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07.03.2025
Pergamonmuseum in Berlin
Zum Start des zweiten Bauabschnitts der Grundinstandsetzung
Der zweite Bauabschnitt der Grundinstandsetzung des Berliner Pergamonmuseums beginnt. Dafür wird das Haus auf der Museumsinsel für Jahre geschlossen. Denn die Herausforderungen für die Planer*innen sind gewaltig. Auch die Kosten sind es. Mit 1,5 Milliarden Euro Budget handelt es sich um die teuerste Sanierung, die jemals in Deutschland durchgeführt wurde.
Von Nikolaus Bernau
Am Wochenende werden sich voraussichtlich tausende Menschen in den weitgehend leer geräumten Sälen des Vorderasiatischen Museums im Gebäude des Pergamonmuseums auf der Berliner Museumsinsel drängen, um Abschied zu nehmen vom Ischtartor und der Prozessionsstraße aus Babylon. Drei Tage der offenen Tür – und es gibt noch Karten im Tagesverkauf! Allerdings kündigt das Museum bereits an: Die Tickets werden je nach Besucher*innendichte im Haus vergeben, man muss sich auf lange Wartezeiten einstellen.
Nach diesem Wochenende werden die einzigartigen, in den 1920er Jahren aus zehntausenden originalen Fragmenten und mit modernen Fliesenelementen ergänzten Inszenierungen in Klimahüllen eingehaust. Dann kann der zweite Bauabschnitt des Riesenprojekts Grundinstandsetzung und Ergänzung des Pergamonmuseums beginnen. Er umfasst den südlichen Gebäudeabschnitt, die Errichtung des vierten Flügels, die Anbindung an die übrigen Häuser der Museumsinsel über die Archäologische Promenade und die Neugestaltung der Außenanlagen.
Sanierung der Superlative
Immerhin, die von Kürzungsorgien bedrohte Berliner Stadtkultur kann sich entspannt zurücklehnen. Hier zahlt nämlich der Bund. Die Berliner Behörden sind in beiden Fällen nur ganz am Rand als Landesdenkmalamt und im Bereich des Städtebaus befasst. Denn die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat die Verantwortung für dieses Projekt an das Bundesamt für Bauordnung und Raumwesen BBR abgeben müssen.
Seit den 1990er Jahren wird an dem Projekt gearbeitet. 1999 gewann Oswalt Mathias Ungers den Wettbewerb. Sein Entwurf wird seit 2012 von Kleihues + Kleihues (Berlin) betreut. Auf der Webseite des Büros steht noch (so wie es die Staatlichen Museen bis etwa 2018 versprachen) das Jahr 2025 als Datum für die Fertigstellung des Gesamtprojekts. Wenn alles klappt – und wann klappte beim Pergamonmuseum jemals alles? – sollen der Nordflügel mit dem dann neu eingerichteten Museum für Islamische Kunst 2027 und der Südflügel erst 2037 übergeben werden. Auf einer Stelltafel im Museum steht allerdings schon jetzt 2038 als Datum. Und in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz wird schon seit Längerem offen über 2040 oder gar 2043 gesprochen.
Man wagt kaum daran zu erinnern, dass der Grand Louvre entstand, ohne dass der Louvre deswegen gesperrt wurde. Das British Museum, das Metropolitan Museum, der Prado – sie alle blieben geöffnet, während der Umbau stattfand. In Berlin hofft man, durch die Totalschließung Geld und Zeit zu sparen. Wobei Jan Kleihues bei der Grundsteinlegung am gestrigen Donnerstag mitteilte, dass Zeit für ein solches Projekt immer relativ sei und dass man hier etwas schaffen wolle, was mindestens 100 Jahre Bestand habe.
Man kann nun zum letzten Mal für Jahre durch einige Hauptsäle streifen. Leere Rahmen an den Wänden markieren die riesigen Wandgemälde Elisabeth Andraes, die in den 1930ern die Ausgrabungsorte im Irak, in Anatolien und Syrien und ihre Landschaften malte. Aufgerissene Ziegelmauern und Einbauten zeigen, wo bis 2023 monumentale Kunstwerke aus Sendschirli, Tell Halaf, Aššur, Uruk, Nimrud, Babylon oder Persepolis standen. Beim genauen Hinsehen sind Bleistift-Inschriften zu finden, zum Beispiel „Eingebaut 1958“ – nach der Rückkehr dieser wider allen Völkerrechts von der Roten Armee in die Sowjetunion verbrachten Reliefplatten und Skulpturen. Bis heute hält Russland aus dieser Abteilung große Bestände zurück. Im Aššur-Saal zeigen sich an einer Stelle die vielen Schichten von Linoleumbelägen, die in diesem Museum verlegt worden waren. Es ist mittlerweile selbst eine Ausgrabungsstätte geworden.
100 Jahre Entstandsetzungsrückstau
1,5 Milliarden Euro sind für die Grundsanierung und den teilweise tief in die Baustrukturen eingreifenden Umbau des Pergamonmuseums nach aktueller Planung vorgesehen, davon fast 300 Millionen als Rücklage für steigende Baukosten. Damit hält Berlin nach dem Museum berlin modern auf dem Kulturforum – dem schon jetzt mit mindestens 450 Millionen Euro in wirklich jeder Hinsicht teuersten Museumsneubau der deutschen Geschichte – wohl auch den Kostenrekord für die teuerste Sanierung eines Bestandsgebäudes. Einzig die Instandsetzung des Deutschen Museums in München, die inzwischen auf über 800 Millionen Euro kalkuliert wird, kann mit diesem Riesenprojekt konkurrieren. Die Sanierung des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg dagegen ist mit 67 Millionen geradezu ein Schnäppchen.
Doch in Nürnberg ist eben auch nicht ein Instandsetzungsrückstau von fast einem Jahrhundert aufzuholen. Die technischen Infrastrukturen des Pergamonmuseums stammen oft noch aus den 1920er Jahren, als der von Alfred Messel entworfene und von Ludwig Hoffmann ab 1910 ausgeführte Bau eingerichtet wurde. In den 1920ern entwickelte der Archäologe Walter Andrae (1875–1956) die farbenfrohe und didaktisch raffinierte Ausstellungsgestaltung, als dezidiert antiklassizistisches Statement gegen die grauweiß gehaltenen Aufbauten in den Antikensälen. Das Vorderasiatische Museum von Andraes ist eines der wichtigsten museumspolitischen Projekte der Weimarer Republik. Nicht erst die Bundesrepublik bringt hier demokratischen Touch in die Räume. Bei der neuerlichen „Grundsteinlegung“ am Donnerstag wurde wieder einmal vergessen, auf diese historische Leistung hinzuweisen.
Im Zweiten Weltkrieg erlitt der Bau schwere Schäden. So stürzte im Kopfbau am Kupfergraben nach einer Bombenexplosion die frühislamische Mschatta-Fassade teilweise in den darunter liegenden Sendschirli-Saal. Alle Glasdächer und Fenster wurden zerschlagen. Die DDR baute seit 1952 die Ausstellungen wieder auf. 1958 kamen die Hauptbestände zurück aus Moskau. Nach 1990 ließ die neue Bundesrepublik – immer in Hoffnung auf die bald beginnende radikale Grundsanierung –, den Bau weiter verfallen. Bis nun eben das scheinbar eingesparte Geld teuer nachgezahlt werden muss.
60 Meter Schlammgrube
Ein Dauerproblem ist der Umgang mit den Fundamenten, mit dem miserablen, von Schwemmgebieten und Wasseradern durchzogenen Baugrund auf der Museumsinsel. Der Südflügel steht auf einer nach heftigen Kämpfen zwischen der staatlichen Bauverwaltung und den planenden Architekten zwischen 1910 und 1915 entstandenen Stahlbetonbrücke. Sie überspannt eine bis zu 60 Meter tiefe reichende Schlammgrube – den berüchtigten Kolk. Messungen zeigen, dass sich die Brücke bewegt. Ihre massiven Ankerbauten am Kupfergraben und unter dem Ischtartorsaal driften auseinander. Nur im Millimeterbereich, aber auf Dauer könnten daraus Schäden werden.
Probebohrungen in der Brücke haben gezeigt, dass in der Kaiserzeit die Armierungen sehr ungleichmäßig verteilt wurden, Teile statisch niemals aktiv waren oder nicht mehr sind. Das geplante Einbringen von Zugankern wurde – der Inhomogenität der Konstruktion wegen – vom BBR aufgegeben. Stattdessen sollen die Ankerbauten selbst neu fundiert werden. Die Informationstafeln, die all dies nun dem Publikum der nächsten drei Tage erklären, sollten unbedingt vergrößert und dauerhaft am Bauzaun gezeigt werden. Denn sie sind eine der besten Bautechnik- und Museumsausstellungen, die die Staatlichen Museen überhaupt je gezeigt haben.
Immerhin einen Vorteil hat der Zeitverzug. Man will von den bautechnischen, teuren Desastern des Nordflügelumbaus lernen. So wird auch der geschichtsfeindliche Radikalismus von Ungers’ Entwurf aus dem Jahr 1999 stark gemildert. Die Inszenierungen Walter Andraes werden überwiegend erhalten. Und der dunkelrot und golden schimmernde „Palastraum“ soll nach der Grundsanierung wieder so erscheinen, wie er zu DDR-Zeiten aussah: mit den Reliefs aus Nimrud an den Wänden wie seit 1934, aber auch mit dem breiten, gemalten Wandfries nach assyrischen Motiven von 1956 und den neckischen Elektrofackelhaltern in den Ecken. Der Raum wird dann das einzige (!) Denkmal der Museumskultur der DDR sein, das es in den gesamten Berliner Staatlichen Museen noch gibt.
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Die Bauarbeiten am Südflügel des Pergamonmuseums auf der Berliner Museumsinsel haben kürzlich begonnen. Rechts im Bild die James-Simon-Galerie.

Seit Ende 2023 wurden die Räume im Südflügel – hier der Sendschirli-Saal – für die anstehenden Baumaßnahmen geräumt.

Für die Dauer der Bauarbeiten werden Großexponate wie das Ischtar-Tor, die nicht ausgebaut werden, besonders geschützt.

Visualisierung des vierten Flügels nach dem Entwurf von Oswald Mathias Ungers, der als zusätzliche direkte Verbindung von Nord- und Südflügel fungieren wird.
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