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20.03.2019

Frankfurt am Main und das Bauhaus

Wolfgang Voigt und Dorothea Deschermeier über ihre Ausstellung im DAM


Am Freitag, 22. März 2019 eröffnet im DAM in Frankfurt am Main die Ausstellung „Neuer Mensch, Neues Frankfurt – Die Bauten des Neuen Frankfurt 1925-1933“. Sie ist eine von drei großen Ausstellungen zum Neuen Frankfurt, die im Bauhausjahr in der Stadt eröffnen: Im Museum Angewandte Kunst ist noch bis zum 14. April die Ausstellung „Moderne am Main 1919-1933“ zu sehen und am 16. Mai startet die Ausstellung „Wo wohnen die Leute?“ im Historischen Museum.

Herr Voigt, Frau Deschermeier, alle drei Ausstellungen gehen zurück auf eine Initiative der drei Museen und des kürzlich von
Stadtverwaltung und der
ernst-may-gesellschaft e.V. gegründeten Forum Neues Frankfurt. Worauf liegt der Fokus Ihrer Ausstellung im DAM ?
Das Neue Frankfurt bekam seine eigentliche Initialzündung durch den 1925 gefassten Beschluss zum Bau von 10.000 Wohnungen. Schon bald erweiterte es sich zu einem beispiellosen Programm baulicher und kultureller Erneuerung, das die ganze Stadt erfasste, aber nur von kurzer Dauer war. Nachdem in der „Moderne am Main“ die Themen der Kunstschule, des Designs, des Mobiliars etc. behandelt worden sind, ist im Deutschen Architekturmuseum die Architektur an der Reihe. Gezeigt werden die am Stadtrand entstandenen Siedlungen und ausgewählte Bauten, außerdem einige Elemente, mit denen das Frankfurter Modell Geschichte machte – wie die Frankfurter Küche, die Plattenbauweise, die Zeitschrift „Das Neue Frankfurt“, das Leitbild des „Neuen Menschen“.

Was verbindet Frankfurt am Main mit dem Bauhaus?

Zwischen dem Bauhaus und dem Neuen Frankfurt gab es lockere Verbindungen, die aber nicht als eine Beziehung zwischen Sender und Empfänger zu verstehen sind. Die Frankfurter Kunstgewerbeschule beschäftigte in den Designfächern einige junge Dozenten, die vorher am Bauhaus studiert hatten. Als 1930 Mies in Dessau Direktor wurde und einige Studenten hinauswarf, weil sie zu links waren, wanderten sie nach Frankfurt ab. Als Gropius nicht mehr Bauhausdirektor war, baute er in Frankfurt eine Siedlung mit 200 Wohnungen (Am Lindenbaum). Adolf Meyer war schon 1925 nach Frankfurt übergesiedelt. Ernst May gab ihm eine Anstellung im Hochbauamt in der Bauberatung. Das sind die Fakten – jedoch zu marginal, um Frankfurt als einen Schauplatz des Bauhauses zu bezeichnen.

Was war Ihre wichtigste Erkenntnis bei den Vorbereitungen für die Ausstellung?
Mit Ernst Mays „Neuem Frankfurt“ gab es neben Dessau ein zweites Zentrum des Aufbruchs. Gropius schrieb 1963: „Während wir, seine Kollegen, im Wesentlichen an den neuen Theorien und nur auf dem Papier arbeiten konnten, verstand es May, die Macht der öffentlichen Stellung mit großem Mut für die Verwirklichung der neuen Ideen zu nutzen.“ Mit Gropius’ spätem Eingeständnis ist das Wesentliche gesagt. Deshalb versammelte sich der zweite internationale Kongress der modern gesinnten Architekten (CIAM) 1929 in Frankfurt und nicht in Dessau, Stuttgart oder Berlin!

Inwiefern ist das Neue Frankfurt für die Gegenwart anschlussfähig?
Frankfurt hat heute ebenso wie in den 1920er Jahren eine ernste Wohnungskrise, die mit absurd hohen Mieten zusammenhängt, bei denen selbst Leuten aus der Mittelschicht die Puste ausgeht. Das städtische Dezernat Planen und Wohnen ist dabei, mit neuen Wohnquartieren, mehr gefördertem Wohnraum und mit intelligenten Entwürfen gegenzusteuern. Das DAM zeigt bis August 2019 auch die Ausstellung „Wohnen für Alle“. Es sind Wettbewerbsentwürfe für Prototypen zum kostenreduzierten Wohnungsbau, von denen eine Auswahl demnächst in Frankfurt gebaut wird.

Gropius, Meyer und Mies?
Das noch immer gängige Narrativ der Architekturgeschichte der Moderne wurde wesentlich formuliert durch Sigfried Giedions Standardwerk „Space, Time and Architecture“ (1941), in dem Gropius und Mies neben Le Corbusier zu den das Jahrhundert prägenden „Masters“ ausgerufen worden sind. Der linke Bauhausdirektor Hannes Meyer, dessen Konzept „Volksbedarf statt Luxusbedarf“ den Intentionen des Neuen Frankfurt verwandt gewesen ist, kam hingegen gar nicht mehr vor. Die kritische Architekturgeschichte hat das längst erkannt. Kaum besser erging es dem Neuen Frankfurt und Ernst May, es wurde mit wenigen Sätzen ohne Bilder abgetan. Dabei war es May, der wirklich in großem Stil für die Massen gebaut und die Moderne in die Lebensrealität der Bevölkerung geholt hatte.

Die Fragen stellte Natalie Scholder

Eröffnung: Freitag, 22. März 2019, 19 Uhr
Ausstellung: 23. März–18. August 2019, Di, Do-So 11–18 Uhr, Mi 11–20 Uhr
Ort: DAM Deutsches Architekturmuseum, Schaumainkai 43, 60596 Frankfurt am Main


Zum Thema:

www.dam-online.de


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Siedlung Praunheim, ca 1930

Siedlung Praunheim, ca 1930

Wolfgang Voigt

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Dorothea Deschermeier

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Siedlung Praunheim, ca 1930

Siedlung Praunheim, ca 1930

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