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02.09.2021

Fast ein Jahrhundert

Zum Tod von Ernst Otto Glasmeier


Von Alexandra Apfelbaum

Am 16. September wäre Ernst Otto Glasmeier 100 Jahre alt geworden, am 26. August 2021 ist er verstorben. Gelsenkirchen wäre heute anders, hätte er in dieser Stadt nicht über viele Jahrzehnte hinweg gewirkt. Und dies auf so vielen unterschiedlichen Ebenen: Als Architekt, als Stadtplaner, als Politiker, als engagierter Bürger, als Kunstsammler und Förderer. Er war das, was man heute als „Netzwerker“ bezeichnet. War er doch Teil jener avantgardistischen Gelsenkirchener Szene, zu der auch der damalige Bürgermeister Hubert Scharley, der Journalist Heiner Stachelhaus, die Kunstkritikerin Anneliese Knorr, der Kulturdezernent Hubert Lichte, der Architekt Werner Ruhnau und viele mehr zählten, und die mit Orten wie dem Pianohaus Kohl, der Künstlersiedlung Halfmannshof, dem Musiktheater und  privaten Ateliers und Galerien die Stadt an die internationale Kunstszene andockten.

Gemeinsam mit Werner Ruhnau zählte Ernst Otto Glasmeier zu denjenigen, die in ihrem architektonischen Schaffen von Beginn an eng mit der Kunst verwoben waren und Wert auf die tatsächliche Integration von Kunst und Bau legten. Glasmeiers prominentestes Beispiel dürfte in diesem Zusammenhang das Schalker Gymnasium sein, dessen scheinbar unendlich lange Fassade, bestehend aus der Aneinanderreihung immer gleicher Elemente, Assoziationen zum Film Noir oder einer Klaviatur aufkommen lässt. Die Decke der großen Aula hatte der ZERO-Künstler Ferdinand Spindel mit einer riesigen Schaumstoff-Plastik versehen, die heute nicht mehr existiert. Auf dem Schulhof findet man hingegen noch die Plastik von Günther Uecker.

Ernst Otto Glasmeier begann sein Architekturstudium an der Technischen Hochschule in Aachen bei Hans Schwippert und beendete es an der Technischen Hochschule in München bei Hans Döllgast. Er zählte zur Architektengeneration der ersten Nachkriegsmoderne, deren Veränderungs- und Gestaltungswille zur Voraussetzung für den Aufbau einer neuen Gesellschaft wurden. Glasmeier Bauten – und die seiner damaligen Partner Hubert Halfmann und Egbert Drengwitz – haben das Bild der Stadt Gelsenkirchen entscheidend mitgeprägt. 1921 in Wanne-Eickel geboren und aufgewachsen, war Glasmeier dem Ruhrgebiet immer tief verbunden geblieben und drängte nicht nach internationalen Wettbewerben, sondern versuchte ortsgebunden Einfluss zu nehmen. Er selbst verstand sich als „politischer Architekt“.

Wenn es irgendwann soziale Architektur gegeben hat – Ernst Otto Glasmeier hat sie in Gelsenkirchen gestaltet und etabliert. Seine Bauten waren dabei fast immer klar und unprätentiös, Einflüsse aus der niederländischen Baukunst liegen auf der Hand. Die Grundrisse, in denen er beispielsweise jedem einzelnen von vier Zimmern an einer sieben Meter langen Fassade durch Staffelungen, Eckfenster, Vor- und Rücksprünge eine individuelle Qualität gibt, zeugen von seinen Fähigkeiten als Architekt.

Glasmeier hat sich vor allem in den 1960er- und 1970er Jahren kommunal- und kulturpolitisch engagiert. Darüber hinaus war er in vielen berufsständischen Gremien tätig, etwa seit 1959 im Bund Deutscher Architekten oder seit der Gründung 1970 in der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. In den 1960er-Jahren initiierte er in Gelsenkirchen zwei Kongresse, die die Themen der Zeit vorwegnahmen: „Gesellschaft durch Dichte“ und „Die Großstadt, in der wir leben wollen“. Darüber hinaus hat er zahlreiche Ausstellungen kuratiert, Kulturinitiativen initiiert und als Sammler immer wieder eine gute Nase für neue Strömungen bewiesen. 1985 wurde Glasmeier mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.


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Ernst Otto Glasmeier, 1921–2021

Ernst Otto Glasmeier, 1921–2021

Wohn- und Geschäftshaus Bredow, Marl, 1953

Wohn- und Geschäftshaus Bredow, Marl, 1953

Wohn- und Geschäftshaus, Von-der-Recke-Straße 5-7, Gelsenkirchen-Altstadt, 1982-1983

Wohn- und Geschäftshaus, Von-der-Recke-Straße 5-7, Gelsenkirchen-Altstadt, 1982-1983

Wohn- und Geschäftshaus, Cranger-Str. 328, Gelsenkirchen-Buer

Wohn- und Geschäftshaus, Cranger-Str. 328, Gelsenkirchen-Buer

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