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16.04.2021
Experiment ohne Emission
Zirkuläres Bauen bei Barcelona
Man sieht es der kleinen Kabine im Naturpark Collserola in der Umgebung von Barcelona auf den ersten Blick nicht an, aber in ihr sind jede Menge wissenschaftlicher Leitgedanken verarbeitet. Als Prototyp für eine in möglichst allen Aspekten hervorragende Ökobilanz beschreitet sie neue Wege für nachhaltiges Bauen. Das beginnt bei der Verwendung des vor Ort gefällten und verarbeiteten Bauholzes und endet mit dem zirkulären Stoffkreislauf beim Bewohnen des Hauses. Errichtet hat den Minibau ein Team von Studierenden des Institute of Advanced Architecture of Catalonia (IAAC) unter Leitung von Daniel Ibáñez und Vicente Guallart der Valldaura Labs und des Master in Advanced Ecological Buildings and Biocities (MAEBB). Beteiligt waren außerdem der Energieexperte Oscar Aceves, der Wasserexperte Jochen Scheerer und die Architekt*innen Elena Orte und Guillermo Sevillano.
Die Hütte ist ein 3,6 x 3,6 Meter großer Würfel und mit Voxel nach einem volumetrischen Pixel benannt. Für das als Baumaterial dienende Brettsperrholz, auch als CLT (cross-laminated timber) bezeichnet, erntete man 40 Aleppo-Kiefern, die in drei Zentimeter dicke Bretter geschnitten für drei Monate zum Trocknen gestapelt wurden. In der direkt vor Ort befindlichen Schreinerei der Valldaura Labs verarbeitete man die Bretter zu Hunderten von Kiefernlamellen. Jede Lamelle wurde zuerst in einer spezifischen Sequenz kodiert und markiert – von den Projektteilnehmer*innen als ein Akt „obsessiver Hingabe“ bezeichnet, um jedes Bauteil genau zu seinem Ursprungsort zurückverfolgen zu können – und dann in über 30 strukturelle CLT-Paneele gepresst. Zusammengehalten werden diese mit Überlappungsverbindungen und Holzdübeln. Darüber findet sich eine Isolierung aus Kork. Die dunklen Fassaden schließlich schützen vor Regen: Sie bestehen aus Holz, welches bei der Herstellung des CLT übrig blieb und nach der japanischen Technik Shou Sugi Ban bearbeitet wurde.
Das gesamte Holz ist „0 Kilometer-Material“ – es stammt aus dem Wald direkt vor der Haustür. Damit reduziert sich die graue Energie, in der auch die beim Transport anfallende Energie mitsamt CO2-Emissionen einkalkuliert sind. Gefällt wurden die Bäume übrigens nach einem nachhaltigen Waldbewirtschaftungsplan, denn das Entfernen von altem Baumbestand fördert das Emporkommen jüngerer Bäume und die Artenvielfalt.
Das Projekt erforscht außerdem die zirkuläre Bioökonomie für die Architektur, es geht um möglichst große Autonomie. Dem Komplex Wasser-Energie-Abfall begegnete man mit viel Low Tech: Die Wasserversorgung funktioniert via Tanks mit dem Sammeln von Regenwasser, der Wiederverwertung von Grauwasser sowie der Aufbereitung von Schwarzwasser in einem eigenständigen Biogassystem, das als Nebenprodukt nutzbaren Brennstoff zum Kochen oder Heizen und sanitären Dünger erzeugen soll. Drei Solarpaneele und ein Batteriespeicher gewährleisten die Stromversorgung. Auf dem Dach der Hütte können Gemüse und Kräuter gezüchtet werden, für die Kästen wurde selbstverständlich keine Schraube und kein Kleber verwendet.
Dass der in fünf Monaten errichtete Bau von den Planer*innen sogar als architektonische Lösung für die Einhegung der Covid-19 Pandemie vorgeschlagen wird – Stichwort Quarantäne – ist sicherlich der Zeit geschuldet. Wenn die kleine Holzhütte auch nicht alle Probleme der Gegenwart zu lösen vermag, so zeigt sie doch klare Ansätze für eine ökologisch nachhaltigere Zukunft auf. (stu)
Fotos: Adrià Goula
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