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31.05.2021
Was er baut, hat eine eigene Kraft
Zum 90. Geburtstag von Zvi Hecker
Sein Leben ist ein Spiegelbild des 20. Jahrhunderts in Europa, seine Architektur auch. Heute wird der Architekt und Künstler Zvi Hecker 90 Jahre alt.
Von Florian Heilmeyer
Vielleicht ist Zvi Heckers Stimme inzwischen etwas leiser geworden, aber ein wacher, unruhiger Geist ist er immer noch. Unterhaltungen mit ihm nehmen schnell Fahrt auf, hüpfen von einem Gedanken zum nächsten, um mit einem Lächeln zu enden. Die Trennung von Kunst und Architektur hat ihn nie interessiert, vielleicht sei er ja ein Künstler, der eben als Architekt arbeitet. Seine Gebäude aber sollten nicht als Kunstwerke verstanden, sondern vor allem von den Menschen benutzt werden. Er sei kein Revolutionär, sondern ein Traditionalist.
Viele Geschichten existieren von seinen Projekten, die bisweilen etwas anderes erzählen. Etwa jene, die zu meinen Lieblingsgeschichten über Zvi Hecker gehört, auch wenn sie aus dem Jahr 1966 stammt. Das Luftfahrtlabor der „Technion University“ in Haifa stand kurz vor der Fertigstellung, entworfen hatte es Hecker mit seinem ehemaligen Professor Alfred Neumann (1900-1968). Streit zwischen der Universität und den Architekten gab es von Anfang an. Nun hatte die Bauherrin zum Schluss statt der vorgesehenen reflektierenden Dachfenster, die Tageslicht ins Innere lenken würden, eine günstigere, nicht-reflektierende Variante einbauen lassen. Als aller Widerspruch nichts nutzte, fuhren Hecker und sein Mitarbeiter Henry Hutter in der Nacht vom 31. Oktober 1966 nach Haifa. Sie erklommen das Dach und zerstörten vor Tagesanbruch mit zwei Brecheisen alle 28 Fensterrahmen so gründlich, dass sie nicht zu reparieren waren. Anschließend zeigte Hecker sich selbst an und wandte sich an die Presse, wo das nächtliche Abenteuer zur „Technion Affäre“ wurde. Die Universität musste einlenken, die vorgesehenen Fenster wurden installiert.
Gute Architektur kann nicht legal sein”, sagte Hecker uns in einem Interview für das uncube magazine 2016. Und, mit leisem Vergnügen im Ton: „Seit 40 Jahren baue ich nun schon gegen den Willen meiner Bauherren.“ Einige seiner bekanntesten Werke wie das „Spiral Apartment House“ in Ramat Gan (1984–89), das er fünf Jahre lang fast im Alleingang baute, seien im Grunde illegale Strukturen, würde man sie nach geltendem Baurecht betrachten. Bei der Heinz-Galinski-Schule in Berlin (1991–95), die aus einem Wettbewerbsgewinn entstand, seien sich Baufirma, Prüfingenieur und Bauherrin einig gewesen, dass die Idee so nicht realisiert werden könne. Hecker zog nach Berlin, um der Baustelle nahe zu sein, und am Ende habe er das Wettbewerbsprojekt „ohne Kompromisse“ bauen können, wie er sagt. Bis heute ist er mit einem kleinen Büro im Prenzlauer Berg tätig — auch wenn in den letzten Jahren die Malerei vielleicht ein wenig die Oberhand gewonnen hat.
Geboren wurde Hecker am 31. Mai 1931 in Krakau. In seinem Lebenslauf wie in seiner Architektur spiegeln sich viele Brüche der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts: Seine Familie floh vor dem deutschen Einmarsch nach Samarkand, wo Hecker aufwuchs. Nach Kriegsende kehrte er nur kurz nach Krakau zurück, bevor er nach Israel emigrierte, wo er 1955 am Technion in Haifa (siehe oben) sein Architekturdiplom bekam. Parallel studierte er Malerei in Tel Aviv. Schon während des Studiums hatte er begonnen, mit seinem Professor Alfred Neumann und seinem Kommilitonen Eldar Sharon (1933–94) an ersten Bauprojekten und Wettbewerben zu arbeiten: die spektakuläre „Bat Yam City Hall“ (1961–63), das „Dubiner Apartment House“ (1961–63), besagtes Laborgebäude der Technion (1964–67) oder eine Militärakademie in der Negev-Wüste (1963–69) gehören zu den wichtigsten gemeinsamen Werken.
Spätestens mit dem Tod von Neumann endet die fruchtbare Zusammenarbeit der drei. Hecker setzt seine Arbeit alleine fort, arbeitet sowohl an großen staatlichen Siedlungen wie „Ramot Polin Housing“ bei Jerusalem (1971–85), am „Palmach Museum of History“ in Tel Aviv (1993–98), aber auch an kleinen Privataufträgen wie seinem legendären „Spiral Apartment House“ (1981–85). Nach dem Wettbewerbsgewinn für die Heinz-Galinski-Schule zieht er noch während des Zweiten Golfkriegs nach Berlin.
In Deutschland baut er wenig, obwohl er an vielen Wettbewerben teilnimmt, vor allem in Berlin. Aber das, was er baut, hat stets eine ganz eigene Kraft und zieht einen wie ein Strudel hinein: Neben der Schule in Berlin ist das vor allem das Jüdische Gemeindezentrum in Duisburg sowie der „Ort der Erinnerung“: ein kleines, stilles Denkmal für eine zerstörte Synagoge in der Berliner Lindenstraße. An einen Ruhestand ist nicht zu denken: Zu seinen jüngsten größeren Werken gehört eine Kaserne für die Niederländisch-Königliche Militärpolizei bei Schiphol (2001–18), über die es wieder einige Geschichten bezüglich künstlerischer Meinungsverschiedenheiten zu erzählen gäbe. Derzeit arbeitet Zvi Hecker vor allem an einem privaten Wohnhaus in Italien, erzählt er. Seinen Geburtstag, nein, den wolle er nicht speziell feiern, er hält nicht viel davon. Wir erlauben uns trotzdem, ganz herzlich zu gratulieren.
Kommentare:
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Zvi Hecker, 2017
1963: Bat Yam City Hall (Israel), Entwurf von Alfred Neumann, Eldar Sharon und Zvi Hecker
1989: Spiral Apartment House in Ramat Gan (Israel)
1995: Heinz-Galinski-Schule in Berlin
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