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21.02.2022

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Architektur, Tourismus und Rock n Roll

Zum Tod von Dan Graham


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Dan Graham gehöre zu den wichtigsten Vertretern der Konzeptkunst, heißt es immer und immer wieder. Im Jahr 1973 hob die Kunsthistorikerin Lucy R. Lippard ihn auf den Olymp derjenigen Künstler*innen, denen nicht das geformte Material primärer Gegenstand ihrer Arbeit sei, sondern das geistige Konzept. Von diesem Olymp kam der 1942 im US-Bundesstaat Illinois geborene Graham nie mehr herunter.

Neben Sol LeWitt, Hanne Darboven, Bruce Naumann oder Yoko Ono hatte Lippard ihn in ihrer berühmten Abhandlung „The Dematerialization of the Art Object from 1966 to 1972“ aufgenommen, mit der die Konzeptkunst überhaupt als eigenes Genre in die Kunstgeschichte eingehen sollte. Graham selbst beschimpfte die konzeptuelle Kunst 2008 in einem Interview mit der New Yorker Punk-Musikerin Kim Gordon jedoch lieber als „academic bullshit“. Architektur, Tourismus und Rock ’n’ Roll hätten ihn stets mehr interessiert als die Kunst.

Architektur, Tourismus und Rock ’n’ Roll: Der studierte Philosoph und in den 1960er Jahren zwischenzeitig als Galerist von Minimal Art tätige Graham interessierte sich für den (gebauten) Raum als soziales Phänomen. Bekanntheit erlangte er 1966 mit seiner Fotoserie US-amerikanischer Wohnhäuser aus Vorstädten, die in ihrer zum Industrieprodukt inszenierten Ablichtung auch von der US-amerikanischen Klassengesellschaft berichten. Geradezu legendär ist das bis heute vielfach in der zeitgenössischen Kunst rezipierte „Performer/Audience/Mirror“ von 1975, bei dem Graham das Publikum vor einen großen Spiegel platzierte und dessen Reaktionen zum eigentlichen Schauspiel der Performance werden ließ.

Die Gesellschaft und ihre Wahrnehmung im und durch den spiegelnden Raum sind letztlich auch das Motiv seiner Pavillons, die er zeitgleich mit der Performance von 1975 zu entwickeln begann. Jene zwischen Architektur und Kunst changierenden öffentlichen Installationen machten Graham in Europa seit den 1990er Jahren berühmt, geradezu unerlässlich für alle diskursorientierten Einrichtungen der zeitgenössischen Kunst.

Die gläsernen und spiegelnden Pavillons tauchen seither auf öffentlichen Plätzen auf, sie bestücken große Kunstschauen oder dienen tatsächlich als funktionale Architektur. Allein fünf Mal stellte Graham auf der Documenta in Kassel aus, seine je nach Perspektive reflektierenden oder durchsichtigen Kuben im Hof des KW in Berlin sind Café sowie Bühne. Und für die Skulptur-Projekte in Münster wird seit 1987 alle zehn Jahre sein Spiegel-Oktogon aufs Neue aufgebaut, vermutlich auch wieder 2027. Am 19. Februar ist Dan Graham in New York im Alter von 79 Jahren verstorben. (sj)


Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

2

Die Zuversicht | 21.02.2022 19:20 Uhr

@hinrich schoppe

Seitenhieb verstanden - sehr schön! ;)In diesem Zusammenhang sollten Gernot und Johanne Nalbach beim Café Bravo nicht unerwähnt bleiben.

1

Hinrich Schoppe | 21.02.2022 16:40 Uhr

Ein Guter...

...war das schon.
Mit minimalem - auch persönlichem - Einsatz viel erreichen. Andere dazu bringen, sich darauf einzulassen und es umzusetzen, sprich: die Arbeit zu machen.
Das ist ihm gelungen und das konnte man von ihm lernen. Und ohne ihn hätte ich niemals die Spitzfindigkeit von in Japan spezialpoliertem Edelstahl kennengelernt.
Ansonsten sage ich nur für die Insider: "Plywood"
Danke.

 
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