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09.02.2015
In seinen Häusern wandert die Sonne
Zum Tod des Mannheimer Architekten Helmut Striffler
Von Annika Wind
Morgens um elf Uhr ist die Mannheimer Trinitatiskirche am schönsten. Dann fällt das Licht im passenden Winkel in Helmut Strifflers Bau und lässt ihn regelrecht erstrahlen. Dunkelblau schimmert es in ihm wie im Innern eines Aquariums, malt die Morgensonne flimmernde Farbflächen auf Bänke und Böden. Ein Ort, der mit seiner sakralen Transzendenz und Gliederung an gotische Kathedralen erinnert – und dennoch kompromisslos die Moderne in sich trägt.
Ihr Erbauer ist nun im Alter von 88 Jahren in Mannheim gestorben. Einer der „bedeutendsten deutschen Architekten der letzten 50 Jahre“, wie ihn Ingeborg Flagge in einem Katalogbeitrag bezeichnete und darin gleich hinterherschob: „Auch wenn er sich eher im Hintergrund hält.“ Das stimmt nur bedingt. Richtig ist, dass Striffler Epochemachendes baute, sich aber zuletzt eher in Debatten vor der eigenen Haustür einmischte – etwa in Bezug auf den Neubau der Mannheimer Kunsthalle.
Energisch, entschieden, charismatisch ist er immer aufgetreten. Kompromisslos, wenn es darum ging, seine Grundsätze zu vertreten. Seine Gebäude sind auf die Bedürfnisse seiner Nutzer, die ortsbezogenen Gegebenheiten, die Wirkung des Lichts ausgelegt, das eine geradezu raumbildende Rolle spielt, Raumfolgen verdeutlicht, unterstreicht. Keiner seiner Entwürfe gleicht dem anderen. „Architektur ist wie eine Suche nach Umrissen für das Licht“, hat Striffler einmal gesagt. So schirmte er die Kulturhalle Remchingen von einer vielbefahrenen Straße ab und öffnete ihre Räume zu ruhigeren Seiten und zur Sonne. Auch in seinem eigenen Haus in Mannheim wandert die Sonne: Angelehnt an die Vorstellungen Richard Neutras hat er es mit Glasfronten ausgestattet, in denen Innen- und Außenräume ineinander übergehen. 1964 bis 1967 baut er eine Kirche auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau, deren Betonkonstruktion sich wie ein großer, stiller Körper regelrecht in die Erde gräbt. Ein Bau wie eine Demutsgeste, der zugleich Raum für Andacht bietet, Versöhnung.
Wer die Entwicklung seiner Architektur verstehen will, muss zurückblicken auf die Geschichte: Geboren am 1. Februar 1927 in Ludwigshafen, ist der Sohn eines Schlossers 18, als der Krieg endet. Woran sollte man nach dem Heroismus einer Diktatur als junger Architekt anknüpfen? Wie die meisten orientiert er sich an den Großen der Moderne vor dem Krieg: an Frank Lloyd Wright oder Le Corbusier, die Funktionalität mit Formschönheit kombinierten.
Am Wiederaufbau beteiligt er sich erst als Maurer, dann studiert er Architektur in Karlsruhe. 1952 macht ihn Egon Eiermann zum Bauleiter für seine Matthäuskirche in Pforzheim – einen Sakralbau, in dessen Wände sie Mosaiksteine aus Dickglas in den Beton aus zermahlenen Trümmersteinen eingießen. Ein Entwurf, der richtungsweisend für viele Kollegen wird, den Striffler für seine eigene Trinitatiskirche weiterdenkt, optimiert – und damit den Weg ebnet für Eiermanns Gedächtniskirche in Berlin, die selbst zum Zeichen des Neuanfangs nach den Zeiten geistiger Dunkelheit wird. In Mannheim zeigt man für die Bedeutung des leuchtenden Sakralbaus allerdings nur wenig Verständnis: Zwar ist Strifflers Trinitatiskirche als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung geschützt, aber sie steht seit Jahren leer.
Annika Wind ist Kulturredakteurin mit dem Schwerpunkt Kunst und Architektur; seit 2011/12 lehrt sie das Fach Kunstkritik an der Universität Heidelberg.
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Helmut Striffler, 2014, Foto: Egon-Eiermann-Gesellschaft e.V., Karlsruhe
Trinitatiskirche, 1959
Jonakirche, 1961
Versöhnungskirche in Dachau, 1967