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20.03.2017

Wo sitzt heute der Stachel?

Zehn Thesen zu einer neuen Bauakademie in Berlin


Endlich kommt Schwung in die Sache. Das war abzusehen und auch dringend nötig. Denn die Diskussion um den Wiederaufbau der Schinkel’schen Bauakademie in Berlin lief bisher erstaunlich reibungslos. Zur Erinnerung: Seit Jahren zeichnen ein Gerüst mit leicht ausgeblichener Plane und eine originalgetreu aufgemauerte Ecke den 1962 abgerissenen Bau in Sichtweite des Berliner Schlosses nach. Mit diesem Mock-Up im Maßstab 1:1 versuchte der Verein „Internationale Bauakademie“, Geld für die Rekonstruktion dieses unzweifelhaft wichtigen Bauwerks von Karl Friedrich Schinkel aus dem Jahr 1836 zu sammeln. Das gelang bisher mehr schlecht als recht. Doch seit die Rekonstruktion des Stadtschlosses mit großen Schritten voranschreitet, scheint vieles plötzlich ohne Weiteres machbar. 62 Millionen Euro stellte der Bund im November für den Wiederaufbau der Bauakademie zur Verfügung. Das weckt Begehrlichkeiten – und jetzt soll alles natürlich ganz schnell gehen.

Gegen diesen planerischen Aktivismus wenden sich nun Oliver Elser (Kurator am DAM in Frankfurt a. M.), der Architekturkritiker Florian Heilmeyer und Ulrich Müller von der Architektur Galerie Berlin. Sie haben „Zehn Thesen zu einer neuen Bauakademie“ vorgelegt, in denen sie in erster Linie dagegen Einspruch erheben, dass – trotz der Erfahrungen mit dem Berliner Stadtschloss – nun schon wieder ein Wettbewerb ausgelobt werden soll, bevor überhaupt die Inhalte des neuen Hauses definiert und in ein gültiges Raumprogramm übersetzt worden sind. Doch die Politik drängt zur Eile. Noch in diesem Jahr soll ein Wettbewerb stattfinden. Ein Dialogforum mit drei Veranstaltungen schafft im Schnelldurchlauf die notwendige öffentliche Legitimation. Das erste Treffen im Februar war gut besucht, das zweite steht bereits übermorgen an.

Elser, Heilmeyer und Müller plädieren für ein Innehalten und einen neuen Ansatz auf völlig anderem Niveau. Mit Blick auf die etablierten Akteure der Hauptstadt – die sich natürlich gerne des Projekts bemächtigen würden – fordern sie eine „politisch unabhängige Findungskommission“, die eine Gründungsintendanz bestimmen soll, die wiederum die volle Verantwortung für den Wettbewerb trägt und dafür sorgt, dass letztendlich eine neue, unabhängige Institution entsteht – eben eine „Neue Bauakademie“, die frische Impulse zu setzen vermag. Dabei geht es den Autoren nicht zuletzt um die Vielfalt der Berliner Szene, die sie in der neuen Institution abgebildet sehen wollen. Sie sprechen sich deshalb für eine Akademie aus, die „wie ein koproduzierendes Kulturfestival“ agiert, etwa vergleichbar der Ruhrtriennale oder dem Steirischen Herbst.

Interessant ist der architektonische Bezugsrahmen, den die Autoren mit Blick auf den Wettbewerb eröffnen, den das Bundesbauministerium in den nächsten Wochen auszuarbeiten hat. Sie verweisen darauf, dass die Bauakademie für die bürgerliche „Eroberung der feudalen Mitte“ stand und dass Schinkels Architektur einen „sichtbar industriellen Charakter“ hatte. In Anlehnung an diese konzeptionelle Radikalität der Setzung von damals fragen sie: „Wo sitzt heute dieser Stachel?“ Und sie nennen explizit Beispiele, um klar zu machen, in welche Richtungen sie denken, wenn es um die Frage Rekonstruktion, Interpretation oder Neubau geht: der Sonderankauf von Kuehn Malvezzi für das Stadtschloss, die Meisterhäuser in Dessau von Bruno Fioretti Marquez und die neue Fassade des Berliner Naturkundemuseums von Diener & Diener. Wenig überraschend: Auch die permanente Neuerfindung der Institution im Geiste des Fun Palace von Cedric Price darf natürlich nicht unerwähnt bleiben. Ebenso wenig die totale Verweigerung: Wenn der Wettbewerb kein überzeugendes Ergebnis bringe, dann solle man eben abwarten und weiter nachdenken, um zu einem wirklich starken Entwurf zu kommen. Das klingt nihilistisch, ist aber angesichts der momentanen Hektik ein mehr als sinnvoller Vorschlag.

Letztendlich zielen die Autoren auf einen professionell vorbereiteten, wirklich ergebnisoffenen Wettbewerb auf höchstem Niveau, der die architektonische Basis für eine zeitgemäße und international relevante Institution erbringen soll. Ohne die seriöse Erarbeitung eines inhaltlichen Programms wird dies nicht zu haben sein – oder eben doch nur historisierende Fassadenarchitektur. Nicht zuletzt geht es auch darum, hier kein Instrument des Stadtmarketings oder bloß lokaler Relevanz zu schaffen, keinen Ort, an dem primär Berliner Architekturdebatten zu internationaler Relevanz aufgebauscht werden. Vielmehr zielen sie auf die ganz große internationale Bühne, wenn sie fordern, dass die Neue Bauakademie in einer Liga mit intellektuellen Schwergewichten und Sammlungen wie dem Canadian Centre for Architecture in Montreal, dem Getty Research Institute in Los Angeles und der Pariser Cité de l’architecture spielen soll. Eine solche Institution aufzubauen, dürfte freilich alles andere als einfach werden – auch wenn die Ausgangslage anders aussehen würde. Man darf auf die Diskussionen der beiden kommenden Foren gespannt sein.

Als Erstunterzeichner des Aufrufes konnten Markus Bader von Raumlabor Architekten, Gabi Dolff-Bonekämper von der TU Berlin, der Architekturkritiker Christian Holl, Louisa Hutton und Matthias Sauerbruch, der Direktor des Architekturmuseums der TU München, Andres Lepik, der Direktor des S AM Basel, Andreas Ruby, Volker Staab sowie Georg Vrachliotis vom KIT Karlsruhe gewonnen werden. (gh)


Zum Thema:

Die zehn Thesen im Wortlaut: www.neuebauakademie.de

Am Mittwoch, 22. März 2017, von 17.00 bis 20.30 Uhr findet das zweite Treffen des „Dialogverfahrens zur Wiedererrichtung der Bauakademie“ statt, das den  Titel „Ideenforum“ trägt. Veranstaltungsort ist der Große Saal im Kronprinzenpalais, Unter den Linden 3, 10117 Berlin. Das Protokoll des ersten Treffens, weitere Informationen zum Verfahren und das Online-Anmeldeformular zum zweiten Treffen finden sich auf der Website der Bundesstiftung Baukultur: www.bundesstiftung-baukultur.de


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„I was a monument“, Montage von Felix Torkar

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