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18.06.2015
Globaler Regionalismus
Zum Tod von Charles Correa
Von Stephan Becker
Als „India’s Greatest Architect“ wurde Charles Correa anlässlich einer großen Retrospektive 2013 in London bezeichnet. Das ist schon ein hohes Lob, dennoch beschreibt es seine Verdienste nur bedingt. Correa war einer der wichtigsten modernen Architekten überhaupt. Die Ideen der Moderne vereinbarte er mit einer postkolonialen Sichtweise auf die eigenen Traditionen. Kein Wunder, hatte er Architektur und Stadtplanung sowohl in Mumbai als auch in Cambridge am MIT studiert. In Mumbai gründete er 1958 auch sein eigenes Büro.
Bemerkenswert ist, dass selbst seine frühen Projekte wie der Hindustan Lever Pavilion von 1961 schon vollkommen neue Wege aufzeigten. Correas Verwendung von Typografie als architektonisches Element lässt an Pop denken, während die asymmetrische Kubatur des Gebäudes einen frühen Ausflug jenseits der Grenzen des kartesianischen Raums darstellte – eine Verwirrung der Sinneseindrücke inklusive.
Sein Museum für Mahatma Gandhi von 1963 ist da orthodoxer. Hier zeichnet sich Correa vielmehr durch seine ideenreiche Anpassung an das örtliche Klima aus. Eine Herangehensweise, die der Architekt einmal als seine „wohl wichtigste Inspirationsquelle“ bezeichnete. Dieses Interesse am klimatisch angepaßten Bauen teilte er auch mit seinem großen Vorbild Le Corbusier, wobei er dessen Elemente wie die Brise Soleils einer kritischen Revision unterwarf. Er hatte nämlich beobachtet, dass diese nicht nur als Taubenschlag missbraucht wurden, sondern aufgrund des Betons nachts als unerwünschter Wärmespeicher fungierten.
Correas Weg zu internationaler Berühmtheit führte dann vor allem über Wohnungsbauten wie den Kanchenjunga Apartments, bei denen er die westliche Typologie des Wohnhochhauses an die indischen Bedingungen anpasste. Das gerade in den letzten zehn Jahren überall auf der Welt ähnliche Türme mit luftigen Terrassen entstanden, muss zu seinen Erfolgen gezählt werden. Es waren auch diese Projekte, aufgrund derer er als früher Vertreter des Kritischen Regionalismus gesehen wurde.
Dass er eben nicht nur ein wichtiger indischer, sondern ein international relevanter Architekt war, zeigte sich dann vor allem in den letzten Jahrzehnten seiner Karriere. Mit Projekten wie dem British Council in Delhi und dem Jawahar Arts Center in Jaipur, beide 1992 fertiggestellt, entwickelte er eine zeichenhafte, jedoch zugleich auch sehr sinnliche Modernität. Sein Spiel mit geschlossenen und offenen Räumen, mit Licht und Schatten oder mit Materialien und Elementen von Lehm bis Wasser erzeugt eine säkularen Spiritualität, durch die sich auch sein Champalimaud Centre for the Unknown in Lissabon von 2004 auszeichnet.
Das Centre for the Unknown, welches anders als das Ismaili Centre in Toronto, seinem letzten Bau von 2014, keine religiöse sondern eine wissenschaftliche Funktion hat, ist paradigmatisch für eine globale Entwicklung, an der Correa maßgeblichen Anteil hatte. Galten zu Beginn seiner Karriere westliches und östliches Denken entsprechend der kolonialen Denkmuster als Gegensätze, sind die Grenzen heute fließend und gehört die Auseinandersetzung mit kulturellen Traditionen wieder überall auf der Welt zu einem wesentlichen Bestandteil der Architektur. Das ist das Vermächtnis von Charles Correa, der am vergangenen Dienstag im Alter von 84 Jahren in Mumbai verstarb.
Zum Thema:
Charles Correa über seine Architektur im Interview in der Baunetzwoche# 323, mehr über seine Projekte in uncube No. 11: Charles Correa.
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Charles Correa
Hindustan Lever Pavilion, Delhi, 1961
Gandhi Ashram, Ahmedabad, 1963
Kanchanjunga Apartments in Mumbai, 1983
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