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19.10.2020

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Neues Europäisches Bauhaus

Zu Ursula von der Leyens EU-Initiative


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Ein Kommentar von David Kasparek

Als EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 16. September dieses Jahres ihre Rede zur Lage der Europäischen Union hielt, stieß das im architektonischen Fachdiskurs hierzulande auf erstaunlich wenig Resonanz. Das muss zunächst nicht viel heißen: Die wenigsten Äußerungen aus Brüssel und Straßburg erzeugen ja einen sonderlich großen Widerhall in Deutschland. Dass die Rede dieses Mal aber so geräuschlos verklang, erstaunt dann doch, denn von der Leyen kündigte nichts weniger an als die Einrichtung einer gesamteuropäischen Architekturinstitution, von der EU initiiert und gefördert.

Im für die architektonische Fachwelt besonders interessanten Teil der Rede sagte von der Leyen: „Unsere Gebäude verursachen 40 Prozent unserer Emissionen. Sie müssen weniger verschwenderisch, weniger teuer und nachhaltiger werden. Und wir wissen, dass sich der Bausektor sogar von einer Kohlenstoffquelle in eine Kohlenstoffsenke verwandeln kann, wenn organische Baumaterialien wie Holz und intelligente Technologien wie KI eingesetzt werden. (…) Aber dies ist nicht nur ein Umwelt- oder Wirtschaftsprojekt: Es muss ein neues kulturelles Projekt für Europa sein. Jede Bewegung hat ihr eigenes Aussehen und ihre eigene Ausstrahlung. Und wir müssen unserem Systemwandel eine eigene Ästhetik geben – um Stil und Nachhaltigkeit miteinander in Einklang zu bringen. Aus diesem Grund werden wir ein neues Europäisches Bauhaus errichten – einen Raum der gemeinsamen Schöpfung, in dem Architekten, Künstler, Studenten, Ingenieure und Designer zusammenarbeiten, um dies zu verwirklichen.“

Interessant ist dabei mehrerlei: Zum Ersten das Bekenntnis zur Gestaltung als kulturellem Gut, das für die Bevölkerung in der EU und ihre Institutionen einen relevanten Mehrwert darstellen kann; zum Zweiten der Hinweis auf das Potenzial einer Kohlenstoffsenke dank veränderter Konstruktionen und zum Dritten die Genese der Idee. Ursula von der Leyen wird in Umweltthemen nämlich unter anderen vom Klimaexperten Hans Joachim Schellnhuber beraten, der als eine der renommiertesten Stimmen im Bereich der Klimafolgenforschung weltweit gilt. Schellnhuber hatte Ende letzten Jahres einen Kreis unterschiedlicher Akteur*innen nach Caputh vor die Tore Potsdams geladen. Mit dabei waren neben anderen Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die Bundesvorsitzende der Grünen Annalena Baerbock, Unternehmerin Brigitte Mohn, Künstler Ólafur Elíasson, Regisseur Volker Schlöndorff – sowie Architekt*innen wie Annette Hillebrandt, Heiner Farwick und Werner Sobek. Diese illustre Runde verständigte sich am 16. Dezember 2019 auf eine „Erklärung von Caputh“. Sie ist mit „Das Bauhaus der Erde“ überschrieben und nimmt wiederum direkten Bezug auf das Papier, das der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA am 25. Mai 2019 in Halle an der Saale unter dem Titel „Das Haus der Erde“ verabschiedete.

Es ist ein bemerkenswertes Papier, das Schellnhuber und seine Mitstreiter*innen da aufgesetzt haben: Es nimmt die Architektur und den gesamten Bausektor in die Pflicht, ihren Teil zum Erreichen der Pariser Klimaziele beizutragen. Mit Verweis darauf, dass der Hoch- und Tiefbau-Sektor mit seinen unveränderten Konstruktionsmethoden „den Großteil des verblebenden Kohlenstoffbudgets der Menschheit aufzehren“ dürfte, wird eindringlich an die globale Verantwortung der Architekturschaffenden appelliert. Im Klartext heißt das: Holz, Lehm und nachwachsende, Kohlenstoff bindende Rohstoffe statt Beton. Da dies aber in „Politik und Öffentlichkeit weitgehend unbekannt“ sei, so das Papier, müsse vor allem auch auf politischer Ebene gehandelt werden: Die Bauhaus-Idee solle wieder aufgegriffen und mithin ein holistisches Gestaltungsverständnis mit einem positiv in die Zukunft gerichteten Blick verbunden werden. Den Initiatoren von „Das Bauhaus der Erde“ ist dabei klar, dass „die Wirklichkeit am Bauhaus dem humanistischen Ideal nicht immer gerecht wurde“. Spannend wäre es dennoch, die Idee eines ganzheitlich agierenden Denklabors in unsere Zeit zu transferieren und die akuten Fragestellungen mit EU-Förderungen behandeln zu können. Viele Architekt*innen haben darüber in der Vergangenheit nachgedacht, manche Versuche wurden unternommen. Gesamtgesellschaftlich wirkungsvoll konnte aber keiner dieser Ansätze verfangen.

Welche baulichen Lösungen dabei helfen können, ist einigen in der Fachwelt hinlänglich bekannt – Initiativen wie Architects for Future fordern schon seit geraumer Zeit ein grundsätzliches Umdenken. Allein: Viele Architekt*innen haben ihr Handeln noch immer nicht nachjustiert, auch und vor allem mit Hinweis auf die politischen Rahmenbedingen. Die notwendige Abkehr vom Beton, eine Hinwendung zu Kohlenstoff bindenden Materialien und Kreislaufwirtschaft – all das greift nach der „Erklärung von Caputh“ nun auch Ursula von der Leyen in ihrer Rede direkt auf, bis hin zum Titel des Papiers. Mit einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung an diesem Wochenende unterstreicht sie all dies noch einmal und schreibt hier, die EU wolle „eine neue Europäische Bauhaus-Bewegung“ anstoßen.

Fünf Projekte sind dafür in den kommenden zwei Jahren geplant. „Sie sollen ein kreatives Experimentallabor und Andockstelle für europäische Industrien sein und Ausgangspunkt für ein europa- und weltweites Netzwerk, das die wirtschaftliche, ökologische und soziale Bedeutung über das individuelle Bauhaus hinaus erweitert“, so von der Leyen. Die EU wolle dem unlängst angestoßenen Green Deal helfen, mehr Fahrt aufzunehmen, aber auch „den notwendigen gesellschaftlichen Diskurs über neue Bauweisen und Designformen anregen“. Wenn die Verankerung eines solchen Diskurses gelänge, vor allem aber die Schaffung eines gestalterischen Möglichkeitsraums im Rahmen eines großangelegten Reallabors, wäre in der Tat viel gewonnen, um die Pariser Klimaziele mittels Architektur zu erreichen. Und die Architektur selbst könnte so, als integraler Bestandteil des Erfüllens dieser Ziele nämlich, jene auch in der gesellschaftlichen Breite wahrgenommene Relevanz erlangen, die von Architekt*innen zuletzt immer wieder vergeblich eingefordert wurde.


Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

12

Jan | 18.11.2020 13:20 Uhr

Definition nachgereicht

Ich verstehe nicht, wie man sich hier als jemand "fachkundiges" darstellt, wenn man unter dem Begriff Bauhaus sein formales Erscheinungsbild anführt.

Das Bauhaus ist eine Schule und somit eine Idee und Methode. Es geht um Interdisziplinarität und neue Ansätze und Methoden.

Um nichts weniger und da hat Frau von der Leyen die richtige Metapher bemüht.

11

Stefan Frischauf | 05.11.2020 07:29 Uhr

@Johann Maier

quoth the raven. Nevermore.
Sie haben Recht. Unter derzeitigen "Marktbedingungen" geht das nach hinten los. Mit dem Führungspotenzial derjenigen, die das ausrufen mit der Prämisse zudem der Regeln der "Profitmaximierung" von "Betongold" und ohne neue Ansätze zur "Bodenfrage" geht gar nichts. Dennoch: es gilt da, neue Ansätze zu erkunden und neue (Zweck-) Bündnisse zu schmieden.
Alleine die Einschätzung, welche Kipppunkte vor oder unter uns liegen ist höchst strittig. Das sollte aber nicht den Mindestkonsens bei der Einschätzung der prekären Situation mindern.

10

Johann Maier | 23.10.2020 19:18 Uhr

Nevermore

Was hat das BAUHAUS mit Lehm und Nachhaltigkeit etc. zu tun. Soviel wie der gleichnamige Baumarkt.
Einen Club für Egomanen braucht man nicht.
Man konnte schon beim letzten Projekt des Werkbunds (auch so eine Mottenkiste) in Berlin beobachten, wie Scheitern richtig geht.
Das sind Marken aus der Vergangenheit, die rein museal sind und nicht mehr mit Inhalt gefüllt werden können.
Ob Bauhaus oder Hohenzollernschloss, diese Vergangenheitssucht endet mit einem bösen Kater.

9

Stefan Frischauf | 22.10.2020 11:07 Uhr

Produktions-/ Herstellungskosten, Baustellenlogistik

sind da ein wesentliches Thema. Alleine Stampflehm erfordert sehr viel Arbeit am Bau selbst. "Transport-Stampflehm" mit den dazugehörigen Festigkeitsklassen als Ersatz / Ergänzung für deutsche Betongüten-Sicherheitszuschläge ist da neu zu denken. Wie so vieles. Dafür bedarf es aber einer grundlegenden Offenheit gesamtgesellschaftlich auch für diese Themen. Also ein grundlegender "kultureller Wandel" ist dafür erforderlich.
Ob ein neues Label für das "Bauhaus" das schafft oder welcher Anreize und Stimuli es sonstwie bedarf - das sei erst einmal dahingestellt.

8

tiffys | 21.10.2020 09:01 Uhr

talfahrt

@1 liebe frau bergmann, sie begeben sich auf die talfahrt.

...kritik...

ja, der herr mike meiré hat seine kritik dann kürzlich zum thema bauhaus etwas perspektivischer als sie verlauten lassen:

"Wo is the latest shit?
Wo ist das denn?
Wo passiert das denn?
Wo ist der Merger?
Wo ist hier Fashion?
Wo ist Musik?
Wo ist Architektur?
Ich seh' so ein paar Prints, ein paar Poster.
Aber das ist es noch nicht.
Bauhaus, was soll das denn?
Die werden jetzt 100 Jahre alt...
Ich kann mich doch daran nicht mehr erlabern.
Es muss doch weitergehen.
Wo sind die Magazine?
Wo ist die Inspiration?
Wo ist Augmented Reality?
Wo ist das alles?
Wo sind die Oculus Rift Brillen?
Das ist alles so eine Komfortzone."

7

tiffys | 21.10.2020 08:51 Uhr

talfahrt

@ ixamotto

;)

6

claus | 21.10.2020 00:34 Uhr

die Hoffnung wird zuletzt zum Label

ich finde diesen Vorstoß sehrdurchaus begrüßenswert, ich halte den Architekten immernoch zur Gesellschaftsgestalterin, darin liegt mehr Potenzial als im Gewinnstreben der Industrie.

Bleibt zu hoffen, dass der Initiative auch gute architektinnen und designer vorstehen und die ganze Sache nicht von der Industrie oder der Politik gekarpert wird.

Sonst droht dem europäischen Bauhaus dem selben Schicksal des vergangenem: die Idee des universalischtischen Gestaltens, wird zu einem hohlen Stil und Marketinglabel...

5

gerard | 20.10.2020 09:28 Uhr

oh je

soviel pessimismus gleich von anfang an, meine vorschreiberin hat keinen guten einstieg gemacht.
lasst sie doch erst mal machen, es kann nur besser werden, und ein bauhaus wuerde sich heute natuerlich anderen zielen (siehe oben) und nicht nur dem industriellen bauen widmen.
100 jahre sind eine lange zeit. momentan ist eh alles nur theorie.

4

ixamotto | 20.10.2020 09:17 Uhr

@Ulrike Bergmann Dipl.-Ing.

Weder die Nennung Ihres akademischen Abschlusses, noch eine kleine abschliessende Sentenz als Ausweis Ihres Latinums können über eine in jeder Hinsicht erratische und abstruse Argumentation hinwegtäuschen: Si tacuisses philosophus mansisses...

3

Andreas | 20.10.2020 08:22 Uhr

Bauhaus der Erde

Auf der Teilnehmer*innenliste vom Treffen des Initiativkreises "Bauhaus der Erde", 16.12.2019, die mir vorliegt, steht nicht der schillernde Techno-Architekt Werner Sobek. Wie kommt dieser Scharlatan da rein?

2

STPH | 20.10.2020 08:08 Uhr

...

das Hortgebäude von Mono Bild 3 ist in sofern ein schlechtes Beispiel, weil es lediglich die höhlenartige Massivbauweise mit Lochfenstern in den Holzbau tradiert. Die strukturellen Möglichkeiten von Holz, etwa eines Balloonframe sind aufgelöste Wände. Bereits das historische Fachwerk tendiert zu strukturellen Verglasungen.

Damit sind wir eher beim Bild 2 des Bauhausgebäudes, diesmal in Holzfassadenstruktur und Stampflehmtreppenhaus. Moderne keeps going on.

1

Ulrike Bergmann Dipl.-Ing. | 19.10.2020 19:58 Uhr

Neues Europäisches Bauhaus ......

So, so, ein europäische Initiative dem Geist der Bauhausarchitektur neues Leben einzuhauchen. Wenn man weiß, daß sich die Bauhausarchitektur die Industriebauweise als Vorbild genommen hat, was erwartet man denn da Neues? Außer das die "Bauklötze" -Mini-Apartments, jetzt aus Holz und Lehm gefertigt werden sollen? Das ist ja in unseren Breitengraden geradezu ideal. Ach, und das Abholzen der Wälder scheint da kein Problem zu sein, für die Grünen schon mal gar nicht ( siehe Berlin/Tesla, siehe die Windkraft !) Nicht, daß ich gegen neue Innovation wäre, aber so nicht, es ist ein Holzweg, ein schlechter Einheitsbrei, wie alles was aus der EU.
kommt! Und ihr jungen Architekten, es wäre schön, wenn man in unserem Land, an der Architektur wieder erkennen könnte, in welcher lebenswerten schönen Stadt man sich gerade aufhält.
Sapiente sat esto !

 
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Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, hat sich für ein „Europäisches Bauhaus“ ausgesprochen. Foto: Etienne Ansotte

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„Dem Systemwandel eine Ästhetik geben“: Als Vorbild eines künftigen Gestaltungslabors fungiert das von Walter Gropius gegründete Bauhaus, hier das Schulgebäude in Dessau-Rosslau. Foto: Alexey Silichev / Wikimedia / CC BY-SA 4.0

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Ein Schritt Richtung Zukunft: Hortgebäude von MONO Architekten, das beim Holzbauplus-Wettbewerb des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ausgezeichnet wurde. Die Architekten wählten eine konsequent ökologische Konstruktion aus Holz, Stroh- beziehungsweise Zellulosedämmung und Lehmputz. Foto: Gregor Schmidt

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