Der indische Architekt, Stadtplaner und Lehrer Balkrishna Vithaldas Doshi ist am 24. Januar 2023 im Alter von 95 Jahren gestorben. Auf die Welt kam Doshi 1927 in Pune im Bundesstaat Maharashtra, wo er nach dem frühen Tod seiner Mutter unter anderem von Tanten und Großeltern aufgezogen wurde. Nach seinen Studien in Mumbai und London gehörte er zu der ersten Generation von Architekten, die in Indien nach dem Ende der britischen Kolonialherrschaft durch ihre Arbeit eine richtungsweisenden Vision einer selbstbestimmten, postkolonialen Gesellschaft artikulierten.
Wie bei vielen anderen wegweisenden indischen Architekt*innen seiner Zeit begann Doshis Karriere geprägt und begleitet von bedeutenden Architekten der Moderne. 1950 traf er bei seinem Studium in London zunächst auf Le Corbusier, mit dem er in den folgenden Jahren in Paris, Chandigarh und Ahmedabad zusammenarbeitete. In den 1960er Jahren kollaborierte Doshi dann mit dem amerikanischen Architekten Louis Kahn bei der Gestaltung des Institute of Management in Ahmedabad. Insgesamt eine Zeit, die ihn prägte und in die 1956 auch die Gründung seines eigenen Büros Vastushilpa (später umbenannt in Vastushilpa Consultants) fiel. Schließlich emanzipierte er sich von der westlichen Moderne: „Meine Architektur begann mit Le Corbusier. Dann folgte eine Phase, in der meine Gebäude zwar näher an Indien waren, die im Grunde aber überall hätten stehen können. (...) Erst jetzt, Schritt für Schritt, beginne ich mich zu befreien“, schrieb er 1981 in seinem Essay Identity in Architecture.
In die bedeutenden Phase der hier beschriebenen Selbstbefreiung fällt der Bau seines eigenen Architekturstudios Sangath, in dem mittlerweile drei Generationen von Doshis Familie arbeiten. Mit seinem Verständnis für die tief verankerten Traditionen seiner Heimat, für die Bräuche, das Alltagsleben, die Religion und die gegebenen natürlichen Bedingungen entwickelt Doshi in mehr als 60 Jahren und über 100 Projekten eine Formensprache und ein Architekturverständnis, das über jenes der frühen Vorbilder der Moderne hinausgeht. Ihm gelang es schließlich diese in einer identitätsstiftenden Architektur mit den lokalen Traditionen und Gegebenheiten zu einen.
Gemeinsam mit seinem Studio plante Doshi ganze Siedlungen und Städte, darunter die Wohnsiedlung Aranya in Indore (1989) für Menschen mit geringem Einkommen oder die Wohnsiedlung für die „Life Insurance Corporation of India“ (1973); er realisierte Universitäts- und Kulturbauten wie die CEPT University in Ahmedabad (1966–2012), die Tangore Memorial Hall in Ahmedabad (1967) oder die Premabhai Hall in Ahmedabad (1976); er verantwortete Regierungs- und Verwaltungsgebäude, darunter das Indian Institute of Management (IIM) in Bangalore (1977–1992).
Darüber hinaus wirkte Doshi unter anderem als Mitbegründer und ehemaliger Direktor der School of Architecture and Planning in Ahmedabad (später CEPT University) viele Jahre in der Lehre und war entscheidend an der Gründung der Vastushilpa Foundation for Studies and Research in Environmental Design beteiligt.
Balkrishna V. Doshi erhielt eine Vielzahl von Auszeichnungen, darunter 2018 als erster indischer Architekt den Pritzker-Preis und 2022 die RIBA Royal Gold Medal for Architecture. (sbm)
Zum Thema:
BauNetzWoche#535 - Balkrishna Doshi
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Da geht | 27.01.2023 12:38 Uhrein Guter
Was eine Woche: erst Lederer und dann Doshi. Kann man vielleicht nicht wirklich vergleichen, aber Beide waren einzigartige Geister. Beides Referenzen, denen ich einiges zu verdanken habe.
RIP!