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12.04.2012

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Der Scarpa von Eichstätt

Zum Tod des Architekten Karljosef Schattner


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Ein Baubeamter der katholischen Kirche entwickelte sich in einem kleinen bayrischen Universitätsstädtchen zu einem der prägendsten und eigenwilligsten Architekten der letzten Jahrzehnte in Deutschland – diese Geschichte kann nur einen meinen: Karljosef Schattner. Er ist vorgestern in Eichstätt im Alter von 87 Jahren gestorben.

Schattner, geboren 1924, stammte aus Gommern bei Magdeburg und begann nach schwerer Kriegsverletzung im Alter von 25 Jahren sein Architekturstudium an der TU München. Dort traf er auf prägende Lehrer wie Hans Döllgast oder Franz Hart, die ihn für neue Architektur in historischer Umgebung sensibilisierten. Der Kontrast von Neu und Alt sollte zu Schattners Lebensthema werden.

Der Rahmen, in dem er dieses Thema jahrzehntelang entwickeln konnte, bot ihm das Diözesanbauamt des katholischen Bistums Eichstätt, das er von 1957 bis zu seiner Pensionierung 1991 leitete. Zusätzlich übernahm er ab 1972 auch die Leitung des Universitätsbauamtes der Katholischen Universität Eichstätt. Diese langjährige berufliche Kontinuität nutzte der Architekt, um sich und seine Architektur weiterzuentwickeln.

Begonnen hatte er mit einer moderat regionalistischen Nachkriegsmoderne im Zeichen des Brutalismus – so bei den solitär gelegenen Bauten der ehemaligen PH Eichstätt von 1960-65 oder bei Kirchenneubauten. Seine große Stärke entwickelte der Architekt allerdings bei Um- und Wiederaufbauten historischer Substanz in Eichstätts barock geprägtem Ortszentrum. Dabei zeigte er selbstbewussten Umgang mit der Substanz, der er stets erkennbare Zutaten der Jetztzeit hinzufügte. Mit dieser Entwurfshaltung hat man ihn häufig mit dem italienischen Baumeister Carlo Scarpa verglichen. 

Zu diesen Schattner-Bauten zählt der Umbau des Ulmer Hofes zu einer Fachbereichsbibliothek, bei dem ein früherer Außenraum zum Innenraum wurde (1978-80), oder der Neubau eines Studiogebäudes für den Fachbereich Journalistik, bei dem ein glatter, moderner Kubus zwischen zwei barocke Flügelbauten gesetzt wurde (1985-88). Dieses Gebäude steht erkennbar unter dem Einfluss der „Tessiner Schule“ und deren Hauptprotagonisten Luigi Snozzi, dem sich Schattner verbunden fühlte. Als Amtsleiter holte er auch andere bedeutende Architekten nach Eichstätt: Günter Behnischs Uni-Bibliothek, die – wie Schattners Frühwerk – 1980-87 auf der grünen Wiese errichtet wurde, zeugt davon.

Das ungewöhnliche Wirken des kirchlichen Baumeisters stieß anfangs vor Ort auch auf Kritik; Mancher fand die modernen Zutaten zur historischen Substanz zu aufdringlich. Schattner begegnete dem stets mit der Erläuterung, er wolle das Alte nicht übertrumpfen, sondern ihm „etwas Eigenständiges entgegensetzen“ – um damit „der Vergangenheit eine Zukunft zu geben“. Das zielte darauf, dass manche der verfallenen Altbauten ohne Schattners Eingriffe nicht zu erhalten gewesen wären. Auch Rekonstruktionen erteilte er stets eine Absage: „Anpassung und noch so geschickt verpackte Imitation wird vorhandene historische Architektur entwerten.“

Über lange Jahre nur ein Geheimtipp, wird Schattners Werk seit Ende der achtziger Jahren in der Architekturwelt überall beachtet und geschätzt. Der Architekt bekam Gastprofessuren in Darmstadt und Zürich und eine Fülle von Preisen, darunter die Heinrich-Tessenow-Medaille in Gold (1986), das Bundesverdienstkreuz am Bande (1997) sowie die Leo-von-Klenze-Medaille des Freistaates Bayern (2009). Beim Realisierungswettbewerb für den Umbau des Reichstagsgebäudes in Berlin hatte er 1993 den Vorsitz der Jury. Morgen, am 13. April, findet das Requiem für Karljosef Schattner um 13.45 Uhr im Eichstätter Dom statt.  (-tze)


Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

10

Pierre | 03.05.2012 11:25 Uhr

Schattner

Wer einmal in Eichstätt war, wird die spezielle Atmosphäre, in der dort neue Bauten mit alten unvergessliche Orte schaffen, nicht wieder vergessen. Obwohl Schattners Ansätze ja durchaus radikal waren, entsteht nirgendwo ungute Konkurrenz. Es herrscht Frieden zwischen Moderne und Tradition, heitere Spannung (aber nicht im Sinne von Gereiztheit und Unverträglichkeit, sondern von sinnlicher Aufmerksamkeit) - ein viel zu seltenes Erlebnis, wenn alt und neu beide gewinnen, weil da einer mit Liebe, Verstand, Können und Erfahrung gebaut hat.Und, denke ich, mit dem Bewußtsein, dass Bauen von einem tiefen Verantwortungsgefühl für die Umgebung und die Benutzer getragen sein sollte - Schattner hatte auch das Glück, einen Ort und Arbeitgeber gefunden zu haben, an dem er das umsetzen konnte.
Wie gut, dass er Zeit und Raum hatte, uns die Zeugnisse dieser Haltung zum Bauen und Leben zu hinterlassen.
Auf - alle Studenten eine Woche nach Eichstätt!

9

Holger Just | 24.04.2012 16:42 Uhr

Karl-Josef_Schattner

Auch das ist eine Traditionslinie deutscher Architektur im 20. Jahrhundert: Dezidiert moderne Architektur, die ihren stärksten Auftritt im historischen Umfeld hat. Das zu einer Zeit , in der postmoderne Anbiederung En Vogue war. Man muss keine übergroßen Gebäudevolumina realisieren, um ein ganz Großer zu sein! Das Entscheidende daran: Schattners auf den ersten Blick kompromislosse Bauten fügen sich ein und stehen da , wie selbstverständlich. Selbsbewusstsein anstatt Selbstdarstellung - das ist eine rare Erscheinung geblieben. Könnte man sich daran doch ein Vorbild nehmen!

8

RuhrPolis - Architekten | 13.04.2012 13:39 Uhr

unvergessliche Details

Unvergesslich und ewig präsente Details:
die Treppen,
die Antritte,
die beim Betreten des Hauses davor liegenden monolithischen Natursteine,
die Fugen,
die Geländer,
Glas, mattiert; mattiertes Drahtglas;
aufgesetzte Türen,
die Materialkombinationen,
die Achsbetonungen,
die nach außen öffnenden Scheiben, die mit Gasdruckfedern nach oben gedrückt werden,
die Flachstähle zur Bekleidung von Mauerwerksschnittflächen,
...

Diese und viele andere Details haben sich bildhaft eingeprägt und zeigen innovatives Denken, dass sich Loslösen aus altem Kontext.

Ein wunderbarer Architekt.

7

solong | 13.04.2012 10:59 Uhr

...traurig...

... leider gang des lebens ... wieder ein wirklich großer baumeister weniger ... sein behutsamer umgang mit bestand und seine dennoch kraftvollen ... eigenständigen ... ergänzenden bauten ... er wird nicht vergessen werden ...

6

haka | 13.04.2012 10:16 Uhr

Schattner

Ein großartiger Planer mit einer fast schon an Besessenheit grenzenden Begeisterung für das Detail - mit genialen Lösungen zwischen alt und neu. Während einer Uni-Exkursion hatten wir Gelegenheit, KJS kennen zu lernen - ein Mensch von unglaublicher Präsenz und ohne jede Prätention. Wie seine Architektur. Nur ein Beispiel: Sanierung/Erweiterung des Schlosses Hirschberg in Beilngries bei Eichstätt.

5

Bayer | 13.04.2012 08:53 Uhr

Servus

Ja da schließe ich mich an:

Sowas gibt´s heut nicht mehr: ganz große Kunst:
Baukunst!

Danke, Karljosef Schattner!

4

Eccomi | 12.04.2012 19:32 Uhr

Genau - Bewunderung

Ich verbeuge mich vor einem genialen Architekten! War nur im Studium mal in Eichstätt, das war ein Hammer-Erlebnis. Gute Arbeit und er wird neben anderen Größen in die Architektur-Geschichte eingehen!
Danke!

3

Hempel | 12.04.2012 17:36 Uhr

Schattner

Karljosef Schattner hat mich als jungen Architekten 1972 mit den Kirchenumbauten in Pollanten/Opf. und Wettstetten bei Ingolstadt sowie dem Einbau eines Pfarrheims in die alte Scheue am Widum von Wettstetten betraut. Zusammen mit Florian Brand, Architekt BDA in Ingolstadt, konnten wir die Bauten gegen manche örtliche Schwierigkeit immer mit der Fürsprache und dem kollegialen Beistand Schattners durchführen. Für beide Kirchen erhielten wir den BDA-Preis Bayern. Schattner war uns Lehrer und Kollege zugleich - wir verdanken ihm viele Anregungen und eine achtungsvolle Haltung gegenüber dem Bestand in dem wir zu planen hatten. Er war ein großer Architekt, ein guter Kollege und ein besonderer Mensch.

Andreas Gottlieb Hempel
Prof.Dr.arch. Publizist und Sommelier
Präsident des BDA 1995-1999
Brixen/Südtirol

2

Alexander | 12.04.2012 17:34 Uhr

Bewunderung

Als Student habe ich seine Arbeiten bewundert und ich tue es immer noch. Eine eigenständige Architektur, modern aber nicht modernistisch, zurückhaltend aber präsent, tolle "schlichte" Details...
Danke für Ihre Architektur, Karljosef Schattner!

1

sturkopf | 12.04.2012 17:17 Uhr

Schattner

Das war eine der ersten Monografien, die ich mir zu Studienbeginn Mitte der Neunziger Jahre gekauft habe. Er war seiner Zeit voraus, und das sogar als Baumeister der verstaubten katholischen Kirche. Respekt!

 
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Ulmer Hof, Eichstätt

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