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31.03.2022
Pragmatismus für die Honswerkstatt
Wolfgang Zeh gewinnt in Remscheid
In der kleinen Großstadt Remscheid, die einst in der Metall- und Werkzeugindustrie Karriere gemacht hat, kommt der Strukturwandel nur langsam in Gang. Auf Initiative der Montag Stiftung Urbane Räume soll die Arbeitersiedlung auf dem Honsberg gemeinwohlorientiert entwickelt werden. Nun wurde der Wettbewerb für den Neubau einer Quartierswerkstatt entschieden.
Von Uta Winterhager
Noch in den 1970er Jahren hatte die Industrie im Bergischen Land gezielt Gastarbeiter angeworben. Viele Familien aus der Türkei oder Italien fanden damals in der ältesten Arbeitersiedlung von Remscheid auf dem Honsberg ein neues Zuhause. Heute leben dort noch 2.300 Menschen, aber viele Häuser stehen leer. Seit 2013 versucht die Kulturwerkstatt „Ins Blaue“ dem Leerstand mit Kunst, Aktionen und guten Ideen entgegenzuwirken.
Deren Pioniergeist beeindruckte die in Bonn ansässige Montag Stiftung Urbane Räume. Drei Jahre nahm sie sich Zeit, erstellte mit Taller de Casqueria (Madrid) eine Strategie für eine gemeinwohlorientierte Entwicklung des Quartiers und gründete 2020 die gemeinnützige Entwicklungsgesellschaft Urbane Nachbarschaft Honsberg. In Partnerschaft mit der Stadt Remscheid, der GEWAG Wohnungsbaugesellschaft, der Kulturwerkstatt und dem Stadtteil e.V. will sie das Projekt Honswerk nach dem Initialkapital-Prinzip realisieren. Ziel ist es, durch die Investition in eine Immobilie dauerhaft eine soziale Rendite zu erzielen: Gewinne, die durch Bewirtschaftung der Immobilie entstehen, kommen Akteuren zugute, die sich für das Gemeinwohl engagieren. Damit werden wichtige Erneuerungsimpulse für den gesamten Stadtteil gegeben. Realisierte Beispiele sind der BOB Campus (Wuppertal) und die KoFabrik (Bochum).
Auf dem Honsberg werden nach diesem Prinzip 15 Häuser in der Siemensstraße durch die ARGE ASTOC / Zeller Kölmel (Köln) saniert und modernisiert, die öffentlich geförderten Wohnungen bleiben jedoch so günstig, dass niemand vertrieben wird. Auch neue Wohnformen wie Senioren-WGs und Büros für Gründer sollen Platz finden, eine brachliegende Fläche zum Stadtteilgarten werden. Einziger geplanter Neubau im Quartier ist die Honswerkstatt, die drei am Hang stehende, abrissreife Siedlungshäuser in der Halskestraße ersetzen wird. Als multifunktional nutzbarer Ort soll sie außerschulisches, praxisorientiertes Lernen ermöglichen und zum Handwerken und Gestalten einladen, kurz: Leute zusammenbringen. Für die bauliche Gestalt lobte das Honswerk Ende 2021 einen beschränkten Wettbewerb aus.
Fünf eingeladene Büros waren aufgefordert, die Honswerkstatt als „wandelbare Hülle“ in ressourcenschonender Bauweise zu entwerfen. Sie soll niederschwellig und robust sein, zum Weiterbauen einladen und aktive Aneignung der Räume durch künftige Nutzer*innen zulassen. Die Auslobung gab kein fixes Raumprogramm vor, sondern benannte drei Raumcharaktere: eine große Werkstatt für laute Arbeiten an sperrigen Maschinen, ein kleines Werklabor für digitale Medien und ein Communityraum zum Treffen und Tanzen, räumliche und funktionale Verschränkungen waren gewünscht. Die Grundfläche des Neubaus sollte dem Fußabdruck des Bestands, rund 440 Quadratmeter, entsprechen.
Eine 15-köpfige Jury unter Vorsitz von Anne-Julchen Bernhardt, die am 24. März 2022 öffentlich tagte, entschied sich für den Entwurf vom Büro für Architektur Wolfgang Zeh (Köln).
Das Büro schlägt eine zweieinhalbgeschossige Shedhalle vor, deren industrieller Duktus im Quartier zunächst für Irritation sorgte: Warum etwas bauen, das es in der Stadt zur Genüge gibt? Doch der hemdsärmelige Pragmatismus, so die Verfasser selbst, überzeugte: Der kompakte Stahlskelettbau mit hölzerner Dachkonstruktion ist nachhaltig und flexibel, da mit lösbaren Verbindungen geplant. Werkstatt, Halle und Labor haben unterschiedliche Bezüge zum Quartier und den Nutzungen entsprechende Raum- und Materialqualitäten, der Ausbau kann dem Bedarf entsprechend in Eigenleistung erfolgen.
Das interdisziplinäre Team von endboss aus Hannover (2. Preis) entwickelte für die Honswerkstatt einen siebenstufigen Prozess als kollektive Bauaktion mit viel Zeit für Aneignung und produktive Zwischennutzung – Slow architecture als Einladung zur Teilhabe. Den Entwurf bestimmt eine Rampe von der Siemensstraße bis hinunter zum Stadtteilgarten, aus der sich die Funktionsräume entwickeln. Doch die räumlichen Qualitäten des Hallenbaus erschienen der Jury unklar und ebenso wie das Zuviel an Glas kaum geeignet für Ort und Nutzung.
Die Ankäufe gingen an Medine Altiok (Aachen/ Zürich), die mit einem großen, kostspieligen Dach ihre Wertschätzung für das Quartier ausdrücken wollten, an Aretz Dürr (Köln), die die Erschließung und Begegnung mit einem spektakulären Rampenbauwerk zum Thema machten und an Max Otto Zitzelsberger (München), der eine schöne Geschichte erzählte, dessen in den Hang gegrabener Bau aber an seiner Form leidet.
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1. Preis: Büro für Architektur Wolfgang Zeh (Köln)
2. Preis: endboss (Hannover)
Ankauf: Medine Altiok (Aachen, Zürich)
Ankauf: Max Otto Zitzelsberger Architekt (München)
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