden Künste in Wien, im Anschluss daran hatte er eine Professur an der Universität für angewandte Kunst. Seit seiner Emeritierung 1998 war er wieder verstärkt literarisch tätig. Gestern ist Friedrich Achleitner im Alter von 88 Jahren in Wien gestorben. (gh)


Zum Thema:

Achleitners Archiv liegt seit einigen Jahren im Architekturzentrum Wien Az W. Dietmar Steiner, ehemaliger Direktor des Az W, die TU Wien und das Az W arbeiten momentan gemeinsam an der Veröffentlichung des letzten Bandes von „Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert“.


Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

1

genova | 12.04.2019 21:57 Uhr

Traurig

Achleitner war für mich immer der andere, nicht der typische Architekt, sondern einer, der neugierig hinguckt und alles zu lesen weiß. Und diese Akribie.

 
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Friedrich Achleitner, 1930–2019

Friedrich Achleitner, 1930–2019

25.000 Karteikarten zu Bauten und Architekten umfasst Achleitners Archiv, das er in 45 Jahren Arbeit aufbaute.

25.000 Karteikarten zu Bauten und Architekten umfasst Achleitners Archiv, das er in 45 Jahren Arbeit aufbaute.

Ein Großteil des Archivs im AzW wurde bereits digitalisiert.

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